Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

INTERNATIONAL/042: Kenia - Justizreformen, Hohe Richterin will gegen Korruption durchgreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011

Kenia: Radikale Justizreformen - Hohe Richterin will gegen Korruption durchgreifen

von Protus Onyango

Richterin Nancy Baraza - Bild: © Protus Onyango/IPS

Richterin Nancy Baraza
Bild: © Protus Onyango/IPS
Nairobi, 14. November (IPS) - Nancy Baraza ist die erste Frau Kenias, die es zur Vizevorsitzenden des Obersten Gerichtshofs gebracht hat. Die prominente Juristin hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie will die Justiz des ostafrikanischen Landes von Grund auf reformieren.

Dem kenianischen Rechtssystem wird häufig Korruption und Ineffizienz vorgeworfen. Außerdem leidet es unter obsoleten Bestimmungen und einem gravierenden Personalmangel. In dem Staat mit rund 40 Millionen Einwohnern gibt es nur etwa 700 Richter. In Deutschland kommen nach amtlichen Angaben auf knapp 82 Millionen Menschen rund 20.100 Richter.

Kenianischen Justizbeamten, die sich den Veränderungen widersetzen sollten, hat Baraza bereits mit Disziplinarmaßnahmen und Kürzungen gedroht. "Wir werden radikale, aber notwendige Reformen umsetzen, um die Korruption zu beseitigen und größere Effizienz und Fairness zu erreichen", erklärte die Richterin im Gespräch mit IPS.

Außer dem Obersten Richter Willy Mutunga und seiner Stellvertreterin Baraza sind an dem Gerichtshof fünf weitere Richter tätig. Sie sollen für die Umsetzung der 2010 in Kraft getretenen neuen Verfassung und ein unabhängiges Justizsystem sorgen. Zu ihnen gehört Richterin Nancy Njoki Ndungu. Die ehemalige Parlamentsabgeordnete war auch Mitglied des Expertenausschusses, der die neue Verfassung entworfen hat.

Wie Baraza ankündigte, werden die Qualifikationen und Kompetenzen aller Justizbeamten in Kürze überprüft. Radikale Versetzungen schließt die Richterin nicht aus, um mögliche 'Kartelle' aufzubrechen, die sich den geplanten Veränderungen widersetzen könnten. "Diejenigen, die sich gegen Reformen stellen, werden auf der Strecke bleiben", betonte sie.


Einsatz für die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten

Die Juristin war zuvor über viele Jahre Exekutivdirektorin der Kenianischen Menschenrechtskommission und Vorsitzende des Anwältinnenverbands, der sich für Frauenrechte engagiert. Darüber hinaus setzt sie sich für sexuelle Minderheiten ein, die in dem ostafrikanischen Land weitgehend rechtlos sind. Sie arbeitet zurzeit an einer Dissertation über die Rechte von Homosexuellen und fand im Zuge ihrer Forschungen heraus, dass Homosexuelle in Kenia praktisch keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung haben.

Christine Mango, Vizevorsitzende des Ausschusses für juristische Dienste (JSC), der die Richter ernennt, schätzt Baraza für ihr Durchsetzungsvermögen. "Als wir sie für den Posten in die engere Wahl zogen, gab es Beschwerden, sie habe ein Faible für Schwule und Lesben und werde ihre Position vor allen dazu nutzen, um deren Rechte zu stärken", berichtete sie. Doch die Richterin habe längst unter Beweis gestellt, dass sie Kenias Justizwesen in die richtige Richtung lenke.


Aufarbeitung von einer Million Fälle

Als dringliche Aufgabe sieht Baraza in den nächsten sechs Monaten die Aufarbeitung von mehr als einer Million Fällen, die sich in den Gerichten angestaut haben. Allein am kenianischen High Court sind über 2.000 Verfahren anhängig. Einige Prozesse liegen seit 20 Jahren auf Eis, weil Akten verloren gegangen sind.

Der High Court verhandelt Zivil- und Strafrechtsfälle. Er entscheidet außerdem über die Auslegung der Staatsverfassung und ist eine Berufungsinstanz für die untergeordneten Gerichte. Seit Barazas Ernennung sind bereits mehr als 60 Millionen Seiten Prozessakten des High Court aus den Jahren 1999 bis 2010 digitalisiert worden.

Zu den wichtigsten Reformvorhaben gehören die Einrichtung von 14 neuen Gerichten in entlegenen Teilen des Landes und die digitale Erfassung aller Arbeitsabläufe. Baraza zufolge soll es schon bald möglich sein, über SMS Informationen zu Verfahren zu erhalten. Der Oberste Gerichtshof werde schon bald völlig papierfrei arbeiten, versprach sie. Außerdem sollen Fälle auf elektronischem Weg an den High Court und das Berufungsgericht verwiesen werden. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.judiciary.go.ke/
http://www.khrc.or.ke/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105789

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011