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MELDUNG/684: Bundesverfassungsgericht bestätigt - Vorratsdatenspeicherung unzulässig (Digitalcourage)


Digitalcourage e.V. - Pressemitteilung vom 30. März 2023

Bundesverfassungsgericht bestätigt: Vorratsdatenspeicherung unzulässig


Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt mit einem heute veröffentlichen Beschluss die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 20. September 2022, nach der das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung unanwendbar und mit EU-Recht unvereinbar ist.

Die Verfassungsbeschwerde von Digitalcourage wurde für unzulässig erklärt, mit der Begründung, dass die angegriffene Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr anwendbar ist. Die für ungültig erklärte Norm hatte eine anlasslose Speicherung sämlicher Verbindungsdaten von Anrufen, SMS und IP-Adressen samt Standortinformation vorgesehen. Und zwar nicht von Verdächtigen, sondern von der gesamten Bevölkerung.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterstreicht nun noch einmal, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keine Rechtswirkung mehr entfaltet und nicht mehr angewendet werden kann.

padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage dazu:
"Es ist traurig, dass immer wieder Gerichte die Vorratsdatenspeicherung kippen müssen, stattdessen muss das Parlament sich klar dagegen aussprechen. Denn anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten ist keine rechtsstaatliche Ermittlungsmaßnahme, sondern - egal wie man es dreht oder wendet - eine Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung."

Rena Tangens, Gründungsvorstand von Digitalcourage zum Urteil:
"Diese Überwachungsmaßnahme ist eine Gefahr für unsere Freiheit - sie hat keinen Platz in einer Demokratie. Das ist vom EuGH und nun auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden. Der Gesetzgeber muss diese Gesetzesleiche jetzt konsequenterweise auch endlich streichen."

Konstantin Macher von Digitalcourage:
"Mit seinem Urteil bestätigt und bekräftigt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung und stellt klar: es gibt keine Spielräume im deutschen Recht dafür, trotzdem eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Wir fordern von der Politik diesen Schlussstrich unter die Vorratsdatenspeicherung endlich zu akzeptieren."

Julia Witte von Digitalcourage:
"Die Ampel hat im Koalitionsvertrag versprochen eine rechtstaatliche Regelung zum Thema Vorratsdatenspeicherung zu finden. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt bestätigt: das kann nur heißen die Vorratsdatenspeicherung zu streichen."


Hintergrund

Im Februar 2018 wurde eine aktuell noch laufende Verfassungsbeschwerde (BVer2683/16) von Digitalcourage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Mehr als 37.000 Menschen haben die Klage mit unterzeichnet und über 20 prominente Mitbeschwerdeführer.innen unterstützen sie - neben Rena Tangens und padeluun von Digitalcourage, sind dies u.a. der Kabarettist Marc-Uwe Kling, der ex-Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, die Schriftstellerin Juli Zeh, der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Europaabgeordnete Patrick Breyer, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall sowie der Jurist und Publizist Rolf Gössner, Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte.

Am 20. September 2022 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt: Eine Speicherung von Verbindungsdaten ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen - auch wenn nur für einen kurzen Zeitraum gespeichert wird (siehe C-793/19). Daher ist die anlasslose Vorratsdatenspeicherung mit europäischen Grundrechten nicht vereinbar. Geklagt hatte u.a. der deutsche Internetprovider SpaceNet AG, die Klage richtete sich gegen die (seit 2017 ausgesetzte) deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung.

Seit 2002 kämpft Digitalcourage e.V. (damals FoeBuD) gemeinsam mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen die Vorratsdatenspeicherung: mit einer ganzen Reihe von Großdemos unter dem Motto "Freiheit statt Angst", mit Argumenten, Aufklärung, Kreativität und vielen Aktionen, sowie mit einer ganz breiten Bewegung von Bündnispartner.innen. Digitalcourage war bereits an der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) beteiligt, die 2010 erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum ersten Mal zu Fall gebracht hat.


Weiterführende Informationen:

Chronik der Vorratsdatenspeicherung:
https://digitalcourage.de/vorratsdatenspeicherung/chronik-vorratsdatenspeicherung

Zusammenfassung des EuGH-Urteils zur Vorratsdatenspeicherung vom 20. September 2022:
https://digitalcourage.de/blog/2022/kurzanalyse-vds-urteil

Unsere Argumente gegen die Vorratsdatenspeicherung:
https://digitalcourage.de/vorratsdatenspeicherung/5-minuten-info-vorratsdatenspeicherung

Digitalcourage
Digitalcourage engagiert sich seit 1987 für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. Wir sind technikaffin; doch wir wehren uns dagegen, dass unsere Demokratie "verdatet und verkauft" wird. Wir klären auf und mischen uns in Politik ein. Digitalcourage ist gemeinnützig, finanziert sich durch private Spenden und lebt durch die Arbeit vieler Freiwilliger.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 30. März 2023
Digitalcourage e. V.
Marktstraße 18, 33602 Bielefeld
Telefon: +49 521 1639 1639, Fax: +49 521 61172
E-Mail: mail@digitalcourage.de
Internet: www.digitalcourage.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 31. März 2023

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