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INTERNATIONAL/352: Brasilien - Justiz soll möglichen Genozid an Yanomami untersuchen (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Brasilien

Justiz soll möglichen Genozid an Yanomami untersuchen


(31. Januar 2023, La Diaria) - Luís Roberto Barroso, Richter am Obersten Bundesgericht Brasiliens, hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes angewiesen, zu untersuchen, ob Staatsorgane während der Regierung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro einen Völkermord an der indigenen Gemeinschaft der Yanomami begangen haben. Da das Ermittlungsverfahren noch läuft, wurden bisher keine Namen von verdächtigten Personen bekannt gegeben.

Die Untersuchung soll ebenso feststellen, ob in diesem Zusammenhang auch Gerichtsurteile missachtet, Geheimnisse verletzt und Umweltverbrechen begangen wurden. Laut Barroso könnte ein Urteil des Obersten Bundesgerichts missachtet worden sein. In diesem war die Regierung verpflichtet worden, dafür zu sorgen, dass etwa 20.000 illegale Bergleute das Schutzgebiet der Yanomami verlassen. Damit sollte verhindert werden, dass Bergleute die dort lebende Bevölkerung mit Covid-19 infizieren, berichtet die spanische Nachrichtenagentur Efe. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass die Weitergabe von Informationen über geplante Maßnahmen gegen den illegalen Bergbau ermöglicht hätte, dass Bergleute die Kontrollen umgehen konnten. Grundlage für die Entscheidung des Richters waren Informationen, die dem Gericht von der brasilianischen Regierung und der indigenen Organisation Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (APIB) vorgelegt wurden. Wie in den letzten Tagen berichtet, leiden tausende Yanomami an Unterernährung, Wasserverschmutzung und verschiedenen Krankheiten, die in den letzten vier Jahren den Tod von 570 Kindern verursacht haben. Die Krise veranlasste die Regierung, für das etwa zehn Millionen Hektar große Gebiet der Yanomami einen "Gesundheitsnotstand" auszurufen. Etwa 27.000 Menschen leben hier.

Das Magazin Carta Capital berichtet, dass Barroso der Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva eine Frist von 30 Tagen eingeräumt hat, um eine Bewertung der Lage in dem indigenen Gebiet sowie eine Strategie und einen Zeitplan für die Bekämpfung des illegalen Bergbaus vorzulegen. Dieser, insbesondere der Goldbergbau, ist für die Quecksilberverschmutzung der Flüsse in der Region verantwortlich. Für Barroso zeigen die vorgelegten Daten ein "sehr ernstes und besorgniserregendes Bild, das darauf hindeutet, dass hier Gesetze missachtet und zahlreiche illegale Handlungen begangen wurden."

Verteidigungsminister José Mucio kündigte einen Besuch mit Befehlshabern der Streitkräfte im Bundesstaat Roraima an, um Einsatzkräfte zu unterstützen, die von der Regierung mit der Bekämpfung des illegalen Bergbaus beauftragt worden waren. Er fügte hinzu, dass verschiedene Einheiten spezielle Aufgaben übernehmen werden: Die Armee wird Kriminelle identifizieren, die Marine wird die Flüsse kontrollieren und die Luftwaffe wird den Luftraum überwachen. "Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen aller Institutionen, damit wir das Problem lösen können. Es ist eine Tragödie. Bevor wir [die Verantwortlichen] finden, müssen wir diese Bevölkerung retten", sagte Barroso dem brasilianischen Fernsehsender BandNews TV. Ende Januar beschlagnahmten Militär und Polizei 24 Flugzeuge von Goldsuchern. Laut Efe sagte die Polizei, dass weitere Flugzeuge während der Operationen zerstört wurden.


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 14. Februar 2023

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