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VERBRAUCHERSCHUTZ/560: Neue Studie - Bundeskartellamt könnte Verbraucherschutzbehörde werden (idw)


Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 11.09.2018

Neue Studie: Bundeskartellamt könnte Verbraucherschutzbehörde werden


Sollte das Bundeskartellamt tätig werden, wenn auf Vergleichsportalen oder bei Abgastests systematisch falsche Angaben gemacht werden? Sollte die Bonner Behörde Bußgelder verhängen dürfen, wenn Unternehmen Kunden unfair behandeln? Drei Wettbewerbsexperten kommen jetzt zu dem Schluss, dass dies ein gangbarer Weg sein könnte. Sie zeigen in einer neuen Studie auf, wo das deutsche Verbraucherrecht Schwachstellen hat - und wie diese zu beheben wären.

Im Kern geht es darum, dem Bundeskartellamt die Möglichkeit zu geben, in besonders schwerwiegenden Fällen einzuschreiten. Die Studie hat das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben. Erstellt haben sie die Professoren Rupprecht Podszun von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Christoph Busch von der Universität Osnabrück und Frauke Henning-Bodewig vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.

In Deutschland sind Verstöße gegen Verbraucherrecht nur eingeschränkt ein Thema für Behörden. "Die Rechtsdurchsetzung für Fairness im Geschäftsverkehr liegt weitgehend bei Verbänden und Mitbewerbern, die vor Gericht gehen müssen", erklärt Professor Rupprecht Podszun, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht. "Das handhaben fast alle europäischen Staaten anders. In Deutschland gibt es keine zentrale Verbraucherschutzbehörde, die etwa gegen Manipulationen bei Bewertungsportalen im Internet oder systematische Falschangaben in der Werbung vorgehen kann." Wenn Verbraucherschützer oder Wirtschaftsverbände wie die Wettbewerbszentrale dagegen vorgehen, können sie in der Regel nur die Abstellung des rechtswidrigen Verhaltens verlangen. Die Abschöpfung von Gewinnen oder Bußgelder gibt es in Deutschland so gut wie nie.

Laut den Gutachtern ist das deutsche System sehr stark darin, schnell Verstöße gegen Ver-braucherrecht für die Zukunft abzustellen, soweit diese gut nachweisbar sind. Hier greift das effiziente System der Abmahnung und der einstweiligen Verfügungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG). "Das Verbraucherschutzniveau in Deutschland ist hoch", so die Gutachter. Es gibt aber einzelne Schwächen, etwa wenn ein Verstoß von außen nicht ersichtlich ist. Das ist häufig bei digitalen Geschäftsmodellen der Fall. Bei solchen Beweisproblemen würde es helfen, wenn eine Behörde ermitteln könnte. Dazu müsste aber das Gesetz geändert werden.

Ein weiteres Problem sind "Streuschäden": "Es gibt Fälle, in denen der Schaden für jeden einzelnen Verbraucher sehr gering ist, aber die Unternehmen durch Rechtsverstöße hohe Gewinne erzielen können", erklärt Gregor Schmieder von der Universität Düsseldorf, der an der Studie mitgearbeitet hat. Wenn dann für Verbände oder andere Unternehmen die Klageanreize fehlen oder einstweilige Verfügungen nicht abschreckend genug sind, wäre ein behördliches Bußgeld denkbar.

Wenn eine Behörde eingeschaltet wird, besteht immer auch die Gefahr der Überregulierung. Das sehen auch die Autoren der Studie. Podszun: "Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland eine Verbraucherschutzbehörde bekommen werden. Das europäische Recht gibt das in einer neuen Verordnung faktisch vor. Dann sollte das Bundeskartellamt diese Aufgabe übernehmen: Das Bonner Amt beweist immer wieder Augenmaß im Umgang mit Unternehmen und hat große ökonomische Fachkenntnis. Es wird den Unternehmen keine überzogenen Vorgaben machen."


Das Gutachten ist hier abrufbar:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/behoerdliche-durchsetzung-des-verbraucherrechts.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution223

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 11.09.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2018

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