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INTERNATIONAL/116: Mexiko - Sammelklage gegen Öffnung der nationalen Ölindustrie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013

Mexiko: Sammelklage gegen Öffnung der nationalen Ölindustrie

Von Emilio Godoy


Bild: Mit der freundlichen Genehmigung von Pemex

Kollektivklage gegen Abkommen mit ausländischen Konzernen heizt Debatte um Mexikos Energiereformpläne an
Bild: Mit der freundlichen Genehmigung von Pemex

Mexiko-Stadt, 26. November (IPS) - Während die Regierung in Mexiko an ihren Plänen zur Öffnung der nationalen Erdölindustrie für ausländische Unternehmen festhält, gehen Gemeinden und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) rechtlich gegen Verträge vor, die internationale Konzerne an den Gewinnen bestimmter Ölquellen beteiligen.

Mit Sammelklagen wehren sie sich derzeit gegen drei von insgesamt elf Abkommen, die das staatliche Erdölunternehmen Pemex mit privaten ausländischen Unternehmen zur Ausbeutung der Ölfelder im Südosten des Landes eingegangen ist. Die Verfahren, über die noch in diesem Jahr entschieden werden soll, gelten als Testballons im Kampf gegen die umstrittene staatliche Energiereform.

Die von den internationalen Märkten lang ersehnte Reform soll in den kommenden Monaten vom mexikanischen Parlament verabschiedet werden. Pemex war im Jahr 1938 vom damaligen Präsidenten Lázaro Cárdenas verstaatlicht worden und viele Mexikaner wollen, dass es dabei bleibt.

Die elf Verträge berechtigen private internationale Firmen zur Ausbeutung von Erdölfeldern in den Bundesstaaten Tabasco und Veracruz. Dabei handelt es sich um weitgehend ausgereizte oder marginalisierte Lagerstätten - um solche, die seit Jahren ausgebeutet werden und langsam zur Neige gehen, aber mit Hilfe neuer Technologien wieder reaktiviert werden könnten.

Doch die Kritiker stoßen sich an einer Klausel, die die internationalen Unternehmen prozentual am Verkaufserlös beteiligt, der auf internationalen Marktpreisen basiert. "Die Zugeständnisse sind verfassungswidrig, weil sie zum Verlust staatlicher Erdöleinnahmen führen", meint René Sánchez, Koordinator der Organisation 'Colectiva', die zu den Klägern gehört. "Sie beeinträchtigen den Wohlstand unseres Landes und ermöglichen den Unternehmen extrem hohe Profite."


Präzedenzfall

Eine Gruppe von Einzelpersonen und Organisationen hatte 2011 und 2012 zwei Kollektivklagen gegen die ersten drei Verträge eingereicht, die Pemex mit ausländischen Investoren eingegangen ist. Erwartet wird, dass noch vor Ende des laufenden Jahres ein Bundesrichter über den Fall entscheidet. Das Urteil gilt als Präzedenzfall für das Schicksal der übrigen Verträge.

Bei den beteiligten Unternehmen handelt es sich um den britischen Konzern 'Petrofac' und das französisch-US-amerikanische Konsortium 'Dowell Schlumberger'. Petrofac hatte 2011 zwei Verträge, die mexikanische Niederlassung von Dowell Schlumberger einen Vertrag unterzeichnet. Alle drei Abkommen betreffen die Erdölproduktion im Bundesstaat Tabasco.

Seit der Verfassungsreform von 2010 sind in Mexiko Sammelklagen erlaubt. Nach dem Gesetz können Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen, die sich von einer Regierungsentscheidung benachteiligt sehen, auch in Fällen, in denen sie selbst nicht direkt betroffen sind, eine Sammelklage einreichen. Ein Jahr später wies der Oberste Gerichtshof den Versuch des Parlaments, die Ölverträge mit fünf Privatfirmen anzufechten, als verfassungswidrig zurück. Zur Begründung hieß es, die Legislative sei keine betroffene Partei.

