Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → WIRTSCHAFT


UNTERNEHMEN/2604: Sozialunternehmen in Deutschland sind kollaborations- und innovationsstark (idw)


Hertie School of Governance - 26.10.2016

Sozialunternehmen in Deutschland sind kollaborations- und innovationsstark

Erste Ergebnisse der international vergleichenden SEFORÏS-Studie


Berlin, 26. Oktober 2016 - Sozialunternehmen in Europa erbringen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen. Obwohl fest in der Marktwirtschaft verankert, bleiben sie ihrem sozialen Zweck verpflichtet. Deutsche Sozialunternehmen zeichnet besonders ihre Kollaborations- und Innovationsstärke aus.


Das sind Ergebnisse der internationalen, EU-geförderten SEFORÏS-Studie, in deren Rahmen die Geschäftsführer von 1.030 Sozialunternehmen in sieben europäischen Ländern sowie Russland und China über durchschnittlich zwei Stunden befragt wurden. Professor Johanna Mair von der Hertie School of Governance leitete das deutsche Forschungsteam.

Die 107 in Deutschland befragten Unternehmen erwirtschaften rund zwei Mrd. Euro Jahresumsatz, beschäftigen insgesamt 7.500 Menschen und ebneten allein im Jahr 2014 weiteren 900 Menschen durch Praktika und Bildungsmaßnahmen den Zugang zum Arbeitsmarkt.

"Das SEFORÏS-Projekt ermöglicht uns erstmals, deutsche Sozialunternehmen im internationalen Vergleich von neun Ländern einzuordnen. Die Studie soll Entscheidungsträgern aller Sektoren umfassende Informationen liefern. Wir schaffen so eine Grundlage, damit der unternehmerische Ansatz künftig noch effektiver auf soziale Herausforderungen angewendet werden kann", so Johanna Mair.


Kollaboration und Innovation

Deutsche Sozialunternehmen arbeiten hauptsächlich mit Nonprofit-Organisationen (42%) und anderen Sozialunternehmen (35%) zusammen, wichtige Kooperationspartner sind zudem privatwirtschaftlichen Unternehmen (40%). Auch staatliche Stellen sind ein wichtiger Partner. Im internationalen Vergleich ist Deutschland allerdings das einzige Land, in dem die Kooperation mit der nationalen Ebene (21%) für Sozialunternehmen wichtiger ist als mit der Landes- und Kommunalebene. Auffällig in Deutschland ist der ausgeprägt kollaborative Ansatz der sozialen Organisationen untereinander. Der internationale Vergleich zeigt, dass der Wettbewerbsgedanke nur in Spanien ähnlich gering ausgeprägt ist.

Deutsche Sozialunternehmen sind, wie deutsche Unternehmen im Allgemeinen, hoch innovativ. Beim Innovation Union Scoreboard 2014, dem Innovationsreport der EU-Kommission, kommt die deutsche Wirtschaft auf Rang 3 nach Schweden und Dänemark. 88 Prozent der im Rahmen der SEFORÏS-Studie befragten deutschen Sozialunternehmen haben im Jahr 2014 ein neues Produkt, Dienstleistung oder Prozess hervorgebracht. Übertroffen wurde sie nur von Sozialunternehmen in Schweden (99%) und China (97%).

Die Studie weist einen engen Zusammenhang zwischen Innovation und Kooperation nach. 77% der befragten deutschen Sozialunternehmen bezeichnen Kollaboration als Teil ihres Innovationsprozesses. Die meisten kollaborieren mit Einzelpersonen (55%), gefolgt von Non-Profit-Organisationen (29%) und Unternehmen (27%). Kollaboration mit anderen Sozialunternehmen sowie staatlichen Stellen wird von 15% bzw. 18% der Befragten praktiziert.


Weitere Ergebnisse des Länderberichts Deutschland

Sozialunternehmen in Deutschland betätigen sich laut der Studie vorwiegend in den Bereichen kommunale Entwicklung, Ausbildung und Beschäftigung (25%), Bildung und Forschung (22%) sowie Gesundheitswesen (15%).

Ihre Hauptfinanzierungsquellen sind Gebühren und Verkaufserlöse von privaten und staatlichen Abnehmern (43%), Fördergelder (29%) sowie Spenden (10,5%). Nur 6,5% der Befragten nannten Investitionserlöse als Finanzierungsquelle.

Was die Dauer ihres Bestehens angeht, geben deutsche Sozialunternehmen ein besonders ausgewogenes Bild ab: 29% sind vor bis zu fünf Jahren gegründet worden, 42% bestehen seit fünf bis 20 Jahren und 36% seit mehr als 20 Jahren. Es gibt also in Deutschland Sozialunternehmen in allen Entwicklungsstufen, was sich den Wissenschaftlern zufolge positiv auf ihre Rolle als Innovatoren und Netzwerker im Sektor auswirkt.

Auch die Besetzung der Unternehmensspitze wird von SEFORIS erfasst: In Deutschland ist die Unternehmensleitung zu 55 Prozent mit Männern besetzt. 68% der Geschäftsführer sind über 40. 60% haben einen Universitätsabschluss.


Über SEFORÏS

Das von der EU-Kommission geförderte Projekt SEFORÏS ist auf drei Jahre angelegt. Es untersucht das Potenzial von Sozialunternehmen innerhalb und außerhalb der EU, die soziale Inklusion zu verbessern. Verwendet wurde ein auf der Empfehlung der befragten Unternehmen basierendes Stichprobenverfahren, um auf diese Weise den Sektor in seiner Tiefe und Breite zu erfassen. Die Befragungen wurden in Deutschland, Großbritannien, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, Ungarn sowie Russland und China durchgeführt.

Der vollständige Länderbericht Deutschland steht zum Download in Deutsch (http://bit.ly/SEFORIS_DE) oder Englisch (http://bit.ly/SEFORIS_EN) zur Verfügung. Weitere Länderberichte liegen bislang zu China (http://www.seforis.eu/china), Großbritannien (http://www.seforis.eu /united-kingdom), Portugal (http://www.seforis.eu/portugal), Schweden (http://www.seforis.eu/sweden) und Spanien (http://www.seforis.eu/spain) vor.

Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution855

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hertie School of Governance, Regine Kreitz, 26.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang