Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → UNO


ORGANISATION/552: Unterfinanzierte Nothilfeeinsätze, Hilfsorganisation fordert Pflichtbeiträge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Juni 2015

UN: Unterfinanzierte Nothilfeeinsätze - Hilfsorganisation fordert Pflichtbeiträge

Von Thalif Deen


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Nach UNICEF-Schätzungen leiden 3,5 Millionen pakistanische Kinder unter akuter Mangelernährung
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

NEW YORK (IPS) - Die Vereinten Nationen haben nicht nur mit einer zunehmenden Zahl humanitärer Krisen zu kämpfen. Ihre Hilfseinsätze sind zudem chronisch unterfinanziert. Um das Problem ein für alle Mal zu lösen, hat die Entwicklungsorganisation 'Oxfam America' vorschlagen, die Bereitstellung erforderlicher Nothilfegelder zur Pflichtübung zu machen.

Im konfliktgeplagten Südsudan leiden nach Angaben des Welternährungsprogramms WFP zurzeit 40 Prozent der 11,4 Millionen Menschen unter einem "alarmierend hohen Grad von Hunger". Die Interventionsmöglichkeiten der Hilfsorganisation sind jedoch durch den Mangel an finanziellen Ressourcen erheblich eingeschränkt. Derzeit fehlen dem WFP 230 Millionen US-Dollar für die Bereitstellung von Nahrungsmittelhilfen.

Insgesamt hat sich die Zahl der von Nothilfe abhängigen Menschen seit 2004 auf 100 Millionen mehr als verdoppelt. Der derzeitige Finanzierungsbedarf für 2015 liegt bei 19,1 Milliarden Dollar. 2004 waren es noch 3,4 Milliarden Dollar gewesen.

Die UN stufen vier Staaten als extrem nothilfeabhängig ein: neben dem Südsudan sind dies die Zentralafrikanische Republik, der Irak und Syrien. Allein in diesen vier Krisenherden sind insgesamt 20 Millionen Menschen Unterernährung und Hunger, Krankheiten, Gewalt und Tod ausgesetzt.

Dennoch stehen nicht genügend Mittel bereit, um den Hilfsbedarf zu decken. Wie Shannon Scribner von 'Oxfam America' im Gespräch mit IPS erläuterte, sind die Vereinten Nationen hauptsächlich für die humanitären Hilfseinsätze zuständig. Finanziert werden diese von einer Handvoll reicher Staaten, koordiniert und durchgeführt vom WFP und anderen UN-Agenturen sowie von Oxfam, dem Internationalem Komitee vom Roten Kreuz und anderen internationalen Hilfsorganisationen.


Humanitäre Arbeit der UN hat sich bewährt

Dank dieses humanitären Systems habe man in den letzten 50 Jahren mit vergleichsweise geringen Mitteln unzählige Menschenleben retten können. Die Beträge, mit denen die größten Geberstaaten ihre Bauern subventionierten, seien weitaus höher.

"Leider ist das System jedoch vollständig überlastet. Ständig sind die Mittel zu knapp und kommen zu spät", monierte sie. Deshalb empfiehlt sie, die Kapazitäten der lokalen Akteure zu stärken, um ein rasches und präventives Handeln zu ermöglichen.

Es werde höchste Zeit, das Programm zur Verringerung des Katastrophenrisikos (DRR) finanziell aufzustocken, fügte sie hinzu. Dadurch könnten Menschen gerettet und die Gefahr kostspieliger Infrastrukturschäden verringert werden. Scribner zufolge habe das DRR zwischen 1991 und 2010 gerade einmal 0,4 Prozent der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) erhalten.

In Mai hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ein hochrangiges UN-Panel einberufen, das sich mit der immer größer werdenden Lücke zwischen Mittelbedarf und tatsächlich vorhandenen Nothilferessourcen befassen soll.

Oxfam empfiehlt der Arbeitsgruppe, die Möglichkeiten einer verbindlichen Finanzierung durch die Geberstaaten - ähnlich der anteilig festgelegten Pflichtbeiträge der UN-Mitgliedstaaten für die UN-Friedensmissionen - ins Auge zu fassen. Die USA sind mit einem Finanzierungsanteil am regulären UN-Budget von 22 Prozent größter einzelner Beitragszahler.

Im Verlauf der letzten zehn Jahre ist nach Aussagen Bans die Nachfrage nach humanitärer Hilfe im Zusammenhang mit dem zunehmenden Wassermangel, der wachsenden Ernährungsunsicherheit, den demographischen Verschiebungen, der rapiden Verstädterung und dem Klimawandel "dramatisch" gestiegen. Und dies seien nur einige wenige Faktoren, die die Engpässe bei der Nothilfefinanzierung mit zu verantworten hätten. Helfer sähen sich aufgrund lang anhaltender Krisen und Konflikte genötigt, länger in den Einsatzländern zu bleiben.

Oxfam zufolge sind allein in Syrien 12,2 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen. Vier Millionen Syrer seien ins Ausland geflohen, 7,6 Millionen seien Flüchtlinge im eigenen Land. Im Jemen waren bereits vor der derzeitigen Krise zwei Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Und in beiden Ländern wurde den UN-Hilfsappellen nur zu 20 Prozent entsprochen.


Humanitäre Direkthilfe

Um das Problem der zu geringen und zu spät gezahlten Finanzmittel zu lösen, schlägt Scribner eine Erhöhung der Nothilfefinanzierung vor. Die Verwaltung der Gelder sollten die krisengeschüttelten Länder, unterstützt und kontrolliert von der Zivilgesellschaft, übernehmen. Eine solche Verfahrensweise habe sich im Zusammenhang mit lebensrettenden Maßnahmen als besonders effektiv herausgestellt. Dennoch gingen im Zeitraum 2007 bis 2013 gerade einmal 2,4 Prozent der jährlichen humanitären Hilfe direkt an lokale Akteure.

Den Vorsitz des Hochrangigen Panels zur Finanzierung der humanitären Hilfe teilen sich die bulgarische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Kristalina Georgieva, und der malaysische Sultan Nazrin Shah. Der Arbeitsgruppe werden ferner Hadeel Ibrahim aus Großbritannien, Badr Jafar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Trevor Manuel aus Südafrika, Linah Mohohlo aus Botswana, Walt Macnee aus Kanada, Margot Wallström aus Schweden und Dhananjayan Sriskandarajah aus Sri Lanka angehören.

Nach Aussagen der Vereinten Nationen wird das Expertenteam die Vorschläge im November 2015 vorlegen. Sie sollen dazu beitragen, die Diskussionen mit Blick auf den nächsten Weltgipfel für humanitäre Hilfe in Istanbul ins richtige Fahrwasser zu bringen. (Ende/IPS/kb//01.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/relief-organisation-urges-mandatory-funding-for-humanitarian-appeals/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Juni 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang