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REDE/503: Sigmar Gabriel - Bundesminister für Wirtschaft und Energie, 30.01.2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, zur Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 30. Januar 2014 in Berlin:



Guten Morgen, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie gestern die soziale Marktwirtschaft in den Mittelpunkt ihrer Regierungserklärung gestellt hat. Denn sie ist seit Jahrzehnten das Erfolgsmodell für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Immer nur dann, wenn unser Land dieses Modell vernachlässigt hat, wenn wir dachten, wir müssten eine angeblich neue soziale Marktwirtschaft erfinden, mit möglichst unregulierten Märkten, einseitiger Orientierung am Shareholder-Value und vollständiger Privatisierung aller öffentlichen Güter und der Daseinsvorsorge, geriet das Land in die Schieflage.

Auch im Zeitalter der Globalisierung ist die Verbindung von nachhaltigem wirtschaftlichen Wachstum mit sozialem Aufstieg und sozialer Sicherheit und - ich füge hinzu - mit ökologischer Verantwortung das Erfolgsmodell für unser Land und auch für Europa. In diesem Sinn ist das Wirtschaftsressort nicht für die bloße Durchleitung ökonomischer Interessen in die Bundesregierung zuständig. Vielmehr ist Wirtschaftspolitik im Sinne der Marktwirtschaft immer auch Gesellschaftspolitik. Das Bundeswirtschaftsministerium versteht sich deshalb nicht nur als Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft, sondern auch und vor allem als Partner für alle, die sich an der Weiterentwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft beteiligen: Arbeitgeber, die Gewerkschaften, Wirtschafts- wie Umwelt- und Sozialverbände, Ökonomen wie Sozial- und Kulturwissenschaftler.

Die Bundeskanzlerin hat gestern zu Recht auf die wirtschaftliche Stärke unseres Landes und darauf hingewiesen, dass vor allen Dingen flexible und innovative Unternehmer und hochqualifizierte Beschäftigte immer wieder, jeden Tag von neuem, die Grundlage für diesen wirtschaftlichen Erfolg legen. Für diese Leistungsfähigkeit der Unternehmerinnen und Unternehmer zu sorgen und den Beschäftigten auch in Zukunft die richtigen Rahmenbedingungen zu bieten, ist die vorrangige Aufgabe der deutschen Wirtschaftspolitik.

Wenn wir jetzt aus guten Gründen, nämlich um mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt und bessere Teilhabe aller zu erreichen, Mindestlöhne durchsetzen, Leih- und Zeitarbeit und Werksverträge regulieren, mehr Geld für Pflege und Rente zur Verfügung stellen, dann stärkt dies das Soziale in unserer Marktwirtschaft. Die damit verbundenen Belastungen für die deutsche Wirtschaft halten wir für angemessen und vertretbar. Aber trotzdem darf man nicht verkennen, dass es sich um Belastungen handelt. Umso wichtiger ist es, an anderer Stelle nach Entlastungen zu suchen, zum Beispiel beim Dauerthema Entbürokratisierung, und vor allem in der Energiepolitik für Planbarkeit, Berechenbarkeit und Kostendämpfung zu sorgen.

Zugleich darf uns die gute wirtschaftliche Entwicklung nicht allzu sehr beruhigen. Die Herausforderungen der kommenden Jahre sind groß. Deutschland hat nach wie vor eine zu geringe Investitionsquote, und zwar bei privaten und öffentlichen Investitionen. Es ist gut, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, dass wir vor allem in die Verkehrsinfrastruktur, im Ressort des Kollegen Dobrindt, fünf Milliarden Euro mehr investieren werden und übrigens auch die Städte und Gemeinden finanziell entlasten, denn zwei Drittel der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand findet in den Kommunen statt. Aber klar ist auch: Wir werden weitere Instrumente, vor allem zur Erhöhung der privaten Investitionsquote in unserem Land, entwickeln müssen.

Der Fachkräftemangel fordert uns heraus. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen geraten dadurch unter Druck.

