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VERKEHR/634: Fahrerlaubnis darf nicht wegen Schwerhörigkeit entzogen werden (DAV)


Pressedienst der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) - Berlin, 21. April 2016

Ressort: Justiz/Verkehr

Fahrerlaubnis darf nicht wegen Schwerhörigkeit entzogen werden


Neustadt/Berlin (DAV). Auch einem älteren Autofahrer darf nicht ohne Weiteres wegen Schwerhörigkeit der Führerschein abgenommen werden. Auch dann nicht, wenn er sich geweigert hat, ein ärztliches Gutachten über seine Fahrtauglichkeit beizubringen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 28. Januar 2016 (AZ: 3 L 4/16.NW).

Der 1930 geborene Mann beantragte bei der Fahrerlaubnisbehörde die Umstellung seines Führerscheins von 1962 in die neuen Führerscheinklassen. Bei einem persönlichen Gespräch stellte eine Behördenmitarbeiterin fest, dass der Mann ein Hörgerät trug. Nach der positiv beantworteten Frage, ob er mit dem Hörgerät gut zurechtkomme, forderte die Mitarbeiterin den Autofahrer zur Vorlage eines ärztlichen Attestes zu seinem Hörvermögen auf. Das vorgelegte Attest eines HNO-Arztes bescheinigte dem Mann ein altersnormales Hörvermögen. Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten.

Die Behörde verlangte eine Ergänzung des Attests: Der Hörverlust müsse in Prozent nach der Tabelle von Röser enthalten sein. Die gewünschten Angaben reichte der Mann ebenfalls nach.

Daraufhin verlangte die Behörde das Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Sie setzte dem Mann eine Frist, die dieser verstreichen ließ. Daraufhin wurde ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen. Die Behörde begründete das unter anderem damit, dass der Mann ein Hörgerät trage. Nach dem ohrenärztlichen Attest liege ein Hörverlust von 56 Prozent des rechten und 100 Prozent des linken Ohrs vor. Deshalb bestünden an seiner Eignung zum Autofahren Zweifel. Aus diesem Grund habe sie das ärztliche Gutachten der Begutachtungsstelle angeordnet. Da der Mann das Gutachten nicht vorgelegt habe, müsse man davon ausgehen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Daher habe die Behörde ihm den Führerschein entzogen.

Der Autofahrer legte dagegen Widerspruch ein und wandte sich im Eilverfahren an das Gericht. Mit Erfolg. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Entziehung des Führerscheins offensichtlich rechtswidrig. Die Behörde habe zu Unrecht das Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle angeordnet. Es hätten keine Tatsachen vorgelegen, die klärungsbedürftige Zweifel an der Kraftfahreignung des Mannes aufwerfen. Laut Fahrerlaubnisverordnung komme eine Begutachtungsanordnung nur in Betracht, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung bestünden. Eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit generell und allein bedeuteten nicht, dass der Betroffene zum Autofahren nicht geeignet sei. Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolge überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt würden. Allein aufgrund des Alters dürfe eine solche Anordnung nicht erfolgen.

Informationen:
www.verkehrsrecht.de

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Quelle:
Pressemitteilung VerkR 15/16 vom 21. April 2016
Pressedienst der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2016

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