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ORGANISATION/536: Kuba - Als Castro-Gegner das UN-Gebäude in New York beschossen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2014

Kuba: Als Castro-Gegner das UN-Gebäude in New York beschossen - Episode einer langen Feindschaft mit den USA

von Thalif Deen


Bild: © UN/TC

Kubas ehemaliger Industrieminister Ernesto 'Che' Guevara vor der UN-Vollversammlung am 11. Dezember 1964
Bild: © UN/TC

New York, 19. Dezember (IPS) - Als der Freiheitskämpfer Ernesto 'Che' Guevara, einst die Nummer zwei hinter dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro, vor der UN-Vollversammlung in New York eine Rede hielt, geriet das Hauptgebäude der Weltorganisation im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss. Die Worte des damaligen kubanischen Industrieministers wurden vorübergehend von der Detonation einer Rakete übertönt. Der Angriff vor gut 50 Jahren war der erste bekannte und politisch motivierte Terroranschlag auf die Vereinten Nationen.

Die Castro-Gegner in den USA hatten, unterstützt vom US-Geheimdienst CIA, eine heimtückische Kampagne gestartet, um die Ansprache des Marxisten vor dem höchsten UN-Gremium zu verhindern. Vom East River aus wurde eine Bazooka auf das 39-stöckige Haus abgefeuert, während es vor dem UN-Hauptquartier auf der First Avenue und der 42. Straße zu einer lautstarken Protestkundgebung gegen Castro und Che Guevara kam.

Doch das Geschoss, das sich nicht mit den modernen, leicht zu schulternden Raketen und raketengesteuerten Granaten vergleichen lässt, verfehlte sein Ziel und schlug in etwa 180 Meter Entfernung im Fluss ein. In einem Zeitungsbericht wurde der Vorfall später als "eine der wildesten Episoden seit dem Umzug der Vereinten Nationen in das Hauptquartier am East River im Jahre 1952" bezeichnet.


Auswirkungen auf die UN-Arbeit?

Nach der jüngsten Ankündigung von US-Präsident Barack Obama am 17. Dezember, nach 53 Jahren politischer Eiszeit diplomatische Beziehungen zu dem sozialistischen Inselstaat aufzunehmen, stellt sich nun für viele die Frage, ob damit ein Wandel in den Beziehungen möglich wird, der sich auf die Arbeit der Vereinten Nationen auswirkt.

Die USA haben routinemäßig UN-Resolutionen gegen die kubanische Menschenrechtspolitik eingereicht oder unterstützt. Außerdem widersetzten sie sich 23 Mal in Folge dem Mehrheitsbeschluss der UN- Vollversammlung, das 1960 gegen Havanna verhängte Wirtschaftsembargo aufzuheben. Im Oktober 2014 stimmten schließlich 188 der 193 Mitgliedstaaten für ein Ende der Sanktionen. Palau, Mikronesien und die Marshall-Inseln, die stets dem Beispiel der USA und Israel folgten und gegen die Aufhebung votierten, enthielten sich beim letzten Mal ihrer Stimme.

Der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez hatte die von Obama angekündigte Annäherung im Oktober quasi vorweggenommen, als er die USA zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen ermunterte. "Wir könnten versuchen, unsere Differenzen mit Hilfe einer gegenseitigen respektvollen Diplomatie beizulegen. Wir könnten auf eine zivilisierte Art gut miteinander umgehen und auskommen - trotz aller Differenzen."

In einer Stellungnahme zu dem historischen US-kubanischen Abkommen erklärte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dass er im Voraus von der US-Regierung informiert worden sei. "Das ist eine sehr positive Nachricht. Und ich möchte US-Präsident Barack Obama und dem kubanischen Staatschef Raul Castro dafür danken, dass sie diesen äußerst wichtigen Schritt zur Normalisierung der Beziehungen unternommen haben."


UN-Hilfsangebot

Damit seien beide Länder dem in den vielen UN-Resolutionen ausgedrückten Wunsch der Mitgliedsländer, ihre bilateralen Beziehungen zu verbessern, nachgekommen, meinte Ban am 17. Dezember vor Journalisten. "'Die Vereinten Nationen stehen bereit, um beiden Ländern beim Aufbau gutnachbarlicher Beziehungen zu helfen."

Nach Aussagen langjähriger UN-Mitarbeiter fand der misslungene Anschlag auf das UN-Gebäude 1964 just in dem Augenblick statt, als Che Guevera zu einer heftigen Verbalattacke auf die US-Außenpolitik ausholte und erklärte, dass sein Land keinem regionalen Abkommen für atomare Abrüstung beitreten werde, "solange die Vereinigten Staaten auf unserem Territorium sowie in Puerto Rico, in Panama und anderen amerikanischen Staaten [...] konventionelle und nukleare Waffen lagern".

Bild: © UN/TC

Kubas ehemaliger Industrieminister Ernesto 'Che' Guevara vor der UN-Vollversammlung am 11. Dezember 1964
Bild: © UN/TC

Angesprochen auf den Anschlag erklärte Che Guevara nach seiner Rede: "Die Explosion hat der ganzen Sache erst das richtige Aroma gegeben." Und als ihm ein Reporter berichtete, dass die New Yorker Polizei eine mit einem Jagdmesser bewaffnete Exil-Kubanerin aufgehalten habe, die offenbar vorhatte, ihn zu töten, meinte der Revolutionär: "Es ist besser, von einer Frau mit einem Messer als von einem Mann mit einem Gewehr getötet zu werden." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/12/the-day-anti-castro-forces-tried-to-bomb-the-u-n/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014


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