Industrie und verarbeitendes Gewerbe brauchen die Investitionssicherheit und die Rahmenbedingungen, die diese Wirtschaftszweige in Deutschland benötigen, aber selbst immer mehr vermissen. Waren es vor einigen Jahren noch Lohn- und Sozialkosten, die den internationalen Wettbewerb bestimmt haben, so sind es heute Rohstoff- und Energiekosten und übrigens auch ein gesellschaftliches Klima, in dem industrielle Produktion als das begriffen wird, was sie ist, nämlich die Grundlage für unseren Wohlstand und nicht ein lästiges Anhängsel einer Dienstleistungsgesellschaft, das man möglichst schnell loswerden will. Wir werden kein Land für Forschung und Entwicklung und auch kein Land für Dienstleistungen sein, wenn wir nicht allem voran ein erfolgreiches Industrieland bleiben. Im Gegenteil: Wir müssen die Chance nutzen, die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung wieder in der Produktion, im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie in Deutschland umzusetzen.

Es gibt für die Herausforderungen ein schönes Beispiel: Im Bereich der Elektromobilität - ein großes Thema in unserer Gesellschaft - dürfen wir nicht nur das Ziel haben, die Antriebstechnik bei uns zu entwickeln, sondern wir müssen auch versuchen, das zurückzuholen, was in Deutschland einmal eine Leitindustrie gewesen ist: die Batterietechnik. Sie ist in den 70er-Jahren abgewandert. Jetzt haben wir die Chance, sie auch in die Produktion zurückzuholen. Das muss letztendlich auch ein Ziel unserer gemeinsamen Anstrengungen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Natürlich geht das alles nur, wenn sich Europa wieder stabiler entwickelt; denn unser Hauptexportmarkt bleibt Europa. Deshalb ist es richtig, wenn wir in die europäische Zukunft investieren; denn wir investieren damit immer auch in unsere eigene Zukunft.

Der Kollege Gysi ist nicht anwesend. Weil er mich gestern direkt angesprochen hat, wollte ich ihm heute antworten. Er hat sich gegen einen Vorwurf gegenüber der Europapolitik seiner Partei gewehrt. Vielleicht richtet es ihm jemand aus. Ich will doch noch einmal begründen, warum ich das gemacht habe. Hören Sie einmal genau zu.

Wenn eine Ihrer Repräsentantinnen öffentlich erklärt: "... die EU ist auch ein Hebel zur Zerstörung von Demokratie", dann allerdings muss ich sagen: Mit links hat das nichts zu tun. Das ist rechts außen. Für mich ist links immer Aufklärung, Frau Kollegin, nicht Demagogie. Was Sie machen, ist nicht nur wirtschaftspolitisch falsch, sondern es ist vor allen Dingen politisch rechts außen. Es ist kein Zufall, dass Sie der AfD vorwerfen, sie würde sich bei Ihrer Ideologie bedienen. Dass das Frau Wagenknecht auch noch offen zugibt, zeigt, auf welchem Weg Sie europapolitisch sind.

Ich bin mir nicht sicher, Herr van Aken, was Ihre Frage mit meinem bisherigen Redebeitrag zu tun hat, aber ich will Ihnen gerne antworten.

Erstens. Sie bekommen immer den Gabriel, der vor Ihnen steht.

Zweitens. Ich kann Ihnen auch noch vorlesen, was Frau Zimmer über die Unklarheit der Linkspartei erklärt. Sie ist Ihre Vorsitzende im Europaparlament. - Die Frage war, ob man weiß, mit wem man es zu tun hat. Mit den Antworten ist es so wie mit den Fragen. Immer der, der gerade dran ist, ist verantwortlich für das, was er sagt.

Ich erspare Ihnen einmal, die Vorwürfe Ihrer eigenen Vorsitzenden im Europäischen Parlament gegenüber der Unklarheit Ihrer Politik vorzulesen.

Die Antwort zur Frage der Waffenexporte ist ganz einfach:

Erstens. Ich bin für mehr Transparenz, als derzeit rechtlich möglich ist. Dafür hat die Koalition eine Vereinbarung getroffen. Ich gehe davon aus, dass sie umgesetzt wird.

