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AGRAR/1775: Finanzkrise setzte den Bodenmarkt in Bewegung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2016

Kampf um Land
Lebensgrundlage, Ökosystem, Kapitalanlage

Der Boden rutscht weg
Finanzkrise setzte den Bodenmarkt in Bewegung

von Axel Vogel


Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 entdeckten Konzerne, Kapitalfonds und Privatinvestoren die Äcker dieser Welt als Geschäftsfeld. Unsichere Wertpapiere und Zinsen im Dauertief befeuern die Flucht in Sachwerte. Während man für Bundesanleihen Zinsen im Promillebereich erhält, verspricht die Hamburger KTG, die inzwischen unter Beteiligung chinesischer Investoren rund 45.000 Hektar Ackerland bewirtschaftet, ihren Anlegern 5 Prozent Rendite. Finanzinvestoren kaufen den Bäuerinnen und Bauern das Land weg, überall auf der Welt - auch in Brandenburg und Deutschland.


Der Bodenmarkt ist in Bewegung geraten. Etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland sind gepachtet. Sie gehören nicht den BewirtschafterInnen, sondern gelangen zunehmend in den Handel. Vor allem in Ostdeutschland kaufen sich branchenfremde Unternehmen in den Agrarsektor ein. Einher geht dieser Prozess mit einer massiven Veränderung der Agrarstrukturen - immer weiter weg von bäuerlichen Betrieben, die im Osten nach 1989 zwar zahlreich, aber nur mit marginalem Flächenanteilen entstehen konnten, hin zu immer stärker agrarindustriell geprägten Strukturen. Die Folgen sind weitreichend: für das soziale Leben in den Dörfern, für die regionale Wertschöpfung, Arbeit, Vermögensbildung und Zukunftschancen der Menschen auf dem Land und nicht zuletzt für den Umwelt- und Naturschutz. Dass die internationale Finanzkrise der Auslöser für aktuelle Probleme auf dem Bodenmarkt war, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der durchschnittlichen Bodenpreise in Brandenburg. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich der Hektarpreis (2007: 3024 Euro) mehr als verdreifacht. 2014 mussten schon 10.171 Euro/Hektar gezahlt werden. Dabei verfügt Brandenburg wegen seiner schlechten Böden neben Thüringen zwar noch über die günstigsten Bodenpreise, aber die alle Bundesländer betreffende Tendenz ist unverkennbar.


Die Weichen wurden falsch gestellt

Der massive Einstieg von Investoren wurde durch falsche Weichenstellungen Anfang der 1990er Jahre begünstigt. Die politisch gewollte Absicherung großer LPG-Nachfolgebetriebe und deren Privilegierung beim Flächenkauf war der Sündenfall. Das sehen inzwischen auch der frühere Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born, und der ehemalige Geschäftsführer der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft des Bundes (BVVG), Dr. Wolfgang Horstmann. Hätte man grundsätzlich nur Einzelpersonen die Pacht und den Erwerb von Treuhandflächen ermöglicht, hätte die Agrarstrukturentwicklung in Ostdeutschland eine andere Richtung genommen und viele ehemalige Genossenschaftsmitglieder mit eigenen Betrieben könnten heute über breit gestreutes Bodeneigentum verfügen. Stattdessen entstand im Osten Deutschlands eine Agrarstruktur, die durch Kapitalgesellschaften mit umfassendem Zugriff auf große Flächen geprägt ist. Diese Konzentration ist hoch attraktiv für institutionelle Kapitalanleger, die sich gar nicht erst mit dem Erwerb von Einzelflächen aufhalten, sondern Betriebe gleich in toto übernehmen. Durch geeignete Fallgestaltung lässt sich hier nebenbei noch die Grunderwerbssteuer einsparen. Mehr noch: Finanzinvestoren sind bei den aktuellen Preisen in der Regel die Einzigen, die große Betriebe übernehmen können. KeinE Junglandwirt oder Junglandwirtin kann 10 Millionen Euro auf den Tisch legen, um einen Betrieb mit 1000 Hektar zu erwerben, deren BewirtschafterIn in den Ruhestand geht.

Aber auch die Zahl der eingetragenen Genossenschaften (eG) schrumpft kontinuierlich; viele wurden erst in den letzten Jahren in GmbH umgewandelt und nachfolgend in Holdings eingegliedert. Vom politischen Ziel einer breiten Vermögensstreuung von landwirtschaftlichem Grund und Boden sind wir in Deutschland weiter entfernt als je zuvor.


