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GEWERKSCHAFT/763: Kolumbien - Streik in Kohlemine El Cerrejón, Verhandlungen wieder aufgenommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Februar 2013

Kolumbien: Streik in Kohlemine El Cerrejón - Verhandlungen wieder aufgenommen

von Constanza Vieira



Bogotá, 25. Februar (IPS) - Im Streit um höhere Löhne in der Steinkohlemine El Cerrejón in Kolumbien wird wieder verhandelt. Die Arbeiter sind bereits seit mehr als zwei Wochen im Ausstand. Erste Verhandlungen hatte das Kohleunternehmen 'Carbones del Cerrejón' am 17. Februar abgebrochen. Am 22. Februar setzten sich Unternehmensrepräsentanten wieder mit Vertretern der Kolumbianischen Kohlegewerkschaft Sintracarbón an einen Tisch.

Eine entscheidende Rolle bei diesem Schritt hat die kolumbianische Regierung gespielt, indem sie einen Mediator vorschlug. Vize-Arbeitsminister José Noé Ríos ist leitendes Mitglied der regierenden Liberalen Partei und als ehemaliger Friedenskommissar ein geübter Unterhändler. Am 22. Februar wurden zunächst die Rahmenbedingungen für die kommenden Gespräche abgesteckt.

Auch die Zivilbevölkerung könnte zum Einlenken der Kohlebergbaufirma - ein Joint Venture aus den multinationalen Konzernen 'Anglo American', 'BHP Billiton' und 'Xstrata' - beigetragen haben. Am 21. Februar gingen Bürger im nordostkolumbianischen Bundesstaat La Guajira, dem Standort der Kohlemine, auf die Straße. Zum einen forderten sie das Unternehmen auf, endlich seine Steuern an den Bundesstaat zu zahlen. Zum anderen beklagten sie die unzureichende Gesundheitsversorgung in der Region. Aktivisten des Netzwerkes für Steuergerechtigkeit kritisieren, dass viele Bergbauunternehmen Steuern hinterziehen und falsche Angaben machen, um weniger Abgaben zahlen zu müssen.


Auch kleine Ladenbesitzer gegen Tagebau

Gleichzeitig gingen auch Ladenbesitzer und andere Kleinunternehmer auf die Straße. Sie prangerten Gesundheitsprobleme und Umweltschäden an, für die sie den Kohleabbau verantwortlich machen. Darüber hinaus klagten sie darüber, dass der Bundesstaat sich kaum weiterentwickele.

Carbones del Cerrejón ist seit 1983 in der Region aktiv. Im Tagebau arbeiten 9.870 Menschen. Das Unternehmen hat vier Stiftungen gegründet, mit denen es in die Entwicklung der Region investiert: Zum einen geht es um eine Stärkung der staatlichen Strukturen im Bundesstaat, darüber hinaus um den Ausbau des Sanitärwesens. Dazu sollen kleine Geschäftsmodelle unterstützt und die nachhaltige Entwicklung der Wayúu-Indigenen, die 42 Prozent der Bevölkerung von La Guajira ausmachen, vorangetrieben werden.

Der Bundesstaat räumt dem Unternehmen Steuervergünstigungen ein. Die dadurch eingesparten Gelder fließen zum Teil in die Stiftungen. Doch sie haben kaum zu Verbesserungen geführt, wie Álvaro Pardo, Leiter des Wirtschaftsforschungszentrums 'Colombia Punto Medio', kritisiert. "Das sieht man daran, dass La Guajira im Index für unerfüllte Grundbedürfnisse ganz weit unten liegt und die Alkoholiker- und Analphabetenraten in der Region sehr hoch sind." Seinen Berechnungen zufolge hat die Firma den Wayúu-Gemeinschaften von 1982 bis 2002 insgesamt fünf Millionen US-Dollar zukommen lassen. Das entspreche dem Umsatz, den die Firma an zweieinhalb Tagen mit der Kohleförderung mache.


Gewerkschafter leben gefährlich

Nach Gewerkschaftsangaben hat Carbones del Cerrejón im September 1995 neun Arbeiter gefeuert, die wegen der schlechten Qualität des Kantinenessens fünf Tage gestreikt hatten. 1996 wurde der Gewerkschafter Gustavo Palmezano ermordet, nachdem er an einer Protestkundgebung gegen die Entlassung zweier Arbeiter teilgenommen hatte. Die Hälfte aller Morde an Gewerkschaftern, die in den letzten 40 Jahren weltweit begangen wurden, geschahen in Kolumbien.

Auch Sintracarbón-Präsident Igor Díaz und andere Gewerkschafter haben bereits Morddrohungen erhalten, seit sie ihre Forderungsliste im November veröffentlicht haben. Carbones del Cerrejón hat diese Drohungen öffentlich verurteilt und forderte die Polizei auf, die Verhandlungsführer und ihre Familien adäquat zu schützen.

Rund ein Drittel der weltweiten Energieversorgung wird durch Kohle bestritten. Der fossile Energieträger ist einer der Hauptverursacher der globalen Erderwärmung. Laut dem Ölkonzern BP ist der Ölkonsum von 2010 auf 2011 noch einmal um 5,4 Prozent gestiegen. Doch auch der Konsum anderer Energiequellen sei in die Höhe geschnellt, wodurch der Preis für Kohle gesunken sei.

Dem Bergbauministerium zufolge wurden im Jahr 2012 in Kolumbien 89,2 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Kolumbien ist fünftgrößter Kohleexporteur der Welt. Fast 90 Prozent der geförderten Kohle in dem südamerikanischen Land wird von ausländischen Firmen aus dem Boden geholt. Carbones del Cerrejón ist der größte Produzent und hat einen Marktanteil von 38 Prozent.

Die Gewerkschaft will nun höhere Löhne für die Arbeiter erzwingen. Acht Prozent soll das Unternehmen pro Kopf drauflegen. Doch Carbones del Cerrejón will nur fünf Prozent mehr zahlen. Das sei bereits das Doppelte der Inflationsrate des Vorjahres, heißt es seitens des Unternehmens. Außerdem soll jeder Mitarbeiter einen einmaligen Bonus von 7.250 Dollar erhalten. (Ende/IPS/jt//2013)


Links:

http://www.ipsnews.net/2013/02/open-pit-miners-strike-in-colombia/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102405

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2013