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INTERNATIONAL/174: Indien - Unternehmen lassen Untersuchung über illegalen Bergbau stoppen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2013

Indien: Untersuchung über illegalen Bergbau gestoppt - Unternehmen zwingen Regierung in die Knie

von Ed McKenna


Bild: © Nella Turkki/IPS

Adivasi-Frauen am Rande einer Mine in Chhattisgarh
Bild: © Nella Turkki/IPS

Neu-Delhi, 25. Oktober (IPS) - In Indien hat die Regierung eine landesweite Untersuchung illegaler Bergbauaktivitäten abgebrochen, die bereits zu einem Verbot solcher Operationen in zwei Bundesstaaten und zur Festnahme hochrangiger Politiker führten.

Die umstrittene Entscheidung vom 16. Oktober lässt nach Ansicht von Vijay Pratap, Mitarbeiter der Denkfabrik 'South Asian Dialogues on Ecological Democracy', Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Behörden aufkommen, Korruption und Missstände im Bergbausektor zu beenden. Wie er betont, hat sich wieder einmal gezeigt, über wie viel Macht die Minenbetreiber verfügen. "Die Untersuchung wurde abgebrochen, weil sie zu viele unbequeme Wahrheiten über Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft zutage gefördert hätte."

Im November 2010 war eine Kommission unter Vorsitz von Richter M. B. Shah eingesetzt worden, um den unerlaubten Abbau von Eisenerz und Mangan zu untersuchen. Außerdem sollten finanzielle Transaktionen in der Bergbauindustrie zwischen 2006 und 2010 überprüft werden.

In den rohstoffreichen Bundesstaaten des Subkontinents dringen Minenbetreiber ohne Genehmigung in Waldgebiete vor, verstoßen gegen Umweltauflagen und vertreiben Angehörige indigener Völker. Sie werden ferner beschuldigt, Regierungsbeamte zu bestechen und Lizenzgebühren zu unterlaufen.


Kommission kritisiert Untersuchung als lückenhaft

Zwei frühere Berichte der Shah-Kommission hatten zur Schließung der größten Eisenerzminen Indiens in den Bundesstaaten Karnataka und Goa geführt. Durch die jüngste Entscheidung, die Ermittlungen zu stoppen, werden nun detaillierte Anhörungen in den drei Bundesstaaten Chhattisgarh, Maharashtra und Madhya Pradesh verhindert.

Wie U. V, Singh, ebenfalls Mitglied der Shah-Kommission, berichtet, hat die Regierung ihren Beschluss nicht begründet. "Die Untersuchung ist unvollständig, wichtige Einzelheiten fehlen", beanstandet er. "Richter Shah ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden."

Wie aus dem Bericht über den Bergbau in Goa hervorgeht, arbeiteten 90 Minen ohne die erforderliche Genehmigung des nationalen Ausschusses für den Schutz der Natur. Im September 2010 ordnete die Regierung eine zeitweise Schließung aller Bergwerke in Goa an. Das Verbot ist nach wie vor in Kraft. Alle Bergbaulizenzen wurden für ungültig erklärt.

In dem jüngsten Report der Kommission heißt es, das Unfähigkeit des Staates, den Bergbau zu regulieren, sei "eine vorsätzliche Unterlassung, die zu illegalen Bergbauaktivitäten und hohen Steuerverlusten geführt hat". Nach Schätzungen der Kommission hat der Fiskus dadurch allein in Goa Einnahmen von bis zu sechs Milliarden US-Dollar verloren. Zu den ranghohen Beamten, die von der Kommission des Betrugs beschuldigt wurden, gehört der ehemalige Leiter der Bergbaubehörde, Arvind Lolienkar, der daraufhin vom Amt suspendiert wurde.

M. E. Shivalinga Murthy, der frühere Direktor der Bergbaubehörde in Karnataka, wurde im Mai 2012 bezichtigt, der 'Associated Mining Company' (AMC) illegale Lizenzen ausgestellt zu haben. Bei der folgenden Untersuchung wurden sechs weiteren Beamten aus seiner Behörde unerlaubte Absprachen nachgewiesen. AMC gehört dem ehemaligen Tourismusminister Janardhana Reddy, der in Verbindung mit gefälschten Genehmigungen ins Gefängnis kam.

Die Untersuchungsergebnisse schufen die Voraussetzungen dafür, dass das Oberste Gericht alle Bergbauarbeiten in Karnataka von Juli 2011 bis April 2013 untersagte. Das Verbot wurde aber nach Abschluss der Untersuchung wieder aufgehoben. Offensichtlich hatten Unternehmen starken Druck auf die Behörden ausgeübt. "Unser System und die regierenden Eliten werden von großen Firmen kontrolliert, die mit Bestechung und Druck alles erreichen, was sie wollen", kritisiert Pratap.


Eisenerzexporte stark rückläufig

Seit 2009/2010 sind Indiens Eisenerzexporte von damals auf 117 Millionen Tonnen rückläufig. 2010/2011 waren es nur noch etwa 61 Millionen Tonnen. Nach Einschätzung des Verbands der indischen Bergbauindustrie hat das Verbot in Karnataka das Land zehn Milliarden Dollar gekostet.

Die Betreiber illegaler Minen verstoßen nicht nur gegen Umweltgesetze, sondern auch gegen die Rechte der in den rohstoff- und waldreichen Gebieten lebenden Indigenen, wie Madhu Sarin von der 'Rights and Resources Initiative' betont. "Der Abbruch der Untersuchung wird sich vor allem für die rund acht Millionen Adivasi, den Angehörigen der traditionell in Wäldern lebenden Gemeinschaften, als fatal erweisen", meint Samantha Agarwal von der Bürgerbewegung 'Chhattisgarh Bachao Andolan'. Der Zugang der Adivasi zu Land und sauberem Wasser werde weiterhin durch illegal arbeitende Bergbaufirmen gefährdet.

Das Recht der Indigenen auf Land war Anfang dieses Jahres weiter beschnitten worden, als die Regierung einen Passus im Forstgesetz aufhob, um größere Straßenbauarbeiten in Waldgebieten ohne die vorherige Zustimmung durch die Gemeinschaften zu ermöglichen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.saded.in/
http://www.rightsandresources.org/
http://www.ipsnews.net/2013/10/india-illegal-mining-enquiry-cut-short/

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IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2013