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INTERNATIONAL/035: Afrika - Binnenmarkt als Hoffnungsträger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2011

Afrika: Binnenmarkt als Hoffnungsträger

Von Timothy Spence


Brüssel, 5. Juli (IPS) - Die globale Nachfrage nach Öl und Edelmetallen aus Afrika hat dem schwarzen Kontinent einen unerhörten Exportboom beschert. Wirtschaftsexperten zufolge liegt die Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Region jedoch weniger im Außen- als vielmehr im Binnenhandel.

Auch die afrikanischen Staaten wollen von den Handelsabkommen mit Gebern und Entwicklungsagenturen profitieren. Um den Süd-Süd-Handel zu beleben, haben die Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) und ihr afrikanisches Gegenstück AfDB Ende Juni ein Programm aufgelegt, das Ländern Investitionskreditgarantien einräumt, die von den internationalen Finanzmärkten abgetrennt sind.

Die Übereinkunft wurde getroffen, nachdem sich die Europäische Union dazu verpflichtet hatte, den afrikanischen Ländern als Teil ihrer Armutsbekämpfung bei der Entwicklung und Diversifizierung ihrer Handelsgüter zu helfen. Doch die Bemühungen könnten den wohl größten Markt des Kontinents - dem Binnenmarkt - gefährden.

Trotz eines rapide wachsenden Absatzmarktes von derzeit einer Milliarde Menschen, von denen ganze 856 Millionen im südlichen Afrika leben, ist der regionale Handel unbedeutend. Von 2000 bis 2007 hatte er nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) gerade einmal einen Anteil am afrikanischen Gesamtwarenaustausch von 8,5 Prozent. Dieses gravierende Ungleichgewicht zugunsten des Außenhandels geht Kritikern zufolge auf Kosten der afrikanischen Integration.


Regionales Handelsnetz gefordert

"So wie der Kontinent historisch gestrickt war, führten alle Straßen aus Afrika hinaus", sagte Dawda Jobarteh vom 'Africa Progress Panel' (APP), einer Schweizer Organisation, die die Entwicklung des Kontinents beobachtet. Würden sich die afrikanischen Länder zu einem regionalen Handelsnetz verknüpfen, hätte dies positive Auswirkungen auf Handel und Wirtschaftswachstum.

Bisher sind afrikanische Länder im Kampf um überseeische Handels- und Investitionsabkommen Konkurrenten. Doch offenbar sind sie nun dabei, ihre Außen- in eine Innensicht umzukehren. Dazu dürften einige Fortschritte beigetragen haben wie etwa die Revolution der Mobiltelefonie, die wiederum weitere Entwicklungen wie den Aufstieg nichttraditioneller Unternehmer wie Frauen und jungen Leute nach sich gezogen hat.

Auch konnten im Infrastrukturbereich mit dem Ausbau der Autobahnverbindungen und des Flugverkehrs Erfolge erzielt werden. APP berichtet von einem Anstieg des interafrikanischen Flugaufkommens um 49 Prozent zwischen Januar 2005 und Januar 2011.

Parallel dazu sind die afrikanischen Exporte in den letzten zehn Jahren gestiegen, nachdem sie infolge der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 um 32,4 Prozent eingebrochen waren. Der afrikanische Warenaustausch stieg nach ECA-Angaben um 24 Prozent 2010. Das entspricht einem Anteil am Welthandel von 3,2 Prozent gegenüber den 2,1 Prozent von 2000, als ein Wachstum einen 30-jährigen Niedergang beendete.

Die EU war 2010 mit 35 Prozent aller Im- und Exporte Afrikas größter Handelspartner. Auf Platz zwei folgten China und die USA. Allerdings sind die Handelsbeziehungen ziemlich einseitig. Während Afrika zumeist Erdöl, wertvolle Metalle und einige wenige Agrargüter exportiert, muss es die für ihre Volkswirtschaften wichtigen Technologien und Equipment wie Mobiltelefone einführen.

Die Staats- und Regierungschefs der 35 Mitgliedsländer zählenden Afrikanischen Union (AU) haben einen Aktionsplan beschlossen, der dem regionalen Handel und der industriellen Entwicklung neuen Auftrieb geben soll. Der AU-Plan propagiert den freien Personen- und Warenaustausch und eine multinationale Zusammenarbeit bei der Überwindung bestehender Infrastrukturschwächen.


Kontinent vor riesigen Herausforderungen

"Derzeit versuchen die Länder mit vereinten Kräften, ihre Systeme und Strukturen einander anzugleichen und die Reisezeiten und Gebühren zu harmonisieren", so Dawda Jobarteh in einem Interview mit IPS. Doch die Herausforderungen sind entmutigend. So bleiben Wirtschaftswachstum und Handelsaufkommen unter Vorkrisenzeiten zurück. Und selbst in Fällen, in denen sich die Wirtschaftszahlen gut ausnehmen, profitiert die Bevölkerung nicht in Form von neuen Arbeitsplätzen oder Wohlstand von dem Wachstum, so das Fazit des ECA-AU-Afrika-Berichts für 2011 'Governing Development in Africa - The Role of the State in Economic Transformation'.

Mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen sei das Investitionsklima in vielen Ländern Afrikas aufgrund von Bürokratie, Protektionismus, willkürlichen politischen Entscheidungen und einer schwachen Infrastruktur nicht einladend genug für viele Investoren. Transport, Infrastruktur und Banksektor nähmen sich in den meisten Teilen des Kontinents äußerst bescheiden aus, heißt es in dem Report.

Wie der südafrikanische Handelsminister Rob Davies unlängst in einem Interview mit IPS betonte, braucht Afrika eine größere Ausgewogenheit. Der Kontinent könne nicht wie bisher auf der Rohstoffwelle weiterschwimmen, zumal nicht sicher sei, ob sie nicht mal irgendwann abebbe. "Wir müssen mehr Wert auf die Wertschöpfung legen."

Genährt durch den Rohstoffboom und schwache Staaten wirkt sich auch die wachsende Korruption negativ auf die Entwicklung aus. Diarmid O'Sullivan von der Anti-Korruptions-Organisation 'Global Witness' erklärte unlängst auf einem Forum in Brüssel über das afrikanische Wachstumspotenzial, dass afrikanische Länder eine größere Transparenz bei der Vergabe von Mineralien- und Ölkonzessionen walten lassen müssen. Die europäischen Kontrollstellen forderte er auf, rigoros gegen Banken vorzugehen, die illegale Zahlungen ermöglichten. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.uneca.org/
http://www.africaprogresspanel.org/index.php/en/
http://www.uneca.org/aria4/
http://www.uneca.org/era2011
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56328

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2011