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STRAFRECHT/388: Urteil im Prozeß gegen Totalverweigerer ergangen (asfrab)


Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. - 14. Januar 2010

TKDV-Prozeß gegen Stefan G. in Berlin


Heute am 14. Januar 2010 verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Stefan G. wegen Zivildienstflucht zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich soll er 600 (!) Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Das Gericht hat das Erwachsenenstrafrecht gegen den 1981 geborenen Totalverweigerer angewandt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Ungefähr 15 Zuschauer folgten, neben Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Richter, der mehr als 20 Minuten dauernden detaillierten Einlassung des Totalverweigerers. Nach seinen Ausführungen attestierte die Jugendgerichtshilfe Stefan G. die entsprechende "Reife" für eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht. Dem schloss sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Richter an. Die konsequente Kriegsdienstverweigerung, mit der sich der Betroffene gegen den Ersatzdienst zur Wehr setzte und dem Zivildienst fernblieb, wurde von der Staatsanwaltschaft als schwerwiegende Straftat bezeichnet, die nur mit Freiheitsstrafe geahndet werden könne. Sie forderte sechs Monate Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung auf zwei Jahre.

Richter Aufermann erkannte auf den Verstoß nach § 53 ZDG (Dienstflucht) und verurteilte Stefan G. zu 4 Monaten Freiheitsentzug, ausgesetzt zur Bewährung auf zwei Jahre, sowie 600 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Dieser zeitliche Umfang entspräche genau der Zeit, die der Totalverweigerer als Zivildienstleistender versäumt habe, so begründete der Richter die ungewöhnlich hohe Zwangsarbeitsstundenzahl. Zu Gunsten des Totalverweigerers wertete der Richter, dass er eine Grundsatzentscheidung getroffen habe, jedoch müsse die Strafe derart ausfallen, weil die Verweigerung des Zivildienstes ja nicht mit milder Strafe belohnt werden dürfe..."wenn das alle machen würden." Klar wurde, dass er mit der Verurteilung und der Höhe der Strafe Nachahmer abschrecken wollte. Gleichzeitig versuchte der Richter Stefans Argumente gegen Krieg und Kriegsdienste zu relativieren und abzuwerten: Er würde schließlich auch Fanta trinken, somit Steuern zahlen und indirekt den Kriegsdienst, die Rüstung und letztendlich den Krieg in Afghanistan unterstützen.

Der Berliner wurde im August 2009 zum Zivildienst einberufen. Den Zwangsdienst trat er für zwei Wochen an. Seine Entscheidung, total zu verweigern, stand aber bereits mit der Einberufung fest. Er teilte gegenüber der Einberufungsbehörde und seiner Dienststelle mit, dass er den Zivildienst nicht leisten werde. Die "Wehrpflicht und demzufolge auch der Zivildienst haben Krieg zur Bedingung". Der Zivildienst "verschleiere jedoch diesen Zusammenhang, indem er als soziales Produkt beschworen wird." Als Kriegsdienstverweigerer könne er einen Kriegsdienst nicht leisten. Außerdem "ist der Wehr-/Zivildienst ein staatlicher Angriff auf die Freiheit und Individualität des Menschen". Niemand habe das Recht, "jemandem vorzuschreiben, wie man sein Leben zu gestalten hat" und niemand habe das Recht, derart in die Grundrechte einzugreifen.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2010