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AUSLAND/032: Beginn der Hauptverhandlung in Argentinien wegen des Mordes an Elisabeth Käsemann (ECCHR)


European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) - Presseerklärung vom 23. Februar 2010

Beginn der Hauptverhandlung in Argentinien wegen des Mordes an Elisabeth Käsemann

Argentinien: Hauptverhandlung wegen des Mordes an Elisabeth Käsemann beginnt am 26. Februar 2010. Bundesrepublik Deutschland tritt als Nebenklägerin auf


Der mehrfach verschobene Prozess gegen acht ehemalige Militärs wegen des geheimen Folterlagers "El Vesubio" soll nunmehr am 26. Februar 2010 vor dem 4. Bundesgericht in Buenos Aires beginnen. Zu den angeklagten 157 Fällen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, die im Rahmen der auf mehrere Monate geschätzten mündlichen Verhandlung, gehört auch der Mord an der Deutschen Elisabeth Käsemann am 23./24. Mai 1977. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen und ist mit einem eigenen Rechtsanwalt in dem Verfahren vertreten.

Zu den Angeklagten im Fall Elisabeth Käsemann zählt unter anderem der Lagerkommandant von El Vesubio, Pedro Duran Saenz, gegen den das Amtsgericht Nürnberg bereits am 21. Dezember 2001 Haftbefehl wegen des Mordes erlassen und dessen Auslieferung die Bundesrepublik seitdem von Argentinien gefordert hatte. Die Strafverfahren in Deutschland waren 1998 von der Koalition gegen Straflosigkeit, einem Netzwerk von Menschenrechts-, Juristen- und kirchlichen Organisationen initiiert worden. Da in Argentinien bis 2003 Amnestie- und Straflosigkeitsgesetze die Strafverfolgung der Militärs im eigenen Land verhinderten, fanden zahlreiche Strafverfahren in Italien, Spanien, Frankreich, Schweden und Deutschland statt. Gegen zeitweilig bis zu achtzig argentinische Militärs wurde, und wird teilweise bis heute, wegen der Fälle von vierzig deutschen und deutschstämmigen Verschwundenen und Ermordeten von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittelt. Neben Duran Saenz wurden internationale Haftbefehle gegen vier weitere Militärs, darunter den ehemaligen Staats- und Junta-Chef Jorge Rafael Videla wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft erlassen.

Elisabeth Käsemann war am 9. März 1977 in Buenos Aires entführt und zunächst in das Lager "Campo Palermo", später nach "El Vesubio" verbracht worden. Dort wurde sie nach Augenzeugenberichten von später freigelassenen Mitgefangenen schwer gefoltert. In der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 1977 wurde sie erschossen. Die argentinische Regierung behauptete, in der Nähe der Ortschaft Monte Grande, wo Käsemann und weitere 15 Personen tot aufgefunden worden waren, habe ein Feuergefecht zwischen Militärs und Guerilla stattgefunden. Diese Nachricht wurde wegen eines Fußballspieles zwischen Argentinien und Deutschland erst am 6. Juni 1977 offiziell bekannt gegeben. Die offizielle Darstellung war alleine deswegen erkennbar falsch, weil sich Elisabeth Käsemann nach Zeugenaussagen nur wenige Tage vor ihrem Tod noch in El Vesubio befand. Spätere gerichtsmedizinische Untersuchungen in Deutschland belegten, dass sie mit Schüssen aus dem Nahbereich in den Nacken und Rücken ermordet worden war. Ihre Familie, vor allem ihr Vater, der Tübinger Theologe Prof. Ernst Käsemann, hatten sich vergeblich gegenüber der damaligen Bundesregierung um ein größeres Engagement für Elisabeth Käsemann eingesetzt. Die Tübinger Staatsanwaltschaft stellte ein damals eingeleitetes Strafverfahren 1980 ohne nennenswerte Ermittlungen ein.

Das jetzt anlaufende Verfahren ist Teil eines größeren Ermittlungskomplexes gegen zahlreiche Angehörige des ersten Heereskorps, in dessen Verantwortungsbereich das Lager El Vesubio lag. Im Laufe dieses Jahres soll eine weitere Hauptverhandlung u.a. gegen den ehemaligen Junta-Chef Videla beginnen, der neben zahlreichen anderen Taten ebenfalls wegen des Mordes an Käsemann angeklagt wird. In dem Verfahren tritt die Familie Käsemann als Nebenkläger auf.


Weitere Informationen zu den argentinischen Diktaturverfahren unter: www.ecchr.eu


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Quelle:
Pressemitteilung vom 23. Februar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2010