Zweitens. Immer auf der geltenden Rechtslage bekommen Sie die Auskünfte, die wir geben können. Geben Sie mir nachher Ihre Frage. Ich kläre, ob Ihre Aussagen richtig sind. Ich gehe davon aus, dass dies so ist. Wenn das, was Sie sagen, stimmt, dann bekommen Sie jede Information, die zu erteilen ich bei der geltenden Rechtslage in der Lage bin. Ich hoffe auf schnelle Umsetzung der Vereinbarung der Koalition. Dann erhalten Sie die Information auf einer aktuelleren Rechtslage. Ich glaube, da werden wir uns schnell einig.

Die Wirtschaftspolitik der Regierung wird natürlich nicht nur in einem Ressort gemacht. Wir werden auf eine politische Kultur des Zusammenspiels achten. Gute Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu schaffen, geht nicht allein in einem Ministerium. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wenn wir über den Fachkräftemangel, die Fachkräfteoffensive und den Pakt für Ausbildung reden, dann geht es um die Zusammenarbeit mit dem Arbeits- und dem Bildungsministerium sowie vermutlich auch mit anderen Häusern, die an dem Thema Interesse haben.

Das gilt für die digitale Agenda noch viel mehr. Sie hat eine hohe Priorität bei der Bundesregierung. Dort müssen Innen-, Infrastruktur- und Wirtschaftsministerium zusammenarbeiten. Deswegen bin ich froh, dass der Kollege Dobrindt die digitale Infrastruktur dieses Landes voranbringen will. Was immer wir tun können, um ihn dabei zu unterstützen, sollten wir miteinander tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es geht uns darum, dass auch diese technologische Revolution am Ende zu einem Mehr an Freiheit, an Demokratie und auch zu einem Mehr an Solidarität führen kann und nicht, wie wir derzeit angesichts der Abhöraffären erleben, zum Gegenteil führt.

Klar ist aber auch, dass ein Thema die Arbeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in besonderer Weise bestimmen wird: die Energiewende. Die Reform des EEG, die Reform des Emissionshandels in Europa und damit verbunden auch ein besserer Klimaschutz sowie im Übrigen eine Reduktion der hohen CO2 Emissionen in Deutschland aus den traditionellen Kraftwerken, die Sicherung der Stromversorgung, die Klärung der Rolle und Integration des konventionellen Kraftwerkparks, die Organisation des Strukturwandels in den klassischen Energieversorgungsunternehmen, die Sicherung der Stadtwerkestruktur, die Anpassung des Netzausbaus: Das sind nur einige der wichtigsten Stichworte, die den Aufgabenbestand der Energiewende beschreiben.

Was bei uns unter der Überschrift Energiewende debattiert wird, hat nach wie vor das Potenzial zu einem großen wirtschaftlichen, ökologischen und auch sozialen Erfolg. Aber es birgt eben auch das Risiko einer dramatischen Deindustrialisierung, wenn wir die Kosten für Wirtschaft und Industrie nicht deutlich verändern.

- Wenn Sie glauben, dass das ein Pappkamerad ist, dann lade ich Sie persönlich zu einem Stahlwerksbesuch ein oder zu einem Besuch in einem anderen Unternehmen. Da können Sie einmal mit den Verantwortlichen reden. Mein Vorschlag ist: Halten Sie einmal eine Rede auf einer Betriebsversammlung. - Ich wollte eigentlich etwas Freundliches über Bündnis 90/Die Grünen sagen. Machen Sie es mir nicht so schwer.

Ich kann nur jedem raten, sich keine Illusionen über die Herausforderung zu machen, vor der wir stehen. Die Energiewende wurde unter der Bundesregierung von SPD und Grünen unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeleitet. Die Grünen haben sich dabei um die ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft - und nicht um deren Abschaffung - große Verdienste erworben. Das steht außer Frage.

Es sind in unserem Land insgesamt 300.000 neue Jobs entstanden. Darüber darf man auch öffentlich reden. In der Kernenergie waren es übrigens zu Spitzenzeiten ganze 30.000. Das Zehnfache haben wir inzwischen im Bereich der erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren Energien sind von einer Nischentechnologie auf dem Weg zur bestimmenden Technologie. Nicht an ihrem Misserfolg, sondern an ihrem Erfolg könnte die Energiewende nun scheitern, wenn wir die Bedingungen zur Förderung einer Nischentechnologie einfach nur linear fortschreiben in das Zeitalter, in dem sie bestimmende Technologie wird.

