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DILJA/195: Mit den Mitteln der Strafverfolgung die Pressefreiheit aushöhlen (SB)


Polizeiwillkür gegen einen Journalisten in Berlin

Die Bemerkung "wird ja bestimmt wieder eine lange Nacht werden" soll angeblich den Verdacht einer Straftat begründen


Wie einer kurzen, in der jungen Welt veröffentlichten [1] Meldung zu entnehmen ist, wurde am vergangenen Donnerstag bei einem namentlich nicht genannten Journalisten in Berlin von der Polizei eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt. Zur Begründung gaben die Polizeibeamten vor, wegen "Nichtanzeigens einer Straftat" zu ermitteln. Tatsächlich hatte der Pressefotograph dem Zeitungsbericht zufolge gegenüber einem Staatsschutzbeamten lediglich gesagt, "wird ja bestimmt wieder eine lange Nacht werden". Da diese Äußerung im Zusammenhang zu einer Kundgebung stand, die in Berlin im Rahmen der "action weeks gegen Verdrängung und Gentrifizierung" durchgeführt wurde, sah die Polizei sich veranlaßt, gegen den Fotographen vorzugehen.

Wie eine dermaßen lapidare Äußerung einen Grundrechtseingriff wie eine Wohnungsdurchsuchung rechtfertigen kann, wird wohl das Geheimnis der Staatsschützer bleiben müssen. Ihrer Auffassung nach habe der Journalist mit diesen Worten Kenntnisse über Straftaten offenbart, die in derselben Nacht, wenn auch Stunden später, verübt wurden. Dabei soll es sich um Brandstiftungen bzw. Sachbeschädigungen gehandelt haben, bei denen in Berlin-Tempelhof sieben Autos der Postlogistiktochter DHL angezündet wurden.

Dieses Vorgehen gegen einen Journalisten steht in Zusammenhang zu einer bereits seit mehreren Jahren auszumachenden Praxis, seitens der Ermittlungsbehörden mit polizeilichen, als Strafverfolgung deklarierten Mitteln die Berufsausübung von Journalisten einzuschränken. Selbst wenn, wovon eigentlich auszugehen ist, ein unter Umständen gegen den Fotographen eingeleitetes Ermittlungsverfahren nicht zur Eröffnung eines Hauptverfahrens, geschweige denn zu einer Verurteilung wegen "Nichtanzeigens einer Straftat" führen würde, dürfte die polizeiliche Maßnahme ihre Wirkung dennoch nicht verfehlen.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung können unter dem Vorwand, vermeintliches Beweismaterial sicherzustellen, Materialien, Computer und weitere Unterlagen beschlagnahmt werden, was einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Journalisten darstellt auch dann, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt sein Eigentum zurückgegeben wird. Ein solcher Vorfall, zumal er sich, wie vermutet werden kann, unter Berufskollegen schnell herumspricht, stellt den Versuch dar, mit dem Instrumentarium des staatlichen Repressionsapparates gegen eine kritische Berichterstattung vorzugehen und Medienschaffende, die sich nicht dem Mainstream verpflichtet sehen, unter einen Generalverdacht zu stellen.

Wenn schon nichtssagende Worte, die von der Polizei ganz nach ihrem Gutdünken in einer Weise ausgelegt wurden, die ihrer Absicht, dem Fotographen einmal auf die Bude zu rücken, zweckdienlich zu sein scheint, zu einer solchen Drangsalisierung führen können, ist größte Sorge geboten angesichts einer keineswegs mehr schleichend zu nennenden Aushöhlung der Pressefreiheit, die sich als umso wirkmächtiger erweisen könnte, je banaler und unspektakulärer die Vorfälle in Erscheinung treten, mit denen sie sukzessive zu Grabe getragen wird.

[1] Berlin: Razzia bei Journalisten, junge Welt, 13.06.2009, S. 5

18. Juni 2009



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