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GRUNDGESETZ/073: Anwaltsverein kritisiert Maßnahmen zur Inneren Sicherheit (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 1. Mai 2008

Die Anwaltschaft auf der Seite der Freiheit

- DAV-Kritik an Maßnahmen zur Inneren Sicherheit -


Berlin (DAV). Anlässlich des 59. Deutschen Anwaltstages in Berlin kritisiert der Deutsche Anwaltverein (DAV), dass der Staat in der Wahrnehmung seines Sicherheitsprogramms unbeirrt voranschreitet, ohne die Freiheit in angemessener Weise zu berücksichtigen. Konkret nennt der DAV das von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble den Ländern vorgelegte BKA-Gesetz, welches Vorkehrungen für heimliche Onlinedurchsuchungen, die Aushöhlung der Verschwiegenheitspflicht der Berufsgeheimnisträger und einen umfassenden Spähangriff ermöglichen soll.

"Alle vorgesehenen Maßnahmen greifen weiter und tiefer in den grundgesetzlich verankerten Schutz der Privatsphäre ein und stellen die Bürgerinnen und Bürger unter den Generalverdacht, potenzielle Straftäter zu sein", erläutert Rechtsanwalt Hartmut Kilger, DAV-Präsident, auf dem Anwaltstag. Der Teufel steckt hier durchaus auch im Detail. Trotz entgegenstehender Beteuerung steht sehr in Frage, ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wirklich eingehalten werden. Das aber ist unbedingte Vorgabe! "Wir wollen den Freiheits- und Rechtstaat, wie wir ihn kennen - er darf nicht zum ausschließlichen Sicherheitsstaat werden", so Kilger weiter.

Stellt sich der Gesetzgeber selbst ein gutes Zeugnis aus, wenn er am 1. Januar 2008 eine Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung in Kraft setzt, die durch den BKA-Gesetz-Entwurf schon wieder in Frage gestellt wird: War dort noch das Berufsgeheimnis des Bürgers bei Strafverteidigern und Geistlichen geschützt, sollen nun auch diese Kommunikationsfreiräume für staatliche Überwachungsräume geöffnet werden. Demnach sollen Berufsgeheimnisträger unter bestimmten Umständen nicht mehr zur Verweigerung der Auskunft berechtigt sein (Paragraph 20 u BKAG-E).

"Dass Terroristen ihre Absicht, einen Anschlag oder eine Geiselnahme zu verüben, vor einem Pfarrer, Anwalt oder Abgeordneten verraten würden, ist sicher nicht wahrscheinlich", so Kilger zu den Plänen. Werde das Vertrauensverhältnis der Bürgerinnen und Bürger in das Beicht- und Anwaltsgeheimnis relativiert, wäre dies das Ende der vertraulichen Gespräche mit Vertretern dieser Berufsgruppen. Zudem sei die widersprüchliche und willkürliche Differenzierung zwischen den Berufsgeheimnisträgern nicht gerechtfertigt. Vielmehr sei eine Gleichbehandlung aller Berufsgeheimnisträger mit weitestgehendem Schutz vor Auskunftspflichten und Überwachungsmaßnahmen erforderlich.

Mit der sogenannten Verstrickungsregelung (Paragraph 20 u Abs. 4 BKAG-E) werden Späh- und Lauschangriffe auf sämtliche zeugnisverweigerungsberechtigte Personen möglich gemacht. So soll durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen auch das privat gesprochene Wort einer "Kontakt- oder Begleitperson" abgehört und aufgezeichnet werden. Von Berufs wegen können aber Berufsgeheimnisträger wie insbesondere Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten in Kontakt zu Terrorverdächtigen stehen. Zwar regelt Paragraph 20 u BKAG-E, dass Späh- und Lauschangriffe auf Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete unzulässig sind und diese Angriffe gegen die übrigen Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte und Ärzte nur in bestimmten Grenzen durchgeführt werden dürfen. Jedoch soll dieser Schutz nicht gelten, "sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person für die Gefahr verantwortlich ist". Mit dieser - völlig unbestimmten - "Ausnahme von der Ausnahme" wird das Tor für Späh- und Lauschangriffe auf Berufsgeheimnisträger geöffnet. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass buchstäblich sämtliche Vertrauensbereiche staatlichem Zugriff unter dem Vorwand, nichts dürfe unaufgeklärt bleiben, geöffnet werden.

"Ohne kommunikative Freiräume gibt es keinen demokratisch verfassten Rechtstaat." So warnt Kilger. "Die klare Linie des Bundesverfassungsgerichts, in sie nur einzugreifen, wenn der Eingriff wirklich geeignet, echt erforderlich und vor allem verhältnismäßig ist, sollten wir alle unbedingt einhalten."


Der 59. Deutsche Anwaltstag ist seit 1945 zum fünften Mal zu Gast in Berlin. Rund 1.800 Anwältinnen und Anwälte, Vertreter der Politik und Wissenschaft, der Justiz und der Presse diskutieren auf rund 35 Veranstaltungen über zahlreiche berufspolitische und rechtspolitische Anliegen der Anwaltschaft. Der DAT steht unter dem Motto "Die Anwaltschaft - auf der Seite der Freiheit".


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Quelle:
Pressemitteilung DAT 01/08 vom 1. Mai 2008
Presseerklärungen anlässlich der Pressekonferenz des
59. Deutscher Anwaltstag in Berlin (1. bis 3. Mai 2008)
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel. 030/72 61 52-1 29, Fax 030/72 61 52-1 93
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2008