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AGRAR/1504: Es muss bei den kleineren Betrieben mehr ankommen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Es muss bei den kleineren Betrieben mehr ankommen

Die AbL Bayern will die Direktzahlungen nach dem Arbeitsbedarf der Betriebe verteilen.
Landesvorsitzender Josef Schmid erläutert den Vorschlag

von Ulrich Jasper


BAUERNSTIMME: Nach der EU-Kommission spricht sich jetzt auch das EU-Parlament für eine Obergrenze der Direktzahlungen unter Berücksichtigung der Arbeitskräfte aus. Warum zögert die AbL Bayern, das als einen wichtigen Erfolg zu würdigen?

JOSEF SCHMID: Wir sehen besonders im Beschluss des EU-Parlaments sehr wohl einen Erfolg, denn das Parlament spricht nicht nur von einer Obergrenze, sondern es fordert alternativ auch die Prüfung anderer Modelle, um den Faktor Arbeit zu berücksichtigen bzw. auch eine degressive Gestaltung der Direktzahlungen einzuführen.

BAUERNSTIMME: Was fehlt Ihnen bei einer Obergrenze, die bei den Kürzungen die Arbeitskraft berücksichtigt?

JOSEF SCHMID: Mit der Obergrenze wird zwar bei den sehr großen Betrieben gekürzt, aber bei den kleineren und mittleren Betrieben kommt immer noch nicht mehr an als vorher. In Bayern und anderen kleinstrukturierten Bundesländern sind mehr als die Hälfte Nebenerwerbsbetriebe. Wenn die auch nach dem Generationswechsel weiterbestehen sollen, brauchen sie ein klares Signal, dass gerade ihre Art zu wirtschaften und eine Vielzahl von gesellschaftlichen Leistungen zu erbringen gewünscht ist.

BAUERNSTIMME: Wie sieht der Vorschlag der AbL Bayern aus?

JOSEF SCHMID: Wir wollen, dass die Direktzahlungen nicht mehr je Hektar vergeben werden, sondern nach dem standardisierten Arbeitszeitbedarf der Betriebe. Ausgehend von den Angaben im Mehrfachantrag wird abhängig von Fruchtfolge, Schlaggröße, Grünlandanteil und Größe der Tierbestände eine kalkulierte Arbeitszeit ermittelt, wie wir das auch von den KTBL-Werten her kennen. Degressionsfaktoren gleichen den Rationalisierungsvorteil größerer Einheiten aus. Kleinere, vielseitigere Betriebe, die oft auch landschaftlich reizvolle Flächen aufwändig bewirtschaften, erbringen damit viele Leistungen für die Gesellschaft praktisch nebenbei. Eine Orientierung der Direktzahlungen am Arbeitsbedarf würde das entlohnen.

BAUERNSTIMME: Erhöht das nicht die Bürokratie?

JOSEF SCHMID: Nein, ganz und gar nicht. Die Daten, die man dazu braucht, werden jetzt schon alle im Sammelantrag für die Direktzahlungen erfasst. Außerdem berechnen mittlerweile alle landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften in Deutschland nach genau diesem Modell unsere Beiträge zur Unfallversicherung. Es könnte sogar zum Bürokratieabbau beitragen, diese meist arbeitsaufwändigeren, gesellschaftlichen Leistungen nicht über neue Einzelprogramme mit verschiedenen Durchführungs-, Kontroll- und Finanzierungssystemen zu entgelten, sondern über den kalkulierten Arbeitsaufwand.

BAUERNSTIMME: Die Berufsgenossenschaften wollen mit diesem System den kleineren Betrieben und arbeitsintensiven Milchviehbetrieben aber nicht etwas Gutes tun, sondern ihnen mehr Geld abknöpfen, um große Ackerbaubetriebe zu entlasten.

JOSEF SCHMID: Ja, das ist aus deren Sicht auch richtig, weil Unfallrisiken eben dort entstehen, wo gearbeitet wird. Leider bleibt dabei die bisherige Solidarität gegenüber den Kleineren auf der Strecke. Der Bauernverband hat sich bei den Berufsgenossenschaften für das System ausgesprochen, das wird es ihm jetzt schwer machen, das bei den Direktzahlungen abzulehnen.

BAUERNSTIMME: Wie schätzen Sie die politischen Umsetzungs-Chancen ein? Das Modell führt zu erheblichen Umverteilungen, wenn das deutschlandweit eingeführt wird. Mecklenburg-Vorpommern kommt heute im Durchschnitt auf 26.000 Euro Direktzahlungen je Arbeitskraft-Einheit, Bayern auf 8.000 Euro.