Bodenmarkt bremst nachhaltige Entwicklung

Eine bäuerliche und mehr noch eine ökologische Landwirtschaft produziert nicht nur Lebensmittel, Umweltschutz und Landschaftspflege, sie sorgt für mehr Arbeitsplätze und Wertschöpfung auf dem Land. In einer industrialisierten Landwirtschaft gehen diese Vorteile verloren, sie blutet den ländlichen Raum aus und verbraucht unterm Strich mehr Energie als sie erzeugt. Deshalb zählt der Ökolandbau zu den Schlüsselfaktoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Offiziell verfolgt die Bundesregierung noch immer das Ziel, den Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen auf 20 Prozent auszuweiten. Die Entwicklung ist allerdings eine andere. Seit 2011 stagniert der Ökolandbau im Bund bei 6 Prozent, in Brandenburg bei knapp über 10 Prozent Flächenanteil

Die Gründe für diese Stagnation sind vielfältig. Die Preise für Agrar-Rohstoffe sind in den letzten Jahren gestiegen, die Preisdifferenz zwischen ökologischen und konventionellen Produkten schrumpft, der Import günstiger Bioprodukte sorgt für zusätzlichen Preisdruck. Das senkt bei vielen Landwirten die Bereitschaft, auf eine ökologische Bewirtschaftung umzustellen. In Brandenburg hatte die Landesregierung die Förderung für den Ökolandbau zudem einige Jahre ausgesetzt - in der Folge haben wir die Spitzenposition beim Ökolandbau verloren. Nicht zuletzt die rasant steigenden Pacht- und Kaufpreise für Boden bremsen die deutschen Ökolandwirte aus. Nachhaltigkeit bleibt im Wettbewerb mit agrarindustriellen Konzepten ohne Chance. Außerlandwirtschaftliche Investoren wie Möbel-Steinhoff, Pflege-Lindhorst oder Müll-Rethmann setzen auf Geschäftsmodelle, die Dank der Milliarden aus Brüssel (Flächenprämie) und Berlin (Biogasverstromung) rentabel sind - mit "freundlicher Unterstützung" der europäischen Steuerzahler, die ungefragt eine gigantische Umverteilung von "unten nach oben" finanzieren. Denn der Löwenanteil der Agrarsubventionen landet schon heute bei immer weniger Akteuren in agrarindustriellen Strukturen. Das fördert kaum die nachhaltige Entwicklung, wohl aber die Konzentration von Boden und Vermögen.


Gegensteuern ist notwendig

Die Fehler der Bodenpolitik in Ostdeutschland rächen sich bitter. Spätestens mit der Finanzkrise müsste dem letzten Agrarminister, der die Landwirtschaft im Osten als Erfolgsgeschichte verkauft, klar geworden sein, dass das landwirtschaftliche Bodenrecht unzureichend ist, um "gesunde" Agrarstrukturen zu fördern. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt sinkt seit Jahrzehnten. Trotz Milliarden-Subventionen liegt die Bruttowertschöpfung des Agrarsektors in Ostdeutschland heute auf dem Niveau von 1991. Die politisch deklarierten Ziele für eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung der ländlichen Regionen werden durch die Agrar- und Bodenpolitik konterkariert. Der Einstieg von Hedgefonds und agrarindustriell orientierten Investoren beschleunigt diesen Prozess immer weiter.


Bauern und Bäuerinnen vor Ort stärken

Die Politik muss dafür sorgen, dass die Bauern und Bäuerinnen vor Ort in die Vorhand kommen und nicht zur/zum LohnunternehmerIn renditeorientierter Investoren werden. Dafür brauchen die ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe auch eine Präferenz auf dem Bodenmarkt. Dazu muss das gesetzliche Regelwerk aus Erbrecht, Reichssiedlungsgesetz, Grundstückverkehrsgesetz und Landpachtgesetz weiterentwickelt werden. Vor allem muss endlich Transparenz geschaffen werden. Kein Mensch weiß heute, wem Deutschlands Äcker gehören, denn Verkäufe von Gesellschaftsanteilen sind nicht anzeigepflichtig. Genauso wichtig ist es, den Begriff der "ungesunden Landverteilung" klar zu definieren, denn nur dann können Maßnahmen zur gezielten Steuerung des Bodenmarktes rechtssicher und begründet ausgestaltet werden.

Doch die Mühlen im föderalen System mahlen langsam und die Lobby der neuen GroßgrundbesitzerInnen wehrt sich naturgemäß. Mit der Föderalismusreform wurde das landwirtschaftliche Bodenrecht den Ländern übertragen. Bisher hat nur Baden-Württemberg ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz verabschiedet. Sachsen-Anhalts CDU ist auf dem Weg dahin und bekommt heftigen Widerstand vom Bauernverband für die Pläne, den Bodenmarkt zugunsten ortansässiger Bauernfamilien stärker zu regulieren. In Brandenburg wurde auf Initiative von Grünen und CDU eine Arbeitsgruppe Bodenmarkt eingerichtet, die jedoch ohne konkrete Ergebnisse blieb. Mecklenburgs SPDAgrarminister fordert wie der Bauernbund und Bündnis 90/Die Grünen die Kappung der Flächenprämien. Die stand bei der letzten EU-Agrarreform bereits auf der Agenda: Die Direktzahlungen sollten auf 300.000 Euro je Jahr und Betrieb begrenzt werden. Agrarexperten und das EUParlament waren sich einig, doch die Lobby der deutschen und britischen Großgrundbesitzer hat diese Pläne erfolgreich torpediert. Degression und Kappung hätten den enormen Druck aus dem Bodenmarkt genommen und Fördermittel freigemacht für notwendige Investitionen in eine nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft und damit für lebendige und lebenswerte Dörfer mit Zukunftsperspektiven für die Menschen auf dem Land.


Der Autor ist Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 1/2016, Seite 17-18
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2016

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