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AGRAR/1601: Pakistan - Neue Impulse für die Milchwirtschaft, künstliche Befruchtung von Kühen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2013

Pakistan: Neue Impulse für die Milchwirtschaft - Künstliche Befruchtung von Kühen zeigt Erfolg

von Zofeen Ebrahim


Bild: © Muhammad Hadi/IPS

Pakistanischer Milchbauer mit seinen Kühen
Bild: © Muhammad Hadi/IPS

Karachi, 20. März (IPS) - Mohammad Alis Tagesablauf hat sich während der letzten 30 Jahre nicht verändert. Der Kleinbauer in dem Dorf Aliabad in der ostpakistanischen Provinz Punjab steht bei Sonnenaufgang auf, um seine drei Kühe per Hand zu melken. Nach einer kurzen Frühstückspause mit ungesäuertem Brot und Tee mit viel Milch geht er wieder an die Arbeit.

Unbeeindruckt von den Fliegenschwärmen, die den Milchkübel umschwirren, schüttet er den Inhalt vorsichtig in einen Aluminiumbehälter, den er auf seinem Motorrad festschnallt. Ali fährt damit zu dem nächstgelegenen Geschäft, das ihm täglich 14 Liter Milch abkauft.

Viele Jahre lang hatte der 40-Jährige hingenommen, dass seine Kühe nicht mehr als drei bis vier Liter Milch pro Stück und Tag geben würden. Die Menge reichte kaum aus, um die Familie satt zu bekommen oder Kleidung zu kaufen. Von einem Nachbarn erfuhr er dann eines Tages, dass in einem nur wenige Kilometer entfernten Agrarbetrieb in Jassar Kühe drei Mal so viel Milch produzieren.

Diese 'Wunderfarm' wird seit 2007 von dem Sozialunternehmer Shahzad Iqbal betrieben. Mehr als 500 der insgesamt 600 Kühe des 43-Jährigen geben jeweils zwölf bis 14 Liter Milch. Der Betrieb basiert auf einem wissenschaftlichen Modell und wird durch einen gut durchdachten Geschäftsplan abgesichert.


Erst Kreuzungen mit importierten Embryonen von Zuchtbullen

"Ich begann damit, die Embryonen reinrassiger Bullen zu importieren, anstatt wie üblich für Tausende US-Dollar hochwertige Kühe aus den USA oder aus Australien einzuführen", berichtet Iqbal. Er ließ die einheimischen Kühe besamen und kreuzte die Tiere der ersten neuen Generation dann mit denen seiner eigenen Herde.

Der Farmer sieht in der pakistanischen Vieh- und Milchwirtschaft, von der etwa 20 Prozent der Bevölkerung beziehungsweise 35 Millionen bis 30 Millionen Menschen leben, ein großes Potenzial. In den meisten Fällen handelt es sich Kleinbauern oder Landlose, die jeweils nur drei bis vier Kühe besitzen.

Mit insgesamt 162 Millionen Nutztieren, darunter Kühe, Büffel, Schafe, Ziegen, Kamele, Pferde und Esel, steht Pakistan in der Viehzucht weltweit an vierter Stelle. Nach Ansicht von Iqbal sind die armen Bauern nur schwer von neuen Methoden wie der künstlichen Befruchtung zu überzeugen. Er hat allerdings festgestellt, dass die Kreuzung mit anderen Rassen die Milcherträge um mindestens 2.000 Liter pro Tier und Jahr steigern kann.

"Das bedeutet für jeden Bauern ein zusätzliches Einkommen von 80.000 Rupien (umgerechnet etwa 814 Dollar) pro Kuh bei einem Milchpreis von 40 Rupien pro Liter. Dem staatlichen pakistanischen Wirtschaftsbericht zufolge generiert die Viehzucht 40 Prozent der Einkommen in ländlichen Regionen und 11,6 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP)", rechnet er vor. "Wenn wir diesen Ertrag verdoppeln würden, könnten wir einen wesentlichen Beitrag zum BIP leisten."

Iqbal wünscht sich, dass die Bauern sich stärker an den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren und somit zusätzliche 16 Milliarden Liter Milch im Jahr produzieren.

Aufgrund seiner günstigen geografischen Lage wäre Pakistan nach Einschätzung des Unternehmers durchaus im Stande, zum führenden Milchlieferanten für importabhängige islamische Länder von Malaysia bis Marokko zu werden. Auf der Grundlage einer Zählung der Nutztiere im Jahr 2006 kam man zu dem Schluss, dass 2011/2012 lediglich 42 Milliarden Liter Milch produziert werden konnten. Damit kann selbst die Nachfrage im eigenen Land kaum gedeckt werden. Iqbal zufolge steckt Pakistan jährlich eine halbe Milliarde Dollar in die Einfuhr von Milchprodukten.


Bullensamen zu erschwinglichen Preisen gehandelt

Um die Milcherträge zu steigern, verkauft der Betrieb in Jassar inzwischen hochwertiges Bullensperma zu moderaten Preisen. Über ein Netzwerk mit 6.000 Mitarbeitern vertreibt die Farm monatlich 75.000 Dosen Sperma für je 150 bis 300 Rupien von Punjab bis in die Provinz Sindh. Laut Rizwan Hameed, einem Marketing-Experten in Iqbals Unternehmen, ist die Verwendung des Samens ebenso effizient wie der Import von Tieren - nur billiger. "Eine Dosis Bullensperma ist um das Zehnfache preiswerter als die Einfuhr von Kühen", erklärt er.

Auch Tanveer Ahmad von der 'Arid Agriculture University' in Rawalpindi ist der Ansicht, dass die künstliche Befruchtung genetisch hochwertigere Herden hervorbringt, die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten eindämmt und die Erträge steigen lässt. Der Wissenschaftler befürchtet jedoch, dass die laxen Bestimmungen am Markt die Gesundheit der pakistanischen Herdentiere gefährden könnten. "Wahllos durchgeführte Besamungen könnten die Reinrassigkeit unserer Tiere aufs Spiel setzen", warnt er. Ahmad rät zu der Verwendung von qualitativ hervorragendem Sperma einheimischer Sahiwal-Bullen, die aus dem Punjab stammen. Die Tiere aus Pakistan könnten dem heißen Wetter und der Umgebung besser standhalten als das importierte Vieh.

Die Provinzregierung von Punjab betreibt inzwischen eigene Forschungen. Seit 2006 wird getestet, Sawahil-Kühe und einheimische Nili-Ravi-Büffel zu kreuzen. Außerdem haben die Behörden fast 1.000 Zentren für künstliche Besamung von Nutztieren eingerichtet, um Kleinbauern zu unterstützen. Wie Iqbal anmerkt, werden in Pakistan bisher allerdings erst sieben bis acht Prozent der Nutztiere künstlich befruchtet, während der Anteil in Industrieländern bis zu 92 Prozent erreicht. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.uaar.edu.pk/
http://www.ipsnews.net/2013/03/dairy-farming-needs-a-shot-of-modernity/

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IPS-Tagesdienst vom 20. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2013