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AGRAR/1778: Brandenburg - Volkes Wille bewegt die Politik (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Volkes Wille bewegt die Politik

Von Marcus Nürnberger


Es war ein hartes Ringen, immer wieder torpediert vom Landesbauernverband, das schlussendlich zu einem Kompromiss zwischen den Initiatoren des Aktionsbündnisses Agrarwende Berlin-Brandenburg und den Vertretern der Regierungsparteien SPD und Linke führte. Bis es allerdings zu gemeinsamen Gesprächen kommen konnte, mussten die Initiatoren verschiedene Hürden nehmen. Nachdem die Forderungen der Initiatoren einer mit knapp 34.000 Unterschriften gewonnenen Volksinitiative im März vergangenen Jahres vom Landtag abgelehnt worden waren, hatten die Initiatoren ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung gestartet. Trotz kurzer, nur sechsmonatiger Vorbereitung beteiligten sich bis zu dessen Ende Mitte Januar daran 103.545 Menschen und damit weit mehr als die notwendigen 80.000. Die Landesregierung wollte sich solch einem massiven Bedürfnis seiner Bevölkerung nach einer Änderung in der Agrarpolitik offenbar nicht mehr einfach entgegenstellen. Spätestens am 19.4. hätte der Landtag über eine Annahme der Forderungen aus dem Volksbegehren entscheiden müssen. Für den Fall einer Ablehnung der Forderungen stand der Termin für einen gesetzlich bindenden Volksentscheid am 17.7. schon fest. Doch so weit ist es nicht gekommen. Offenbar wollten die Regierenden nicht riskieren, jeglichen Einfluss auf die Ausgestaltung zentraler Punkte der Agrarpolitik gänzlich aus der Hand zu geben. In fünf Verhandlungsrunden mit den Koalitionsfraktionen suchte man deshalb nach einer Kompromisslinie.

Drei zentrale Punkte

Das zentrale Element der Einigung ist die Erarbeitung eine Landestierschutzplans für Brandenburg mit den Zielen eines Kupierverbots bis 2019, der Verbesserung der Haltungsbedingungen, der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes und des Aufbaus von Demonstrationsbetrieben. Darüber hinaus soll die Stelle eines unabhängigen Tierschutzbeauftragten geschaffen werden, der die Arbeit der Veterinärämter und Behörden flankiert und gegebenenfalls einschreitet, wenn deren Umsetzung mangelhaft ist. Der Tierschutzbeauftragte ist auch der Ansprechpartner für die Bürger im Falle von Missständen in Tierhaltungsanlagen.

Sehr konkret wird das Verhandlungsergebnis auch in Bezug auf die Reduktion von Beeinträchtigungen durch Geruchs- oder andere Emissionen. Bestehende Schweinemastställe ab 10.000 Mastschweinen haben vier Jahre Zeit, freiwillig Filteranlagen einzubauen. Nach sieben Jahren wird dies obligatorisch. Für Neuanlagen gilt die Filterpflicht sofort.

Weit gehen auch die Änderungen bei der Förderung. Eine Basisförderung für Stallneu- bzw. -umbauten gibt es zukünftig nicht mehr. Gefördert werden nur noch Betriebe, deren Um- bzw. Neubauten besondere Leistungen im Tierwohl erbringen. Gleichzeitig ist bei Betrieben, die eine Förderung beantragen, der Tierbestand an die Fläche gekoppelt und auf maximal 2 GV/ha beschränkt. Um die Förderung von Megaställen zumindest zu drosseln, wurde die maximale Fördersumme um 2.5 Prozent reduziert und auf max. 600.000 Euro gedeckelt. Nicht durchsetzen konnte sich das Bündnis Agrarwende mit seiner Forderung nach einer Einführung eines Verbandsklagerechts Tierschutz. Obwohl die Ergebnisse aus verschiedenen anderen Bundesländern zeigen, dass eine Einführung nicht automatisch eine Klagewelle von Verbänden auslöst, gibt es von Seiten der Regierung sowie des Bauernverbands diesbezüglich massive Bedenken. Für die Initiatoren sind die jetzigen Erfolge weitere Schritte hin zu einer von der Bevölkerung getragenen Landwirtschaftskultur in Berlin-Brandenburg. "Mit diesem Einstieg in eine andere Landwirtschaft wollen wir zusammen mit dem Berufsstand an der praktischen Umsetzung des Tierschutzes arbeiten, wissenschaftlich begleiten und konkret evaluieren." Aktuell fehlt allerdings noch die Bereitschaft des Landesbauernverbands (LBV) zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Agrarpolitik. In einer ersten Reaktion sieht der LBV nur einen "Scherbenhaufen".

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2016

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