Dass wir jetzt - das ist der Grund, warum ich sage, die ökonomische Belastung für die Wirtschaft habe ihre Grenzen erreicht - 22 bis 24 Milliarden Euro jedes Jahr Verbrauchern und Wirtschaft entziehen zur Förderung einer Technologie, ist richtig und notwendig, aber es ist auch eine Belastung, die kein anderes Land in Europa zu tragen bereit wäre. Eines unserer Ziele war, dass uns andere folgen. Wir werden dieses Ziel nicht erreichen, wenn wir die Kostendynamik nicht durchbrechen. Dann hätten wir, auf Deutsch gesagt, mit Zitronen gehandelt.

Reden Sie heute einmal mit denen, die noch vor einigen Jahren mit auf unserer Seite waren, zum Beispiel Südeuropa. In Osteuropa war es immer schon schwierig, aber in Südeuropa finden Sie inzwischen fast niemanden mehr, der bereit ist, unserem Beispiel zu folgen. Wir müssen zeigen, dass eine erfolgreiche Industriegesellschaft mit der Energiewende vereinbar ist, sonst wird niemand beim Klimaschutz auf diesem Weg mitmachen.

Auch im eigenen Land ist das Durchbrechen der Kostendynamik und übrigens auch die Sicherheit der Versorgung die zentrale Aufgabe, um die Zustimmung zur Energiewende zu behalten. Ein einziger Blackout dadurch, dass eine Strombrücke nicht existiert, wir aber ein Kernkraftwerk in Süddeutschland abschalten: Da brauche ich keine Umfrage zu machen, um zu wissen, was hinterher die Zustimmung zur Energiewende betrifft.

Ich danke deswegen ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen aus Bund und Ländern für ihre Kritik und ihre Anregungen. Ich weiß, manches geht Ihnen zu weit, manches geht Ihnen nicht weit genug. Aber ich empfinde die Kritik als konstruktiv, und ich will mich mit Ihren Vorschlägen ebenso konstruktiv auseinandersetzen.

Wenn ich Ihre Papiere richtig lese, dann stelle ich fest, dass wir in vielem sogar übereinstimmen. In Ihrer "Energiewendeagenda 2020" vom 17. Januar dieses Jahres finden sich viele Elemente, die auch im Eckpunktepapier enthalten sind: Reform der besonderen Ausgleichsregelung, Beibehaltung des Einspeisevorrangs, Direktvermarktung, Ausbaukorridor, Begrenzung der Biomasse - um nur einiges zu nennen.

Da steht zum Beispiel, dass Sie für eine Förderung von Offshorewindenergie bis 2020 von sechs bis acht Gigawatt sind. Bei uns im Programm stehen 6,5 Gigawatt. Da scheinen wir uns ja einig zu sein; die Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei haben das gestern kritisiert. Sie schreiben in Ihrem Papier:

"Die einseitige Direktvermarktung an der Strombörse soll künftig durch die Integration erneuerbarer Energien auch in den Regelenergie- und Endkundenmarkt ergänzt werden."

Nichts anderes schlagen wir vor.

Ich glaube, das ist eine gute Basis für die Diskussion. Lassen Sie mich auf all diejenigen eingehen, die das Ende der erneuerbaren Energien am Beispiel von Onshorewindenergie an die Wand malen.

- Ja, Herr Krischer, ich rede auch über Kritik aus der SPD, na klar. Wissen Sie, ich finde, der Erfolg der Energiewende lässt sich auch daran messen, dass inzwischen in allen Teilen der Gesellschaft Leute aufstehen und sagen: Daran dürft ihr nichts verändern. Sie machen das, weil sie nämlich merken, wie wichtig die Energiewende für sie selbst geworden ist. Dass alle ihre Interessen verteidigen, ist normal. Aber ich wiederhole: Die Summe der Einzelinteressen ist nicht das Gemeinwohlinteresse. Das ist der Unterschied.

