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FINANZEN/094: Wie Nachhaltig waren die deutschen Konjunkturprogramme? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

Wie Nachhaltig waren die deutschen Konjunkturprogramme?
Eine Analyse der ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen

Von Florian Prange und Damian Ludewig


Die Bundesregierung hat für die Konjunkturpakete eine Menge Geld in die Hand genommen. Ökonomisch gesehen war das zumindest kurzfristig recht erfolgreich. Die Chance für einen kräftigen Impuls in Richtung Ökologisierung des Wirtschaftens wurde allerdings vertan. Jetzt kommt es darauf an, dieses Manko bei der Gegenfinanzierung der Ausgaben wieder wett zu machen.


Um die Folgen der globalen Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu reduzieren, wurden weltweit nachfrageorientierte Konjunkturprogramme eingeleitet, die sich auf insgesamt 2,8 Billionen US-Dollar belaufen [1]. Die damalige Große Koalition hatte Ende 2008 bzw. Anfang 2009 für Deutschland die so genannten Konjunkturpakete I & II mit einem Volumen von 107 Mrd. Euro verabschiedet. Die deutsche Wirtschaftsleistung hat sich - auch daraufhin - nach einem dramatischen Einbruch im Jahr 2009 im ersten Quartal 2010 etwas erholt und stieg im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus von 0,2 % leicht an. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Konjunkturpakete neben einer kurzfristigen Nachfragestabilisierung eine - in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht - nachhaltige Wirkung erzielen konnten.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat die beiden Maßnahmenpakete im Auftrag des WWF auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht. [2] Lediglich 6 der 32 identifizierten Maßnahmen konnten als ökologisch eingestuft werden. Innovative Ansätze zur Verkehrsvermeidung, zur Förderung ökoeffizienter oder Ressourcen schonender Produktionsverfahren fehlen komplett, so dass insgesamt der Eindruck entsteht, dass die verschiedenen Maßnahmen übereilt zu einem inkonsistenten Programm zusammengefügt wurden. Zudem können nach unseren Forschungsergebnissen davon lediglich 13% als nachhaltige Investitionen eingestuft werden.


Kredite und Bürgschaften

Die Investitionen aus den Konjunkturpaketen I & II können in vier Bereiche gegliedert werden. Die Kredite und Bürgschaften machen mit Abstand das größte Maßnahmengebiet aus. Die Mehrzahl dieser Regelungen dient in erster Linie sozialen und ökonomischen, nicht aber ökologischen Zielen. So wurden ungenügende ökologische Auflagen für die Kreditvergabe gemacht. Zum anderen leiden die erneuerbaren Energien unter unnötigen Restriktionen wie Maximalgrenzen für Kreditvergaben.


Öffentlichen Investitionen

Besonders kritisch sind die öffentlichen Investitionen zu beurteilen. Ein falscher Schwerpunkt wurde mit 1,8 Mrd. Euro auf Investitionen in den Straßenverkehr anstatt in den öffentlichen Personennahverkehr gesetzt.

Dass die Umweltprämie im allgemeinen Sprachgebrauch nur noch als Abwrackprämie bezeichnet wird, hat gute Gründe. Sowohl die ökologische als auch die ökonomische Wirkung wird von WissenschaftlerInnen angezweifelt [3]. Aus ökologischer Sicht ist insbesondere das Fehlen einer Emissionsgrenze zu kritisieren. Das Ifo-Institut [4] ist anhand verschiedener Rechenbeispiele mit Alt- und Neuwagenkombinationen zu dem Ergebnis gekommen, dass "bei allen auch nur halbwegs plausiblen Konstellationen [...] der CO2-Ausstoß [steigt], wenn man ein altes Auto abwrackt und durch ein neues einer ähnlichen Größenklasse ersetzt." Auch ökonomisch stellt die Abwrackprämie ein "Nullsummenspiel" dar [5]. Denn bei den geförderten Autokäufen, handelt es sich laut Marktforschungsinstitut Skopus zu 77 % um Vorzieheffekte, die nach dem Ablaufen der Begünstigung zu einem entsprechenden Nachfrageeinbruch führen. Die Auswirkungen sind in Deutschland bereits zu spüren. So wurden im Mai 2010 mit minus 35,1 % abermals erheblich weniger Autos zugelassen. Dennoch boomt die deutsche Automobilbranche derzeit aufgrund sich erholender Nachfrage aus den USA und China.

