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KONFERENZ/210: Strategie- und Aktionskonferenz - Zeit für eine neue Wirtschafts- und Handelspolitik (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Pressemitteilung vom 26. März 2017

Strategie- und Aktionskonferenz: Zeit für eine neue Wirtschafts- und Handelspolitik!

Bewegung für gerechten Welthandel kündigt weiterhin Widerstand gegen neoliberale EU-Freihandelsagenda an


Nach enormen zivilgesellschaftlichen Protesten liegt TTIP nun auf Eis. Damit ist die Bewegung für gerechten Welthandel jedoch kaum ärmer an Aufgaben. Sie kündigte am Samstag in Kassel auf ihrer bundesweiten Strategie- und Aktionskonferenz unverminderten Widerstand an: gegen die Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA sowie gegen weitere gegenwärtig verhandelte Abkommen der EU, darunter das Dienstleistungsabkommen TiSA und das Abkommen mit Japan JEFTA. Diese seien Symptome einer verfehlten Wirtschafts- und Handelspolitik.

Aktive aus lokalen Bündnissen und NGOs berieten sich zwei Tage lang in der Universität Kassel über ihre nächsten Schritte. Sie kritisieren die neoliberale EU-Freihandelsagenda als "Irrweg". Dazu Jürgen Maier vom veranstaltenden Bündnis TTIPunfairHandelbar: "Wer jetzt glaubt, als Antwort auf Brexit und Trump erst recht auf die alte marktradikale Globalisierungspolitik setzen zu müssen, spielt mit dem Feuer. Neoliberalismus und Austeritätspolitik sind keine Alternative zu Trump, Brexit & Co, sondern eine der Ursachen."

In ihrer Abschlusserklärung fordern die Konferenzteilnehmenden ein Moratorium für alle derzeit verhandelten Freihandelsabkommen, die Veröffentlichung aller Verhandlungsmandate sowie deren Neuausrichtung in einer demokratischen und ergebnisoffenen öffentlichen Diskussion. Maritta Strasser für TTIPunfairHandelbar: "Wir brauchen eine bessere Regulierung und Besteuerung von Konzernen, aber keine Paralleljustiz für sie. Wir brauchen eine bäuerliche regionale Landwirtschaft, keine weltmarktorientierte Agrarindustrie. Wir brauchen den Schutz und die Wiederherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge, keine Kommerzialisierung. Wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaft in den ökologischen Grenzen des Planeten, keine Intensivierung von Naturausbeutung und Umweltzerstörung."

Um eine grundlegende Neuorientierung der europäischen Wirtschafts- und Handelspolitik zu erstreiten, planen die Akteure bereits Proteste für eine gerechte Welthandelspolitik zum G20-Gipfel in Hamburg, einen bundesweiten Aktionstag gegen die CETA-Ratifizierung vor der Bundestagswahl, eine Kampagne gegen den geplanten multilateralen Investitionsgerichtshof der EU sowie Aktionen auf kommunaler Ebene.

Die Konferenz wird organisiert vom Bündnis TTIPunfairHandelbar. Im Trägerkreis aktiv sind Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Attac, Brot für die Welt, BUND, Campact, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika - FDCL, Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace, Mehr Demokratie, NaturFreunde, PowerShift und der Berliner Wassertisch. Das zivilgesellschaftliche Bündnis aus über 100 NGOs aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklungs- und Handelspolitik wurde ins Leben gerufen, um die Verhandlungen zu TTIP kritisch zu begleiten. Doch auch CETA, TiSA und Co. stehen im Zentrum der Bündnisarbeit. Die Konferenz mit Teilnehmer*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum und vereinzelt auch anderen Ländern fand 2016 zum ersten Mal statt.

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Abschlusserklärung der zweiten TTIPunfairHandelbar Strategie- und Aktionskonferenz
Zeit für eine neue Wirtschafts- und Handelspolitik!

Wir haben TTIP einstweilen gestoppt. Breite Bündnisse und Bewegungen in den Ländern Europas und den USA haben dafür gesorgt, dass die geplanten Deals zugunsten von Konzerninteressen und zu Lasten von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen, der Umwelt, der bäuerlichen Landwirtschaft u.v.m. bislang verhindert werden konnten und die weiteren Verhandlungen festgefahren sind. CETA hat zwar noch die Hürde des Europaparlaments geschafft, braucht aber nun die Ratifizierung in allen EU-Mitgliedstaaten. Reißt es eine dieser Hürden, wandert es in den Mülleimer der Geschichte, und dort gehört es hin. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass CETA die Zustimmung in Bundestag und Bundesrat nicht erhält. Auch die Gefahren des geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA werden immer offensichtlicher und das Abkommen immer mehr in Frage gestellt.

Aber TTIP, CETA, TiSA und auch das europäisch-japanische Handelsabkommen JEFTA sind nur Symptome einer falschen Wirtschafts- und Handelspolitik. Auch ohne diese Abkommen ist die Welt nicht wieder in Ordnung. Jahrzehnte neoliberaler Globalisierungspolitik haben zu krasser und wachsender Ungleichheit geführt. Strukturanpassungsprogramme haben diese Probleme meist noch verschärft. Wenn es in Schwellenländern Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut gegeben hat, so sind diese oft durch den gezielten Schutz von entstehenden Industriebranchen vor Handelsliberalisierung erreicht worden. Ein Drittel der Menschen in Deutschland ist in einem weiter wachsenden Niedriglohnsektor gefangen, in Südeuropa ist die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen auf Rekordhöhe gestiegen. Von der dringend notwendigen Transformation unseres Wirtschaftens zur Nachhaltigkeit sind wir weit entfernt. Die bäuerliche Landwirtschaft kämpft weltweit ums Überleben.