Korridore von 2,5 Gigawatt Onshorewindenergie für die nächsten Jahre heißt: Wir sind am oberen Rand dessen, was wir in den letzten zehn Jahren überhaupt zur Verfügung hatten. In zehn Jahren lag der Ausbau der Windenergiegewinnung an Land nur ein einziges Mal oberhalb von 2,5 Gigawatt, sonst immer darunter. Wie kann man eigentlich öffentlich erklären, wir würden die Onshorewindenergie an die Wand fahren? Da endet dann eine sachliche Debatte.

- Ich kann Ihnen aus jeder Partei einen benennen, der das öffentlich erklärt. Das sind alles nette Leute, alle Verteidiger der Energiewende. - Ja, glauben Sie doch nicht, dass es bei Ihnen keine gibt! Sie waren doch die Ersten. Wir hatten das Eckpunktepapier noch gar nicht vorgelegt, da haben Sie es schon kritisiert. Von daher: Lassen Sie uns die Debatte so sachlich führen wie mit Ihren Länderenergieministern. Ich habe keine Sorge, dass wir damit zum Erfolg kommen.

Von großer Bedeutung ist, dass wir unser Vorhaben europarechtskompatibel gestalten. Man kann lange darüber streiten, ob das, was die Europäische Union jetzt macht, eigentlich mit den Verträgen übereinstimmt. Im Kern versucht sie, sich über das Wettbewerbsrecht einen Zugang zur nationalen Energiepolitik zu verschaffen. Das kann man lange ausfechten, aber es nützt nichts: Wir müssen uns einig werden, sonst sind wir im Herbst dieses Jahres nicht in der Lage, ein notifizierungsfähiges EEG in Kraft zu setzen. Das würde übrigens auch bedeuten, dass die besondere Ausgleichsregelung für die Entlastung der deutschen Industrie nicht in Kraft gesetzt würde. Zum 1. Januar 2015 müsste sie die volle EEG-Umlage zahlen. Ich glaube, niemand von uns hat die Illusion, dass wir dann unsere Politik fortsetzen könnten.

Es ist gut, wenn wir mit der EU-Kommission den Versuch unternehmen, sowohl bei der besonderen Ausgleichsregelung als auch bei der Notifizierung des EEG Schritt für Schritt voranzukommen. Das muss dazu führen, dass wir noch vor der Sommerpause in Deutschland ein neues EEG in Kraft setzen; denn sonst wird es schwierig.

Das heißt auch, dass wir mit den Bundesländern einen gemeinsamen Weg finden müssen. Mein Interesse jedenfalls ist das. Ich glaube, wir haben eine Menge zu tun, um das zu schaffen.

Klar ist auch, dass die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben ist. Ich kann und werde niemandem sinkende Strompreise versprechen, aber wir können die Kostendynamik drastisch brechen. Das ist ein Ziel, das erreichbar ist.

Der Übergang von der Anschubfinanzierung der Energiewende zu einer marktwirtschaftlich funktionierenden Energieerzeugung bedeutet für viele, dass sie lieb gewonnene Sicherheiten verlieren werden und ihr unternehmerisches Handeln verändern müssen. Das ist aber ganz normal in einer Marktwirtschaft. Das wird die Bundesregierung zum Maßstab ihrer Entscheidungen machen. Das Gemeinwohl erfordert in diesem Fall auch schwierige Entscheidungen. Deshalb wiederhole ich: Wir werden allen zuhören, wir werden berechtigte Interessen einarbeiten, und wir behaupten auch nicht, dass wir bereits jetzt alle Fragen geklärt haben; aber am Ende des Tages kann die Summe der Einzelinteressen nicht Gegenstand der Politik dieser Bundesregierung sein.

Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, dieses für das Land so wichtige Projekt auf den Weg zu bringen - hier im Haus, in der gesellschaftlichen Debatte, aber am Ende auch mit Entscheidungen, bei denen wir Mut haben müssen. Ich bin sicher, am Ende wird es ein Erfolg für die Menschen im Land und damit auch für die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft auf ökologischem Sektor.

*

Quelle:
Bulletin 09-1 vom 30. Januar 2014
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel,
zur Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung
in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
vor dem Deutschen Bundestag am 30. Januar 2014 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2014