Als positiv können die Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden beurteilt werden. In einem Schreiben zur Auslegung des Zukunftsinvestitionsgesetzes durch das Bundesministerium für Finanzen heißt es jedoch: "Bei der Abgrenzung der Förderbereiche kann das Zukunftsinvestitionsgesetz unter Geltung des neuen Art. 104 GG entsprechend weit ausgelegt werden. Das bedeutet, dass in den Förderbereichen Schulinfrastruktur, Hochschulen, kommunale und gemeinnützige Einrichtungen der Weiterbildung Investitionsvorhaben auch förderfähig sind, bei denen keine energetische Sanierung vorgenommen wird." Für die ökologische Bewertung der beiden Konjunkturprogramme hat die "Interpretationshilfe" beträchtliche Auswirkungen. Geht man davon aus, dass in der operativen Ausgestaltung der Förderhilfen lediglich 60 % der ursprünglich vorgesehenen Summe von 8,645 Mrd. Euro in die energetische Sanierung fließen, sinkt der Anteil aller ökologischen Maßnahmen an den Konjunkturpaketen I und II auf unter 10 %. Nach Ergebnissen des DIWs sind von den 4,635 Mrd. Euro, die für Investitionen in die Basisinfrastruktur vorgesehen sind, sogar lediglich 23 % bzw. 1,079 Mrd. Euro zur energetischen Sanierung eingeplant. [6]

Die ökonomische Wirksamkeit macht sich vor allem an der Frage fest, ob die Kommunen das Geld aus den Konjunkturpaketen zügig ausgegeben haben. Hierzu stellte eine Umfrage von Ernst & Young bei kommunalen Verwaltungen in ganz Deutschland fest, dass bereits Anfang Mai 2009 etwa 70 % der Kommunen immerhin ihre Investitionsplanungen hinsichtlich der Verwendung der Mittel aus den Konjunkturpaketen abgeschlossen hatten [7]. Der Bundesrechnungshof kritisierte dennoch, dass bis Mitte des Jahres 2009 noch nicht genug Geld von den Ländern abgerufen wurde und dementsprechend erst ein geringer Anteil in die Unternehmen geflossen sei. [8]


Steuererleichterungen und Entlastungen für Haushalte

Ein weiteres Kernelement waren Steuererleichterungen und Entlastungen für die Haushalte. Derartige Maßnahmen sind während der Krise ökonomisch und sozial gerechtfertigt und können eine nachhaltige Wirkung haben. Sie sollten aber eine klare ökologische Stoßrichtung bekommen, um als vollständig nachhaltig bezeichnet werden zu können. Indirekt ergeben sich durch Steuererleichterungen und anderweitige Entlastungen eher negative Effekte. Sie tendieren dazu, die wirtschaftliche Aktivität ohne Lenkungswirkung in puncto Nachhaltigkeit zu erhöhen. [9] Die Chance, die eine CO2 orientierte Kraftfahrzeugsteuer für den Klimaschutz bietet, wurde vom Bund im Rahmen der Konjunkturpolitik leider nicht genutzt. Immerhin wurde hier mittlerweile nachgebessert - doch auch die grundlegende Kfz-Steuerreform zum 1. Juli 2009 ist aus ökologischer Sicht unzureichend, da die Möglichkeit der Staffelung nach CO2-Emissionen nur ansatzweise genutzt wurde. Ökonomisch und sozial äußerst erfolgreich war die Kurzarbeiterregelung die den konjunkturbedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit stark abschwächen konnte.


Arbeitsvermittlung und Weiterbildung

Diese Maßnahmen sind vom Ansatz her nachhaltig, sollten aber gezielter auf ökologisch orientierte Zukunftsbranchen ausgerichtet werden, um als vollständig nachhaltig bezeichnet werden zu können. Ein klarer Schwerpunkt auf Zukunftsbranchen, sowie Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung in Betrieben mit einem Umweltmanagementsystem, können zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in diesem Investitionsbereich beitragen.

