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OFFENER BRIEF/007: Atomwaffen mit Völkerrecht nicht vereinbar (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 22. April 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Atomwaffen mit Völkerrecht nicht vereinbar

Klage gegen Hermann Theisen: Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Koblenz


Die IPPNW solidarisiert sich in einem gestern versendeten Offenen Brief an die Staatsanwaltschaft Koblenz mit dem Friedensaktivisten Hermann Theisen aus Heidelberg. Er hat SoldatInnen und Zivilbeschäftigte des Fliegerhorstes Büchel in unterschiedlichen Flugblättern aufgefordert, Befehle und Dienstanweisungen zu verweigern, die im Zusammenhang mit der Stationierung der US-Atomwaffen stehen. Und er informiert die Öffentlichkeit über die Hintergründe der geplanten Neustationierung von zielgenaueren Atombomben, die er als völkerrechts- und grundgesetzwidrig kritisiert.

Die Ärzteorganisation fordert die Bundesregierung auf, endlich den Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 2010 und den Willen einer überwältigenden Mehrheit der Menschen in Deutschland nach einem Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu erfüllen. Laut Forsa-Umfrage vom März 2016 unterstützen 85% der BundesbürgerInnen den Abzug der US-Atomwaffen, 93 % sogar ein Verbot aller Atomwaffen. Dann brächte die Regierung die Bundeswehr-SoldatInnen in Büchel auch nicht mehr in eine unhaltbare Rechtslage. Am 8. Juli 1996 hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag, die Androhung des Einsatzes und den Einsatz von Atomwaffen für generell völkerrechtswidrig erklärt. Für Hermann Theisen und die IPPNW ist die nukleare Teilhabe Deutschlands und die Aufrüstung der in Büchel stationierten Atomwaffen mit diesem Urteil unvereinbar.

"Die Staatsanwaltschaft Koblenz verfolgt den Atomwaffengegner Hermann Theisen wegen der Verteilung eines Flugblattes mit einer Übereifrigkeit, die den Verdacht erweckt, als gäbe es dabei eine politische Agenda", heißt es in dem Offenen Brief der IPPNW. Oberstaatsanwalt Schmengler kam im Sommer 2015 zu einer gegenteiligen strafrechtlichen Bewertung: "Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung). Nach zwei Verurteilungen zu Geldstrafen (80 und 40 Tagessätze in mehreren zum Teil zusammengezogenen Verfahren) durch das Amtsgericht Cochem sind Berufungsverfahren am Landgericht Koblenz anhängig. Die Staatsanwaltschaft Koblenz führt in ihrer Berufungsbegründung aus, dass "bei zutreffender Würdigung aller Strafzumessungsgründe" die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Bewährung notwendig sei. Damit nicht genug: Sie hat das Amtsgericht zu weiteren Anklagen bewegt.

Die IPPNW fragt in dem Offenen Brief: "Warum werden immer wieder Einzelpersonen herausgepickt und mit maßlosem Engagement über eine Rechtsinstanz nach der anderen verfolgt, statt sich mit der Kampagne gegen Atomwaffen in Deutschland politisch auseinanderzusetzen?" Die Bundesregierung scheut scheinbar die öffentliche Debatte über die Lagerung und Aufrüstung der Atomwaffen in Büchel sowie über eine Vereinbarkeit der Nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz. Die Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt" - mitgetragen von der IPPNW - wird weiterhin auf diesen rechtswidrigen Zustand hinweisen, bis er endlich aufgehoben wird. 20 Kalenderwochen stehen dabei stellvertretend für 20 Atombomben: Seit dem 26. März bis zum Nagasaki-Gedenktag am 9. August 2016, führen Gruppen und Einzelpersonen am Atomwaffen-Stützpunkt Büchel Mahnwachen und andere gewaltfreie Aktionen durch.

Weitere Informationen unter:
http://www.atomwaffenfrei.de/buechel

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Offener Brief

Staatsanwaltschaft Koblenz
Deinhardpassage 1
56068 Koblenz
21. April 2016
Betr.: Solidarität mit Hermann Theisen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die IPPNW möchte hiermit ihre Solidarität mit Hermann Theisen aus Heidelberg zum Ausdruck bringen. Die Staatsanwaltschaft Koblenz verfolgt den Friedensaktivisten Hermann Theisen wegen der Verteilung eines Flugblattes mit einer Übereifrigkeit, die den Verdacht erweckt, als gäbe es dabei eine politische Agenda. Oberstaatsanwalt Schmengler kam indessen im Sommer 2015 zu einer gegenteiligen strafrechtlichen Bewertung: "Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung).

Für Hermann Theisen und für uns als Friedensorganisation geht es um die nukleare Teilhabe Deutschlands und die Aufrüstung der in Büchel stationierten Atomwaffen. Hermann Theisen fordert in unterschiedlichen Flugblättern SoldatInnen und Zivilbeschäftigte auf, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der geplanten Neustationierung von zielgenaueren Atombomben zu informieren. Er erachtet diese als völkerrechts- und grundgesetzwidrig - diese Haltung teilen wir. Die öffentlichen Aktionen sollen eine öffentlichen Debatte anregen. Die SoldatInnen werden im Flugblatt aufgefordert, sowohl über die mögliche Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns im Bezug auf Atomwaffen und ihre Beteiligung daran nachzudenken, wie auch über die möglichen Konsequenzen einer öffentlichen Information.

Nach zwei Verurteilungen zu Geldstrafen (80 und 40 Tagessätze in mehreren zum Teil zusammengezogenen Verfahren) durch das Amtsgericht Cochem sind Berufungsverfahren am Landgericht Koblenz anhängig. Die Staatsanwaltschaft Koblenz führt in ihrer Berufungsbegründung aus, dass "bei zutreffender Würdigung aller Strafzumessungsgründe" die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Bewährung notwendig sei. Damit nicht genug: Sie konnte das Amtsgericht zu weiteren zwei Anklagen bewegen, drei weitere könnten folgen.

Wir fragen mit diesem offenen Brief: Warum werden immer wieder Einzelpersonen herausgepickt und mit maßlosem Engagement über eine Rechtsinstanz nach der anderen verfolgt, statt sich mit der Kampagne gegen Atomwaffen in Deutschland politisch auseinanderzusetzen? Über das offene Geheimnis der Lagerung und Aufrüstung der Atomwaffen in Büchel möchte die Bundeswehr und damit auch die Bundesregierung nicht öffentlich sprechen. Über die Völkerrechts- und Grundgesetzwidrigkeit dieser Teilhabe erst recht nicht. Das alles weiß Hermann Theisen und weist deshalb die Soldaten in einer Rechtshilfebelehrung auch auf die Gefahren hin, wenn sie Dienstgeheimnisse verraten.

Die IPPNW fordert die Bundesregierung auf, endlich den Wunsch der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Deutschland nach einem Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu erfüllen (85% laut Forsa-Umfrage vom März 2016) und ein Verbot aller Atomwaffen (93%) zu unterstützen. Dann brächte sie die Bundeswehr-SoldatInnen in Büchel nicht mehr in diese unhaltbaren Rechtslage. Deswegen wird die Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt" - mitgetragen von der IPPNW - weiterhin auf diesen rechtswidrigen Zustand hinweisen, bis er endlich aufgehoben wird.

Susanne Grabenhorst
Vorsitzende

Alex Rosen
Stellv. Vorsitzender


Den Offenen Brief an die Staatsanwaltschaft Koblenz finden Sie unter:
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomwaffen/Offener_brief_staatsanwaltschaft_koblenz.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 22. April 2016
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2016

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