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INTERNATIONAL/030: China - Kein Profit mehr in Nordafrika, Volksaufstände bremsen Geschäfte aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Juni 2011

China: Kein Profit mehr in Nordafrika - Volksaufstände bremsen Geschäfte aus

Von Antoaneta Becker


Peking, 8. Juni. (IPS) - Die Volksaufstände in Nordafrika und dem Nahen Osten haben den Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik China herbe Rückschläge beschert. Chinesische Unternehmen sehen sich bereits nach neuen Partnern in stabileren Regionen um, die zudem näher bei der Volksrepublik liegen.

"Die Unruhen in Nordafrika und vor allem die Situation in Libyen stellen Chinas 'Go out'-Strategie auf den Prüfstand", meint Wang Jinyan von der Pekinger Fremdsprachenuniversität. Er rechnet damit, dass sich diese Entwicklungen direkt auf die chinesischen Investitionen in Übersee auswirken werden.

Presseberichten zufolge rückt das chinesische Handelsministerium in seinem kommenden Fünfjahresplan Asien und die neuen Schwellenländer in das Zentrum der Investitionsstrategie des Staates.

"Abgesehen von den politischen Risiken, sind die Investitionen in Afrika nicht mehr das, was sie einmal waren", zitiert die chinesische Wirtschaftszeitung 'Economic Observer' einen Ministerialbeamten, der ungenannt bleiben wollte. In Afrika eine Mine zu eröffnen, sei beispielsweise nicht mehr so einfach wie früher. Inzwischen müsse man Umweltfaktoren, die Situation auf dem dortigen Arbeitsmarkt und die Vorteile für die lokale Wirtschaft mit berücksichtigen.


Markt in Asien ist attraktiver

Asien wird dagegen als Markt mit großem wirtschaftlichen Potenzial und geringen politischen Risiken betrachtet. China hat in den vergangenen Jahren voll auf seine Exportwirtschaft gesetzt und sich ein dickes Polster an Devisenreserven angelegt. Investoren versuchten im Ausland vor allem im Rohstoff-, Erdöl-, Energie- und Agrarsektor Fuß zu fassen.

Eine im Mai von der unabhängigen 'Asia Society' in New York veröffentlichte Studie sieht voraus, dass die chinesischen Auslandsinvestitionen bis 2020 auf zwei Billionen US-Dollar steigen könnten. Die auswärtigen Investitionen der USA beliefen sich im vergangenen Jahr auf 300 Milliarden Dollar.

Die globale Finanzkrise 2008 hat der chinesischen Wirtschaft eher genutzt als geschadet. Unternehmen pumpten Geld in die entferntesten Winkel der Welt, sicherten sich Bodenschätze und Ölfelder und erwarben Anteile an großen Firmen.

Zuvor hatten sich staatliche chinesische Erdölunternehmen wie 'Petro China' auf Afrika als Testgelände konzentriert. Chinesische Firmen bauten dort Schienenstrecken, Straßen und Telekommunikationsanlagen. Ende 2010 arbeiteten in Afrika etwa 2.000 Firmen aus der Volksrepublik. Ihre Investitionen beliefen sich auf rund 32 Milliarden Dollar.

Im vergangenen Jahr stieg Afrika zum größten Handelspartner Chinas auf. Der weitere Vormarsch des Landes auf dem Kontinent schien nicht mehr zu bremsen. Kritiker warfen China vor, sich als eine Art neuer Kolonialherr zu gebärden, der die reichen Rohstoffe Afrikas an sich reiße.


Chinas Expansion abgewürgt

Der 'arabische Frühling' mit seinen Revolutionen hat die weitere Expansion Chinas jedoch abgebremst. Erste Daten zu den wirtschaftlichen Verlusten des Landes infolge der Unruhen versetzen die chinesische Regierung offensichtlich in Sorge.

Zahlen liegen bereits zu Libyen vor, wo sich die Kosten für den Rückzug Chinas auf mehr als drei Milliarden Dollar summieren. Seit 2007 hat das nordafrikanische Land rund 50 Projekte mit chinesischen Ingenieursfirmen abgeschlossen. Etwa 36.000 chinesische Arbeitskräfte kehrten angesichts der Kämpfe in die Heimat zurück.

Außerdem entstanden beachtliche Sachschäden, als etwa die chinesische Raffinerie 'Sinopec' von Aufständischen angegriffen und zerstört wurde. Peking ist nun in der schwierigen Lage, Entschädigungsansprüche geltend machen zu müssen.

Nach Angaben des chinesischen Exportkreditversicherers 'Sinosure' lagen in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Forderungen an Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens um 167 Prozent über denen im Vorjahreszeitraum. Das Handelsministerium in Peking teilte mit, dass chinesische Firmen in Nordafrika im ersten Quartal deutlich weniger Verträge abgeschlossen hätten als 2010. Für Algerien wurde ein Rückgang um 70,8 Prozent und in Libyen um 46,9 Prozent verzeichnet. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011