In seinem Urteil ging der Oberste Gerichtshof nicht auf die in dem Fall zugrundeliegende Fragestellung ein: ob die Verträge verfassungswidrig sind. Wohl aber hieß es in dem Richterspruch, dass in den Verträgen keine Zahlungen festgelegt werden könnten, die den ausländischen Vertragspartnern einen Prozentsatz des Verkaufswertes in Aussicht stellen.

Pemex hat im letzten Jahrzehnt damit begonnen, multiple Dienstleistungsabkommen zur Exploration und Förderung der fossilen Brennstoffe zu schließen. Als Gegenleistung wurden die Vertragspartner prozentual an der Aussbeute beteiligt. Es ging unter anderem um die Exploration und Förderung von Gas im Burgos-Becken, das sich über die nordmexikanischen Bundesstaaten Nuevo León, Coahuila und Tamaulipas erstreckt.

2008 verabschiedete das Parlament eine Reform des Pemex-Rechtsrahmens, die unter anderem darauf abzielte, die Einflussnahme der Legislative auf den Firmenvorstand zu vergrößern, die Verwaltung des Unternehmens zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen. Doch diese Reform führte zu einer Überregulierung. So gelten für das Unternehmen um die 2.000 unterschiedliche Regeln. "Nur wenige Unternehmen haben Interesse an solchen Verträgen, und die Produktion und Reserven Mexikos nehmen ab", meinte dazu Miriam Grunstein vom Zentrum für wirtschaftliche Forschung und Lehre (CIDE) gegenüber IPS.


Abstieg eines Unternehmens

Pemex steckt seit einigen Jahren in der Krise. Die Produktion ist gesunken, die Exporte sind zurückgegangen, die Schulden gestiegen. Darüber hinaus musste immer mehr Öl aus dem Ausland importiert werden, um die Nachfrage befriedigen zu können. Dies führte dazu, dass der Staatsbetrieb im Zeitraum von 2004 bis 2011 von dem sechsten auf den elften Platz der weltgrößten Ölfirmen abgestiegen ist, wie aus dem Buch 'Das Mexikanische Öl. Eine beschlagnahmte Industrie' hervorgeht. Autor ist Roberto Ortega, ein ehemaliges Pemex-Vorstandsmitglied.

Pemex selbst platziert sich auf Rang vier der weltgrößten Ölförderer und listet sich als drittgrößten Öllieferanten der USA. In der US-amerikanischen Zeitschrift 'Fortune' wurde der Konzern im vergangenen Jahr auf Platz 34 der weltgrößten Konzerne überhaupt eingestuft. Pro Tag fördert das Unternehmen 2,5 Millionen Barrel Öl. Nach eigenen Angaben erzielte das Unternehmen 2012 Einnahmen in Höhe von 127 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil des Geldes geht direkt an den Staat - 33 Prozent des Staatshaushaltes werden durch die Öleinnahmen erzielt. Dadurch hat Pemex kaum Eigenkapital, um in Infrastruktur oder die Entwicklung neuer Technologien zu investieren.

Grunstein zufolge ist eine Diskussion um eine Modernisierung des Unternehmens dringend erforderlich. "Es geht um Fragen der Sicherheit, Gesundheit und Umwelt. Privates Kapital zuzulassen, könnte gesund für die Firma sein", sagt sie und fügt hinzu: "Aber es ist auch nicht so, dass Privatkapital grundsätzlich gut ist und staatliches Kapital grundsätzlich schlecht." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:
http://www.ipsnews.de/news/news.php?key1=2013-02-22 17:25:04&key2=1
http://www.ipsnews.net/2013/11/legal-battles-against-opening-up-mexicos-oil-industry/
http://www.ipsnoticias.net/2013/11/batallas-legales-contra-apertura-petrolera-en-mexico/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2013