Doch Europas Regierungen und die EU-Kommission setzen unbeirrt weiter auf diese zerstörerische Politik. Millionen Menschen haben nicht nur gegen TTIP und CETA demonstriert und unterschrieben, sondern gegen diese Politik. Sie machen das nicht mehr mit und sie wollen diese Politik auch nicht mehr wählen. Es ist Aufgabe der demokratischen Parteien, dieser Mehrheit eine Stimme zu geben und einen Politikwechsel herbeizuführen. Dafür werden wir auch in diesem Jahr streiten. Wer jetzt glaubt, als Antwort auf Brexit und Trump erst recht auf die alte marktradikale Globalisierungspolitik setzen zu müssen, spielt mit dem Feuer. Neoliberalismus und Austeritätspolitik sind nicht die Alternative zu Trump, Brexit & Co, sondern eine der Ursachen dafür. Diese Politik muss deshalb endlich aufhören, sonst bekommen wir mehr Trumps und mehr Nationalismus.

Wir brauchen eine bessere Regulierung und Besteuerung von Konzernen, keine Paralleljustiz für Konzerne. Wir brauchen eine Neuorientierung hin zu globalen sozialen Rechten und Menschenrechten, keinen globalen Konkurrenzkampf aller gegen alle. Wir brauchen eine bäuerliche Landwirtschaft in der Region für die Region, keine weltmarktorientierte Agrarindustrie. Wir brauchen den Schutz und die Wiederherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge, nicht ihre Kommerzialisierung. Wir brauchen eine nachhaltige Wirtschaft in den ökologischen Grenzen des Planeten, keine Intensivierung von Naturausbeutung und Umweltzerstörung.

Völkerrechtlich verbindliche Abkommen, welche lange entwickelte Kriterien wie das Vorsorgeprinzip, die Kernarbeitsnormen und den Klima- und Umweltschutz wieder in Frage stellen, nutzen nur kurzfristigen Kapitalinteressen, nicht aber den Menschen. Dafür brauchen wir eine grundlegende Neuorientierung der europäischen Wirtschafts- und Handelspolitik und wir wissen eine Mehrheit der Menschen hinter dieser Forderung. Daher fordern wir ein Moratorium für alle derzeit verhandelten Freihandelsabkommen. Alle diese Verhandlungsmandate müssen veröffentlicht werden - und sie müssen in einer demokratischen und ergebnisoffenen breiten öffentlichen Diskussion neu ausgerichtet werden. Eine EU-Kommission, die dies weiter blockiert und die alte Politik auf Biegen und Brechen gegen die Menschen durchsetzen will, ist auf dem falschen Weg. Es ist Zeit für eine neue Politik!

Wir brauchen ein Europa der Menschen, welches nach innen und außen eine Politik der Offenheit und demokratischen, emanzipatorischen Entwicklung vertritt, in welcher die Menschen nicht aus Angst voreinander, sondern miteinander leben und arbeiten. Dabei geht es um den Schutz der Grundlagen für ein Leben in Würde - auch für die Zukunft. Es geht um gerechtere Verteilung, nicht darum, dass Shareholder immer reicher werden, während Arme und die Mittelschicht immer unsicherer leben. Es geht um Solidarität und Gemeinwohlorientierung als Wertebasis der Politik.

Geheimverhandlungen, Paralleljustiz für Konzerne, die Zustimmung der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten zu CETA trotz des Widerspruchs zu eigenen Beschlüssen, die zugegeben vorgespielten Tränen der kanadischen Ministerin bei den Verhandlungen - das nährt den Boden für Trump, AfD und den Aufstieg der Rechten in Europa. Demokratie braucht Transparenz und die Beteiligung aller, nicht weniger. Das einzufordern ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Dafür werden wir weiter arbeiten.

Wir werden in diesem Jahr verstärkt Alternativen zur herrschenden Wirtschafts- und Handelspolitik entwickeln, diskutieren und verbreiten. Wirtschaftswachstum auf Kosten von Mensch und Umwelt lehnen wir ab. Auch werden wir den Druck auf die Politik weiter erhöhen.

Auf der Konferenz haben wir uns über erfolgreiche Aktionen ausgetauscht und über eine Vielfalt von lokalen und regionalen Aktionen beraten. Wir rufen dazu auf, diese Aktionen mit Leben zu füllen und gemeinsam zum Erfolg zu führen. Insbesondere unterstützen wir:

• Zivilgesellschaftliche Lobbyaktionen von Organisationen, regionalen Bündnissen und Einzelpersonen an Parteien und Parlamente, bundesweite Aktionen / einen bundesweiten Aktionstag gegen CETA & Co, um Druck auf die Parteien auszuüben, in Bundestag und Bundesrat gegen die Ratifizierung von CETA zu stimmen.

• Initiativen für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung und Transparenz in Politik und Verwaltung auf allen Ebenen, einschließlich der EU-Ebene, und in allen Institutionen, insbesondere vollständige Offenlegung aller Dokumente und Bürgerbeteiligung bei Handelsverträgen.

• Aktionen auf kommunaler Ebene, wie z.B. Kommunale TTIP-kritische Zonen, Aktionen zum Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge und der öffentlichen Güter sowie gegen voranschreitenden Privatisierungen.

• Friedliche Protestaktionen zum G20-Gipfel in Hamburg.

Die Abschlusserklärung wurde im Rahmen der zweiten TTIPunfairHandelbar Strategie- und Aktionskonferenz am 24./25.03.2017 in Kassel verabschiedet.

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Quelle:
Pressemitteilung, 26.03.2017
Forum Umwelt & Entwicklung
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Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2017

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