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KONVENTION/008: Doppelter Standard des Westens bei der Verurteilung von Streubombeneinsätzen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. September 2015

Rüstung: Doppelter Standard des Westens bei der Verurteilung von Streubombeneinsätzen

von Thalif Deen



Bild: © Irwin Loy/IPS

Das laotische Streubombenopfer Ta Doangchom in einer Prothesenwerkstatt des Nationalen Rehabilitationszentrum in Vientiane
Bild: © Irwin Loy/IPS

NEW YORK (IPS) - Es gibt zwei Gründe, warum sich die internationale Gemeinschaft 2008 auf das Übereinkommen zum Verbot von Streubomben (CCM) geeinigt hat. Zum einen richten diese tödlichen Waffen großes Unheil in den Kriegsgebieten an. Zum anderen bringen sie als Blindgänger auch noch viele Jahre nach dem Ende von Konflikten Zivilisten in Lebensgefahr.

Bis Ende August waren 117 Staaten dem Abkommen beigetreten: 95 von ihnen hatte es unterzeichnet und ratifiziert, 22 lediglich unterzeichnet. Auf der ersten fünftägigen Revisionskonferenz des CCM, die noch bis zum 11. September in Dubrovnik in Kroatien stattfindet, haben jedoch die Vertragsstaaten Australien, Großbritannien und Kanada Bedenken gegen den Entwurf der Abschlusserklärung über den Einsatz von Streuminen angemeldet.

Die Vertreter der drei Länder begründeten ihre ablehnende Haltung gegen das Dokument damit, dass dadurch die Möglichkeit wegfalle, mit Nicht-Vertragsstaaten gemeinsame Militäroperationen durchzuführen.

Großbritannien, das den Abwurf der Streubomben im Sudan, in Syrien und in der Ukraine in diesem Jahr aufs Schärfste verurteilt hatte, weigert sich, die von Saudi-Arabien geführte Koalition im Jemen für den Einsatz der gleichen Waffen zu tadeln - was nicht überrascht, ist Saudi-Arabien doch ein milliardenschwerer Markt für britische Waffen. Das ölreiche Land bezieht aus den nordeuropäischen Inselstaat moderne Kampfflugzeuge, Raketen und Präzisionsbomben.


"Zu Einsatz schweigen heißt Einsatz billigen"

Doch damit die Konvention erfolgreich sein kann, muss das Verbot überall und für alle gelten, wie Steve Goose von der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' und der Koalition gegen Streuminen (CMC) betonte. "Vertragsstaaten sollten ihre Bereitschaft, eine Regierung für den Einsatz von Streumunition zu verurteilen, nicht von dem Verhältnis zu dem Zuwiderhandelnden oder der Art der eingesetzten Streumunition abhängig machen." Zu einem bestätigten Einsatz von Streubomben zu schweigen, bedeute den Einsatz zu billigen. Dies komme jedoch einem Bruch der unter der Konvention eingegangenen Verpflichtungen gleich.

Die CMC vertritt die Meinung, dass die Versuche Großbritanniens, Australiens und Kanadas, die Abschlusserklärung zu verwässern, dem Geist der Konvention widerspreche und den Bemühungen, diese Waffen und deren Einsatz zu stigmatisieren, einen Dämpfer aufsetzen würde.

Thomas Nash, Leiter der Gruppe 'Article 36', die die Länder zur Einhaltung der CCM drängt, erklärte gegenüber IPS, dass der Schutz von Zivilisten unpolitisch sein müsse. Indem Großbritannien bei den Streubomben mit zweierlei Maß messe, treibe das Land ein gefährliches Spiel mit dem Schutz der Zivilbevölkerung. "Mit seinen Bemühungen, die internationale Ächtung von Streubomben zu hintertreiben, stellt Großbritannien eine unglaubliche Gefühllosigkeit gegenüber dem menschlichen Leid unter Beweis, das von diesen Waffen verursacht wird."

Wie Article 36 weiter erläutert, hatte das Königreich vor Unterzeichnung der Konvention 2008 Streubomben umfangreich in Falklandkrieg (1982), im Kosovo (1998-1999) und im Irak (1991-2003) eingesetzt. Darüber hinaus habe Großbritannien Streumunition an Saudi-Arabien geliefert. Unklar sei, ob diese vor 2008 gelieferte Munition nun auch im Jemen zum Einsatz komme.

Ob nun die Weigerung Londons, den Einsatz der Streubomben durch die von Saudi-Arabien geführte Koalition im Jemen zu verurteilen, direkt mit den britischen Waffenverkäufen an den Golfstaat zu tun habe oder nicht - die britische Politik sei in dieser Frage höchst dubios, fügte Nash hinzu. "Der beste Weg für Großbritannien, Klarheit zu schaffen, wäre eine Verurteilung der Streubombeneinsätze im Jemen durch die Koalition."

Nash wies ferner darauf hin, dass sich Großbritannien in der Streuminenfrage stark von den USA beeinflussen lasse. So wie Saudi-Arabien dürften auch die USA nicht sehr erfreut sein, wenn London den Einsatz von Streubomben kategorisch verurteilen würde, ist er überzeugt.

"Die USA sehen in dieser Frage auch weiterhin auf der falschen Seite, und Großbritannien, das das CCM unterzeichnet und ratifiziert hat, muss sich nun für eine Seite entscheiden."


Für Großbritannien ist Saudi-Arabien wichtigster Kunde

Laut Nicole Auger, Nahost- und Nordafrika-Analystin sowie Expertin für internationale Verteidigungsetats bei dem US-Rüstungsforschungsinstitut 'Forecast International', ist Saudi-Arabien für die Briten ein extrem wichtiger Waffenabsatzmarkt. "Mit Lieferungen im Wert von 2,4 Milliarden Dollar dürfte der Golfstaat im letzten Jahr der wichtigste Abnehmer für britische Rüstungsgüter gewesen sein."

Saudi-Arabien setzt Eurofighter Typhoon und Tornado-Kampfflugzeuge ein. Die britische Waffenschmiede 'BAE (British Aerospace) Systems' hat unlängst im Rahmen ihres Saudischen Tornado-Erhaltungsprogramms IDS-Tornados und TornadoF3-Kampfflieger im Auftrag des Golfstaates modernisiert.

Sowohl die Typhoon-Eurofighter als auch die Tornado-Jagdflieger spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Rebellen im Jemen. Inzwischen setzt die saudische Luftwaffe auch Hawk 65/65A-Strahltrainer ein. Das leichte Kampfflugzeug ist mit der Paveway IV-Präzisionsbombe des in Großbritannien ansässigen Waffenproduzenten 'Raytheon Systems' und den Storm Shadow-Luft-Boden-Raketen des französisch-italienisch-britischen Rüstungskonzerns MBDA ausgestattet.

Auger zufolge gilt Saudi-Arabien seit Februar zudem als wichtigster Kunde für MBDA-Meteor-Luft-Luft-Raketen. Der Vertrag hatte ein Volumen von mehr als einer Milliarde Dollar. (Ende/IPS/kb/10.09.2015)


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IPS-Tagesdienst vom 10. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2015

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