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VÖLKERRECHT/057: Gleiches Völkerrecht für alle (friZ)


friZ - Zeitschrift für Friedenspolitik 2/08 - Juni 2008

Gleiches Völkerrecht für alle

Vom Völkerrecht profitieren nicht nur die gut 200 Staaten der Erde, sondern auch deren BürgerInnen. Doch das Völkerrecht ist noch lange nicht perfekt.

Von Detlev Bruggmann


In Bezug auf das Völkerrecht sind wir SchweizerInnen ein Volk der geteilten Meinung. Zum einen war die Geschichte unseres Staates immer wieder eng verknüpft mit dem Internationalen Recht, wie das Völkerrecht auch genannt wird: Dem Wiener Kongress 1815 verdankt die moderne Schweiz ihre Souveränität und Neutralität, Henry Dunant und die Rotkreuzbewegung trugen entscheidend zum Durchbruch des Humanitären Völkerrechts bei, Genf wurde 1920 Sitz des Völkerbundes und 1945 der Nachfolgeorganisation Vereinte Nationen. Auf diese humanitäre und diplomatische Tradition der Schweiz sind wir gerne stolz.

Zum anderen aber wollte die Schweiz lange nicht ganz dazugehören: Den Uno-Beitritt schafften wir nur ganz knapp als vorletztes Land, zahlreiche internationale Abkommen (v.a. im sozialen und menschenrechtlichen Bereich) haben wir bisher nur mit Vorbehalt ratifiziert. Und der typisch schweizerische Reflex gegen die "fremden Vögte und Richter" ist ein Teil des Kapitals, mit dem die nationalkonservativen Kräfte in den letzten beiden Jahrzehnten ihre politischen Erfolge erreichen konnten.


Was gehört alles zum Völkerrecht?

Das internationale Recht ist ein über Jahrhunderte gewachsenes Sammelsurium verschiedenster Rechtsbereiche: Das Völkerstrafrecht, das Recht betreffend die Gewaltanwendung (durch die Staaten), die Menschenrechte, das Humanitäre Völkerrecht, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das Diplomaten- und Konsularrecht, das Umweltvölkerrecht, das Internationales Handelsrecht, das Weltraumrecht, das Luftfahrtrecht usw. ... und Institutionen:

Die Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof, der Internationale Seegerichtshof, die Uno-Menschenrechtskommission, die Haager Akademie für Völkerrecht, die Handelsorganisation WTO usw.


Wie funktioniert das Völkerrecht?

Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und nationalem Recht ist Thema des Artikels von Thomas Kirchschläger auf Seite 12 [in der Printausgabe], in dem der Autor darlegt, warum die Schweiz ein Völkerrecht braucht. Die Frage, wie das Völkerrecht funktioniert, beantwortet Anne Peters auf Seite 14. [Im Schattenblick unter: www.schattenblick.de -> Infopool -> Recht -> Fakten: VÖLKERRECHT/055: Wie funktioniert das Völkerrecht? (friZ)] Sie erläutert zunächst die materiellen und strukturellen Besonderheiten des Völkerrechts und geht dann auf die aktuellen politischen Herausforderungen und die Reaktionen des Völkerrechts darauf ein.


Woher kommt das Völkerrecht?

1648 Westfälischer Friede, 1713 Frieden von Utrecht, 1815 Wiener Kongress, 1864 Genfer Konvention, 1899 Haager Friedenskonferenz, 1907 Haager Landkriegsordnung, 1919 Völkerbund, 1945 Charta der Vereinten Nationen, 1948 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1949 Genfer Abkommen, 1966 UN-Menschenrechtspakte, 1982 Seerechtsübereinkommen, 1998 Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: Das sind die wichtigsten Stationen des Völkerrechts, dessen Geburt in der Regel auf das Jahr 1625 datiert wird, in dem der niederländische Philosoph und Rechtsgelehrte Hugo Grotius (1583-1645) seine Schrift "Über das Recht des Krieges und des Friedens" veröffentlichte.


Was fehlt im Völkerrecht?

Das Völkerrecht gilt für alle Staaten und betrifft respektive schützt alle Menschen vor deren Übergriffen. Nicht dem Völkerrecht unterstellt ist dagegen die Privatwirtschaft. Nicht einmal multinationale Konzerne müssen sich um die Einhaltung völkerrechtlicher Standards kümmern. Eva-Maria Belser rügt ab Seite 22 [in der Printausgabe] die fehlende völkerrechtliche Verantwortung der privaten Unternehmen und erklärt, weshalb heute der Umweg über US-amerikanische Gerichte (!) ein Erfolg versprechendes Mittel dagegen ist.



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Quelle:
friZ - Zeitschrift für Friedenspolitik 2/08 - Juni 2008, S. 10-11
Redaktion: friZ - Zeitschrift für Friedenspolitik
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2008