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MELDUNG/016: Weltorganisation fürchtet Machtverlust - Obama wertet globale Rolle der G20 auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. September 2010

UN: Weltorganisation fürchtet Machtverlust - Obama wertet globale Rolle der G20 auf

Von Thalif Deen


New York, 24. September (IPS) - Die 192 Mitgliedstaaten zählende UN-Vollversammlung hat ihre 65. Sitzungsperiode unter ungünstigen Vorzeichen begonnen. Äußerungen über die künftige Rolle der G20 gaben Befürchtungen neue Nahrung, die Weltorganisation könnte als multilaterales Forum an Relevanz verlieren.

US-Präsident Barack Obama hatte in seiner Ansprache vor der UN-Vollversammlung die Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, gute Regierungsführung und Friedenserhaltung als Kernbereiche zugewiesen. "Der Fokalpunkt der internationalen Koordination" müsse jedoch die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sein.

Die Weltorganisation reagierte alarmiert. "Die Vereinten Nationen sind in Gefahr, durch das Auftauchen anderer Akteure an den Rand des internationalen Geschehens gedrängt zu werden", sagte daraufhin der Präsident der Vollversammlung, Joseph Deiss. Das UN-Gremium sei als "zu ineffizient und ineffektiv" kritisiert worden.

Offensichtlich werde einem kleineren Forum eher zugetraut, dringende Entscheidungen zu treffen, sagte der frühere Schweizer Bundespräsident. Es gehe ihm nicht darum, die Rolle von Staatenbünden wie der G20 in Frage zu stellen, versicherte er. Die Wirtschafts- und Finanzkrise habe gezeigt, wie wichtig eine rasche koordinierte Reaktion sei.

Der G20, die 1999 gegründet wurde, gehören unter anderem die acht größten Industrieländer USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Kanada und Russland an.


Brasilien will höhere Präsenz Afrikas in G20

Brasiliens Außenminister Celso Amorim, dessen Land ebenfalls Teil der Gruppe ist, würdigte die G20 vor der UN-Vollversammlung als "einen Schritt vorwärts". Zugleich kritisierte er, dass in dem Staatenverband nur ein afrikanischer Staat (Südafrika) vertreten sei. "Die Gruppe muss Afrika eine stärkere Partizipation ermöglichen", forderte er.

Amorim sprach sich außerdem für einen intensiven Austausch zwischen der G20 und der UN-Vollversammlung aus. Die "Relevanz und Legitimität" der Gruppe könne nur aufrecht erhalten bleiben, wenn sie einen offenen und permanenten Dialog mit allen 192 Mitgliedern der Vollversammlung führe.

Der Minister zitierte Brasiliens scheidenden Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva mit den Worten, dass der Multilateralismus die internationale Seite der Demokratie sei. "Und die Vereinten Nationen müssen bei der Entscheidungsfindung in der internationalen Politik im Mittelpunkt stehen."

Obama begründete seine Aufmerksamkeit für die G20 damit, dass in einer Welt wachsenden Wohlstands die Zusammenarbeit auf die Schwellenländer ausgedehnt werden müsse. Den Vereinten Nationen gestand der US-Präsident eine "unverzichtbare Rolle bei der Förderung der Menschenrechte" zu.

Obama lobte unter anderem die Bemühungen der neuen Weltfrauenorganisation 'UN Women' um die weltweite Stärkung der Frauenrechte. Er forderte zudem die UN-Mitgliedsstaaten auf, internationale Wahlbeobachter zuzulassen und den UN-Demokratiefonds zu unterstützen. Auch eine Stärkung der UN-Friedensmissionen hielt er notwendig, um "Gräueltaten wie sexuelle Gewalt" zu verhindern und Gerechtigkeit zu garantieren. "Weder Würde noch Demokratie könne ohne grundlegende Sicherheit gedeihen", erklärte er.

Die Direktorin der 'New Internationalism Project' am Institut für Politische Studien in Washington, Phyllis Bennis, interpretiert Obamas Worte als Hinweis dafür, dass er die Vereinten Nationen nicht länger als Hauptakteur auf der Weltbühne betrachtet.


UN-Charta nicht mehr Herzstück internationalen Rechts

Für Obama seien die Vereinten Nationen nicht mehr die Hauptakteure des Multilateralismus. Ebenso wenig werde die UN-Charta als Herzstück des internationalen Rechts gesehen, sagte Bennis, die mehrere Bücher über die UN und die US-Außenpolitik geschrieben hat. Obama habe sich in seiner Rede ausführlich zur Nahost-Krise geäußert, erklärte sie. Um ein größeres Engagement der Vereinten Nationen in der Region habe er jedoch nicht geworben. Bennis erinnerte zudem daran, dass die USA bereits in der Kosovo-Krise in den neunziger Jahren die NATO über einen Krieg entscheiden ließ und den für diese Frage zuständigen UN-Sicherheitsrat überging.

Die G8 und die G20 seien eine Bedrohung für das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), da sie auch in Fragen der globalen Entwicklung mitbestimmen könnten, warnte Bennis. Außerdem habe Obamas Kompromiss beim Weltklimagipfel in Kopenhagen die Anstrengungen der UN für eine eigene Klimastrategie unterminiert. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.un.org/en/ga/
http://www.g20.org/
http://www.unwomen.org/
http://www.un.org/democracyfund/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52951

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IPS-Tagesdienst vom 24. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010