JOSEF SCHMID: Wir gehen davon aus, dass ein Vorschlag, der eine Umverteilung innerhalb der Bundesländer bringt, nicht durchsetzbar ist. Andererseits würde auch eine Deckelung etwa bei 150.000 Euro, in Bayern angewandt, kaum Mittel für die Kleinbetriebe freisetzen. Unser Name AbL verpflichtet uns aber dazu, das Geld zu den "bäuerlichen" Betrieben umzuleiten.

BAUERNSTIMME: Was sind die Forderungen für die aktuelle Reform der EU-Agrarpolitik?

JOSEF SCHMID: Die Mitgliedstaaten bzw. die Bundesländer müssen die Möglichkeit bekommen, die Direktzahlungen an die Gegebenheiten und Bedürfnisse ihres Landes anzupassen und z.B. Zahlungen nicht nur nach der Fläche, sondern auch nach dem Arbeitsbedarf der Betriebe zu gewähren. Das muss jetzt in Brüssel erreicht werden.

BAUERNSTIMME: Würde Bayern das dann umsetzen?

JOSEF SCHMID: Staatsminister Brunner hat unseren Vorschlag aufgegriffen und will ihn für Bayern durchrechnen lassen. Er schlägt eine Deckelung der Direktzahlungen je Norm-Arbeitskraft vor. Eine Norm-Arbeitskraft berechnet sich so wie in unserem Ansatz nach dem standardisierten Arbeitszeitbedarf. Das kommt unserer Forderung also schon sehr nahe.

BAUERNSTIMME: Aber Brunner will die Zahlungen trotzdem erst nach Fläche verteilen und dann im zweiten Schritt bei denen kürzen, die weniger Norm-Arbeitszeit benötigen. Wie er das gekürzte Geld einsetzen will ist noch offen.

JOSEF SCHMID: Ich bin mir nicht sicher, wie Brunners Formulierung "Deckelung nach Normarbeitskräften" genau zu verstehen ist. Aber das wäre auch eine Möglichkeit, die gekürzten Gelder nach dem Prinzip "öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen" gezielt an die arbeitsintensiveren Betriebe zu verteilen.

BAUERNSTIMME: Die meisten anderen Bundesländer sagen dazu wenig oder lehnen solche Modelle ganz ab.

JOSEF SCHMID: Das kann schon sein, aber deshalb darf es doch Bayern nicht verwehrt bleiben, das umzusetzen. Es ist ja noch nicht gesagt, ob nicht auch andere Bundesländer nachziehen werden, wenn ein Land vorangeht. Bei den Berufsgenossenschaften war das schließlich ähnlich.

BAUERNSTIMME: Sollte man bis dahin in den anderen Bundesländern wenigstens als ein absolutes Minimum eine Obergrenze mit Berücksichtigung der Lohnkosten vorsehen?

JOSEF SCHMID: Das wäre das Minimum. Aber wir müssen jetzt die Diskussion um eine grundlegend andere Verteilung anstoßen, denn jetzt fordert die Bevölkerung z.B. bei der Großdemo im Januar, bei der Sternfahrt nach Berlin und bei den Protesten gegen Massentierhaltungen eine grundlegende Reform der Agrarpolitik, jetzt haben wir einen Agrarkommissar, der für derartige Ziele aufgeschlossen ist, und jetzt brauchen die vielen Klein- und Nebenerwerbsbetriebe ein Zeichen und Geld auf dem Konto, weil es die meisten von ihnen in zehn Jahren sonst nicht mehr geben wird.

BAUERNSTIMME: Noch ist nicht einmal die Obergrenze mit Arbeitsbezug beschlossen.

JOSEF SCHMID: Dass der Widerstand gegen die Obergrenze bisher so erfolgreich war liegt ja gerade auch daran, dass eine Obergrenze nur Verlierer bringt, aber die Masse der Betriebe keinen Vorteil spürt. Ein großer Vorteil unseres Vorschlages ist, dass es keine "Groß-Klein Diskussion" gäbe, denn es würde z.B. auch ein arbeitssparend organisierter, viehloser Nebenerwerbsbetrieb mit 20 Hektar Maismonokultur verlieren, während ein 150 Hektarbetrieb mit kleinen Feldern, in benachteiligter Lage, mit Grünland und entsprechend vielen Kühen gegenüber einem gleichgroßen Ackerbauern durchaus zum Gewinner werden könnte. Es gäbe also keine "geschlossenen Fronten". Von unserem Vorschlag haben die allermeisten bäuerlichen Betriebe direkt einen Vorteil. Es lohnt sich für die Bauern, dafür aktiv einzutreten.

BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2011