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FINANZEN/096: Multipolare Weltwirtschaft - Weltbankchef fordert Anpassung an Realität (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2010

Multipolare Weltwirtschaft - Weltbankchef fordert Anpassung an Realität

Von Matthew O. Berger


Washington, 30. September (IPS) - Im Vorfeld der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat der Weltbankpräsident Robert Zoellick im Umgang mit den Entwicklungsländern einen Paradigmenwechsel gefordert. Darüber hinaus sicherte er zu, die Arbeit seiner Institution transparenter zu gestalten.

"Es wird Zeit, die neuen Wirtschaftsparallelen anzuerkennen", sagte Zoellick und knüpfte damit an Äußerungen an, die er vor den Frühjahrstreffen der Finanzorganisationen im April gemacht hatte. "1989 sah das Ende der 'Zweite Welt' aufziehen, 2009 das Ende dessen, was wir unter 'Dritter Welt' verstanden hatten. Wir befinden uns jetzt in einer neuen, rasch fortschreitenden, multipolaren Weltwirtschaft."

Diesmal ging Zoellick jedoch einen Schritt weiter und forderte Politiker und Ökonomen auf, diese Systemveränderungen in ihren Strategien zu berücksichtigen. "Da sich die tektonischen Platten der Wirtschaft verschoben haben, müssen sich auch die Paradigmen verschieben", erklärte er.

Wenn Länder des Südens in der Entwicklungszusammenarbeit zu Partnern würden, stellten sie nicht nur Finanzhilfen bereit, sondern steuerten außerdem Expertisen und Investitionen bei, so der Weltbankchef. "Die neue multipolare Wirtschaft erfordert multipolare Kenntnisse. Nach dem Ende der überkommenen Vorstellung von der 'Dritten Welt' muss sich die 'Erste Welt' dem Ideenwettbewerb öffnen."

Laut Zoellick verläuft der Wissensaustausch nicht mehr wie früher von Nord nach Süd, von West nach Ost und von reichen zu armen Ländern. Aufstrebende neue Wirtschaftsmächte brächten neuen Herangehensweisen und Lösungen ein, betonte er. Als Beispiele nannte der Weltbankpräsident den Subkontinent Indien, der afrikanische Länder mittlerweile bei der Milchwirtschaft berate. Die USA wiederum erhielten von China Informationen über neue Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge.


Süden hilft bei Überwindung von globaler Wirtschaftskrise

In dem kürzlich von der Weltbank veröffentlichten Buch 'The Day after Tomorrow. A Handbook on the Future of Economic Policy' wird erläutert, wie Entwicklungsländer zur Rettung der globalen Wirtschaft beigetragen haben, indem sie Lücken füllten, die die Krise in den größten Industriestaaten aufgerissen hatte.

"Entwicklungsländer werden zu Motoren der Weltwirtschaft", unterstrich Zoellick. Angeführt von den Schwellenländern seien die Staaten des Südens mittlerweile für etwa die Hälfte des weltweiten Wachstums verantwortlich und trügen maßgeblich zur Erholung des internationalen Handels bei.

Den in dem Buch präsentierten Statistiken zufolge ist zu erwarten, dass die Wachstumsrate in Entwicklungsländern in diesem Jahr durchschnittlich 6,1 Prozent erreichen wird. In den Industriestaaten würden dagegen voraussichtlich 2,3 Prozent verzeichnet. Bis 2015 sei damit zu rechnen, dass die gesamte Wirtschaftsleistung der Entwicklungsländer die der Industrienationen überrundet haben werde.

Als Gründe für diesen Trend nannte die Bank unter anderem den rascheren Technologietransfer, die Vergrößerung der gesellschaftlichen Mittelschichten, neue Süd-Süd-Handelsabkommen und die hohen Rohstoffpreise. Damit dürften die Entwicklungsländer innerhalb von Weltbank und IWF größeren Einfluss gewinnen, lauten die Prognosen.

Zoellick betonte außerdem die Notwendigkeit, die Statistiken der Weltbank der Allgemeinheit leichter zugänglich zu machen. Zugleich kritisierte er, dass in früheren Jahren manche Informationen nur gegen Bezahlung erhältlich gewesen seien.


Mehr Transparenz bei der Weltbank

Im Juli habe die Bank ein Programm gestartet, das den öffentlichen Zugriff auf Datenmaterial verbessern werde, sagte er. Dieser Schritt sei vergleichbar mit der Verabschiedung des Gesetzes über Informationsfreiheit in den USA.

Nichtregierungsorganisationen würdigten diese Neuerungen als äußerst fortschrittlich. Indem die Bank klar definiere, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Informationen angefragt werden könnten, werde die Transparenz der Institution deutlich verbessert, erklärte das ebenfalls in Washington ansässige 'Bank Information Center (BIC)'. (Ende/IPS/ck/2010)


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http://www.bicusa.org/en/index.aspx
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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2010