Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressemitteilung vom 15. November 2023
Türkei: Justiz muss unabhängig bleiben
DAV warnt vor Gefahr für die Gewaltenteilung
Berlin/Brüssel (DAV). Nach einem Urteil des türkischen Staatsgerichtshofs soll die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen dessen Mitglieder einleiten. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Befugnisse überschritten und entgegen der Verfassung geurteilt zu haben. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) beobachtet die Entwicklungen mit großer Sorge.
"Der türkische Staatsgerichtshof ist das Verfassungsgericht der Türkei und die höchste Instanz in Streitigkeiten um verfassungsmäßige Rechte", stellt Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins, klar. Ein türkischer Oppositionspolitiker, der sein Abgeordnetenamt nicht antreten konnte, weil er inhaftiert worden war, hatte gegen seine Inhaftierung geklagt. Der türkische Staatsgerichtshof gab der Klage statt. Nicht nur sieht das oberste Berufungsgericht für Strafsachen in dieser Entscheidung nun einen Verfassungsbruch. Es werden darüber hinaus auch gegen die Richter des Staatsgerichtshofs Ermittlungen wegen strafbaren Verhaltens eingeleitet.
"Dass ein Strafgericht Ermittlungen gegen Richter eines Verfassungsgerichtes einleiten lässt, weil es deren Entscheidung als verfassungswidrig beurteilt, ist in rechtstaatlicher Hinsicht nicht hinnehmbar", sagt von Raumer. Schon länger stellt sich das Verfassungsgericht den Plänen der Regierung für einen Umbau des Staates in den Weg. Der Vorsitzende der Regierungspartei MHP forderte bereits mehrfach eine Abschaffung des Verfassungsgerichts. "Spätestens jetzt müssen die Alarmglocken schrillen", so der Rechtsanwalt. In einem Rechtsstaat dürfe die Souveränität der Gerichte nicht derart untergraben werden. Eine unabhängige Justiz sei unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie.
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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 40/23 vom 15. November 2023
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. November 2023
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