Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


INTERNATIONAL/370: Deutschland im Wirtschaftskrieg (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 17. Mai 2019
german-foreign-policy.com

Deutschland im Wirtschaftskrieg


WASHINGTON/BERLIN/BEIJING - Im Wirtschaftskrieg der Vereinigten Staaten gegen China warnen Experten vor der Verhängung "sekundärer", auch Deutschland und die EU treffender US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern Huawei. Die Trump-Administration hat am Mittwoch den "nationalen Notstand" ausgerufen, um die Nutzung von Huawei-Technologie durch US-Unternehmen zu verbieten und auch den Verkauf von US-Produkten an den chinesischen Konzern zu untersagen. Ziel ist es, das Vorzeigeunternehmen, das eine wichtige Rolle bei Chinas technologischem Aufstieg spielt, irreparabel zu schädigen. "Sekundäre Sanktionen" würden allen Unternehmen weltweit Repressalien androhen, sollten sie sich dem Huawei-Boykott verweigern. Bereits jetzt schwächt der US-Wirtschaftskrieg gegen die Volksrepublik auch die deutsche Industrie. Zusätzlich will US-Präsident Donald Trump seine Strafzolldrohung gegen Kfz-Importe aus der EU nicht aufheben, sondern sie nur vertagen; die EU soll gezwungen werden, ihre Auto-Exporte binnen sechs Monaten freiwillig zu reduzieren. Eine weitere Eskalation des Wirtschaftskriegs droht.

Die "nationale Sicherheit" der USA

US-Präsident Donald Trump hat Berichten zufolge die Entscheidung aufgeschoben, ob er Strafzölle auf die Einfuhr von Autos sowie Autoteilen aus der EU in die Vereinigten Staaten erheben will. Wie es heißt, kommt eine Untersuchung der US-Regierung zu dem Schluss, der Import von Pkw aus der Union, aber auch aus Japan sei eine Bedrohung für die "nationale Sicherheit" der Vereinigten Staaten. Demnach könnten Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf entsprechende Lieferungen erhoben werden. Angeblich will Trump am heutigen Freitag offiziell bekanntgeben, dass er die Entscheidungsfrist um ein halbes Jahr verlängert; damit ist der Export vor allem der deutschen Autoindustrie, die fast die Hälfte der Kfz-Ausfuhr aus der EU in die USA stellt, vorerst noch ungehindert möglich. Erste Reaktionen aus der Industrie und aus Wirtschaftsmedien fielen entsprechend positiv aus.[1] Kommentatoren urteilten, Trump wolle sich, während er den Wirtschaftskrieg gegen China eskaliere, nicht auch noch mit der EU anlegen.

Trumps Dauerdrohung

Tatsächlich kann von - vorläufiger - Entspannung keine Rede sein. Sollte Trump seine lange angekündigte Entscheidung vertagen, dann stünde die EU weiterhin - und auf ungewisse Zeit - unter Druck, US-Forderungen Folge zu leisten, um die Verhängung der Strafzölle nicht zu provozieren. Die Drohung mit den Strafmaßnahmen entfaltete dann noch bis zu einem halben Jahr ihre Wirkung. Entsprechend heißt es jetzt aus EU-Kreisen, falls der US-Präsident seine Strafzölle nicht offiziell fallenlasse, sondern sich die Option weiterhin offenhalte, werde Brüssel die Verhandlungen "wohl abbrechen".[2] "Der Bogen ist sehr gespannt", äußert der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD): "Wenn noch einmal jemand daran zieht, dann reißt er". Hinzu kommt nun laut jüngsten Berichten, dass der US-Präsident von der EU und Japan verlangt, innerhalb des nächsten Halbjahres freiwillig die Ausfuhr von Autos in die Vereinigten Staaten zu reduzieren, also den Lieferrückgang, mit dem bei der Verhängung von Strafzöllen zu rechnen wäre, selbst zu vollziehen.[3] Dass die Bundesrepublik, die hauptsächlich betroffen wäre, sich darauf einlassen würde, gilt als kaum wahrscheinlich. Die EU hat Gegenzölle auf Importe aus den USA im Wert von mehr als 20 Milliarden Euro vorbereitet.