Konjunkturpakte zwischen Bestandserhaltung und nachhaltigen Investitionen Es wird bei kritischer Betrachtung deutlich, dass die Ausgaben, die auf Grundlage der Pakete getätigt wurden, kurzfristig die Nachfrage stabilisieren konnten, sich aber nicht per se langfristig ökonomisch positiv ausgewirkt haben. Eine Studie des DIW zur tatsächlichen Verwendung der Mittel aus dem Konjunkturpaketen I & II hat ergeben, dass nur bei gut 30 % konkreter Verwendungsangaben festgestellt werden konnte, dass sie in den Bereich von Zukunftsinvestitionen im Sinne der Stärkung langfristiger Wachstumspotentiale fallen und nicht der Bestandserhaltung dienen. Auch die ökologischen Chancen, die einem Green New Deal innegewohnt hätten, wurden weitgehend vertan.

Mit 107 Mrd. Euro wurde von politischer Seite eine enorme Menge Geld zur Verfügung gestellt, um die Wirtschaft zu stimulieren. Daraus ergeben sich jedoch gewaltige Konsolidierungsherausforderungen, denen die Bundesregierung nun gerecht werden muss. Hierzu kann eine Ökologische Finanzreform einen wesentlichen Beitrag leisten. So hat das Umweltbundesamt gerade eine neue Studie über den Umfang umweltschädlicher Subventionen vorgelegt. Diese betragen in Deutschland pro Jahr rund 48 Mrd. Euro. Ein deutlicher Abbau dieser Subventionen könnte nicht nur den Bundeshaushalt erheblich entlasten, sondern auch die Anreize für eine Ökologisierung des Wirtschaftens verbessern.


Diplom-Mathematiker Florian Prange (Jahrgang 1970) ist Unternehmensberater in Hamburg und Mitautor der Studie "Wie nachhaltig sind die deutschen Konjunkturpakete". Seit 2008 ist er Schatzmeister im Vorstand des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS).

Diplom-Volkswirt Damian Ludewig (Jahrgang 1980) ist seit zwei Jahren Geschäftsführer des FÖS. Er vertritt das FÖS und den Deutschen Naturschutzring (DNR) im Sprecherrat der Klima-Allianz und ist Mitglied im Kuratorium des Instituts Solidarische Moderne (ISM).


Anmerkungen

[1] HSBC Globla Research (2009): A Cilmate for Recovery: The colour of stimulus goes green.

[2] FÖS (2009): Sind die deutschen Konjunkturpakete nachhaltig? http://www.foes.de/pdf/Konjunkturpaket_D_V25_12-06-2009.pdf

[3] DIW (2009): Richtig Investieren II. Nachfolgestudie zur Verwendung der Mittel aus den Konjunkturpaketen. S. 34. http://www.diw.de/documents/dokumentenarchiv/17/diw_01.c.338497.de/diw_econ_studie_richtig_investieren_ii.pdf

[4] ifo, Standpunkt 101 Abwrackprämie für das Konjunkturpaket (3.3.2009): In:
http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/B-politik/05stp/_stp?item_link=stp101.htm

[5] DIW, S. 34.

[6] DIW, S. 19.

[7] Ernst & Young (2009): Konjunkturpaket II: Kommunen wollen 6,8 Milliarden in Schulen investieren; Umfrage unter deutschen Kommunen. S. 16.

[8] Welt (2009): Bundesrechnungshof zweifelt an Konjunkturpaket II. 23.8.2009. In:
http://www.welt.de/wirtschaft/article4381801/Bundesrechnungshof-zweifelt-an-Konjunkturpaket-II.html

[9] Deutsche Bank Research (2002): Umweltschutz und Wirtschaftswachstum - ein Konfliktfall? In:
http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000039330.pdf ,
Baudepartement Abteilung Landschaft und Gewässer (2004): Wirtschaftswachstum. Eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit. In:
http://www.naturama.ch/projekte/nachhaltigkeit/Wirtschaftswachstum.pdf


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 21-22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010