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MELDUNG/198: Petition Rente für Gefangene wird verschleppt (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Pressemitteilung vom 10. Juli 2012

Rente für Gefangene:

Petitionsausschuss verschleppt Forderung von Menschenrechtsorganisationen und über 5.300 Petenten



Das Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert die Bundesregierung erneut auf, die Einbeziehung arbeitender Strafgefangener in das Rentenversicherungssystem endlich umzusetzen. Das Grundrechtekomitee hatte im Mai 2011 eine Petition für die Einbeziehung Strafgefangener in die Rentenversicherung gestartet (Pet 3-17-11-8213-024157), die inzwischen von über 5.300 Personen getragen wird. Darunter sind über 3.200 Strafgefangene aus etwa 60 Justizvollzugsanstalten. Der Petitionsausschuss hat nun - über ein Jahr nach Einreichen der Petition - erneut mitgeteilt, dass die Behandlung der Petition "noch längere Zeit dauern" werde. Die Berichterstatter hätten ihre Voten noch nicht abgegeben.

Die fortgesetzte Verschleppung dieser für viele Gefangenen existentiellen Forderung hält das Grundrechtekomitee für einen Skandal. Die Exklusion der Gefangenen aus den Sozialsystemen muss beendet werden. Die Einbeziehung von Gefangenen war vom Gesetzgeber bereits im Strafvollzugsgesetz von 1976/77 vorgegeben, ist aber nie realisiert worden. Das besondere Bundesgesetz, mit dem der Einbezug von Gefangenen in die sozialen Versicherungssysteme gewährleistet werden sollte, ist bis heute nicht erlassen worden. In den Paragraphen 190-193 des Strafvollzugsgesetzes war bereits im Einzelnen geregelt worden, welche Sozialversicherungsgesetze wie geändert werden müssten, um die Gefangenen in die Sozialsysteme einzubeziehen. Vgl. http://www.gesetzesguide.de/stvollzg.html#stvollzg190

Trotz der Föderalismusreform, durch die die Strafvollzugsgesetzgebung Ländersache geworden ist, ist der Bundesgesetzgeber nach wie vor dafür zuständig, die Gruppen zu bestimmen, die von den sozialen Versicherungssystemen umfasst werden. Im Musterentwurf von zehn Ländern für ein neues Strafvollzugsgesetz wird die Bedeutung der Resozialisierung besonders hervorgehoben. Die vorgesehenen Gesetzesbestimmungen bleiben allerdings Makulatur, wenn sie nicht materiell unterfüttert werden. Dazu gehört die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherungssysteme. Auch die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze von 2006 fordern in Punkt 26.17 die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die staatlichen Sozialversicherungssysteme.

Das Grundrechtekomitee sieht im Ausschluss der Gefangenen aus der Rentenversicherung sowohl die Würde der arbeitenden Gefangenen und deren Resozialisierungschancen angetastet als auch das Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip verletzt. Der Gesetzgeber habe sich im Strafvollzugsgesetz von 1976/77 mit der gesetzlichen Festlegung der Einbeziehung Gefangener in die Rentenversicherung einer Selbstbindung unterworfen. Es ist höchste Zeit, die gegebene Zusage einzulösen. Alle politischen Parteien sind aufgefordert, die Einbeziehung von Gefangenen in die Rentenversicherung in ihre Wahlprogramme aufzunehmen.

Die Petition wird von vielen Organisationen, die in der Gefangenenhilfe aktiv sind, unterstützt, u.a. von folgenden:

  • Arbeitskreis Kritischer Strafvollzug e.V., Münster
  • Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) e.V.
  • Deutsche Bewährungshilfe: DBH-Fachverband e.V.
  • Der Lichtblick, Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
  • Humanistische Union e.V.
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
  • Neue Richtervereinigung
  • Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen, Berlin
  • Strafvollzugsarchiv e.V., Bremen
  • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
  • Vorstand der Holtfort-Stiftung, Laatzen
  • Institut für Konfliktforschung, Hamburg

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Quelle:
Pressemitteilung vom 10. Juli 2012
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Aquinostr. 7-11, 50670 Köln
Telefon: 0221/9726920
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012