Die Strafzolleskalation

Zu den Ungewissheiten in Sachen Kfz-Strafzölle kommen Risiken aus der Eskalation des Wirtschaftskriegs der Vereinigten Staaten gegen China hinzu. Nach der - mit kürzester Frist erfolgten - Ankündigung des US-Präsidenten, die Strafzölle auf Einfuhren aus China im Wert von 200 Milliarden US-Dollar von zehn auf 25 Prozent zu erhöhen, hat die Volksrepublik ihrerseits 25-Prozent-Gegenzölle auf US-Ausfuhren im Wert von 60 Milliarden US-Dollar verhängt. Washington bereitet die Einführung von 25-Prozent-Strafzöllen auf alle restlichen Importe aus China vor. Für diesen Fall ist mit erneuten Reaktionen Beijings zu rechnen. Für deutsche Konzerne ist dies in mehrfacher Hinsicht hochriskant. So werden von den Zöllen auch deutsche Standorte in beiden Ländern getroffen, insoweit sie in das jeweils andere Land liefern. Hinzu kommt, dass jedes Schwächeln der Wirtschaft sowohl der Vereinigten Staaten wie auch der Volksrepublik deutsche Exporte gefährdete; die USA waren 2018 der größte, China der drittgrößte Abnehmer deutscher Ausfuhren. Wirtschaftskriegsbedingte Einbrüche in der globalen Ökonomie könnten die exportfixierte deutsche Industrie schließlich noch weiter ins Wanken bringen.

Technologiekrieg gegen China

Zusätzliche Risiken ergeben sich nun auch noch aus den Repressalien gegen den chinesischen Konzern Huawei, die die Trump-Administration am Mittwoch verkündet hat. Einerseits hat der Präsident den "nationalen Notstand" in puncto Telekommunikation ausgerufen: Um das Land vor "ausländischen Feinden" zu schützen, dürften US-Unternehmen keine Produkte von Telekomausrüstern mehr kaufen, die die "nationale Sicherheit" der USA gefährdeten, erklärt das Weiße Haus.[4] Huawei wird nicht namentlich genannt, ist aber gemeint. Andererseits hat das US-Handelsministerium Huawei auf die "Entity List" gesetzt, die gewöhnlich Firmen umfasst, die Massenvernichtungswaffen verbreiten; US-Unternehmen dürfen Huawei jetzt nur noch mit Sondergenehmigung beliefern. Das soll den chinesischen Konzern, der als einer der bedeutendsten der Volksrepublik gilt und deren technologische Entwicklung in einer zentralen Zukunftsbranche vorantreibt, ins Wanken bringen. "Die USA haben offen erklärt, dass sie bereit sind, sich einen ausgewachsenen Technologiekrieg mit China zu liefern", wird ein Experte des Think-Tanks Eurasia Group zitiert.[5] Beijing bezichtigt Washington der Industriesabotage und hat Gegenmaßnahmen angekündigt.

"Sekundäre Sanktionen"

Experten warnen nun, deutsche Unternehmen könnten nicht nur durch weitere wirtschaftliche Erschütterungen in den USA und in China in Mitleidenschaft gezogen werden. Denkbar sei, dass die Trump-Administration ihre eskalierenden Angriffe auf Huawei durch "sekundäre Sanktionen" ergänze, äußert etwa der Ökonom Wolfgang Münchau.[6] Das würde bedeuten, dass Washington sämtlichen Firmen weltweit Repressalien androhte, die weiterhin Geschäfte mit Huawei machen - ganz so, wie es die Vereinigten Staaten mit ihren Iran-Sanktionen handhaben. Die Trump-Administration hat in den vergangenen Monaten vergeblich versucht, die EU-Staaten zum Ausschluss von Huawei beim Aufbau ihrer 5G-Netze zu nötigen (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Erst vor wenigen Tagen hat Vodafone angekündigt, am 3. Juli in sieben britischen Großstädten die ersten 5G-Dienste zu starten - unter Nutzung von Huawei-Produkten.[8] Auch in Deutschland wollen die Netzbetreiber Huawei-Technologie nutzen; andernfalls sei wegen des technologischen Vorsprungs, den der chinesische Konzern erlangt habe, mit erheblichem Rückstand beim Aufbau der 5G-Netze zu rechnen, urteilen Experten einhellig.[9] "Sekundäre Sanktionen" der Trump-Administration gegen Huawei könnten die Staaten der EU nun zum Verzicht auf chinesische Technologie zwingen.


Anmerkungen:

[1] Till Hoppe, Annett Meiritz: Trump deeskaliert im Handelsstreit mit der EU - für den Moment. handelsblatt.com 15.05.2019.

[2], [3] Annett Meiritz, Till Hoppe: Trump will der EU offenbar Autozölle-Ultimatum setzen. handelsblatt.com 16.05.2019.

[4] USA gehen gegen Chinas Telekom-Riesen Huawei vor. faz.net 16.05.2019.

[5] Demetri Sevastopulo, Kiran Stacey, James Politi, Nian Liu, Kathrin Hille: US chipmakers hit after Trump blacklists Huawei. ft.com 16.05.2019.

[6] twitter.com/EuroBriefing.

[7] S. dazu Die Schlacht um Huawei (III)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7892/
und Partner und Rivale.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7897/

[8] Vodafone's 5G UK service to launch in July. bbc.co.uk 14.05.2019.

[9] Matthew Field: Ban on Huawei will leave Europe trailing behind the US in 5G, says Qualcomm boss. telegraph.co.uk 20.04.2019.

*

Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang