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LESERBRIEFE/009: Zur Rezension des Buchs "Störfall Zukunft" - Stellungnahme des Autors (U. Scharfenorth)


Zur Schattenblick-Rezension des Buchs:
"Störfall Zukunft - Schlussfolgerungen für einen möglichen Anfang"
von Ulrich Scharfenorth

unter: BUCH -> SACHBUCH -> REZENSION/489: Ulrich Scharfenorth - Störfall Zukunft (SB)


Leserbrief "Kritik an der Kritik", von Dr. Ulrich Scharfenorth

Mittwoch, 5. August 2009 - 12:58 Uhr

Stellungnahme des Autors

Schade, dass die Rezension meines Buches "Störfall Zukunft - Schluss Folgerungen für einen möglichen Anfang" einem ideologisch vorgespannten Halbleser zugewiesen wurde. Bemerkungen wie "Der Schwerpunkt der vielen hundert Fußnoten entfällt auf die FAZ. Auch das ebenfalls konservative Blatt "die Zeit" scheint es dem Autoren angetan zu haben, und weitere Mainstreammedien wie ARD, ZDF, 3sat, Arte, Welt am Sonntag fehlen ebenfalls nicht" zeugen davon, dass der Rezensent weder Buch und Quellenverzeichnis, noch meine Haltung zu den Problemen erkannt, geschweige denn sachkundig bewertet hat. Hätte Ihr anonym gebliebener Schreiber (eine Zumutung, dass der Autor öffentlich ist, der Rezensent aber unsichtbar bleibt) die Publikation sorgfältig gelesen, dann wäre ihm aufgefallen, dass meinen Recherchen 47 Bücher zu Grunde liegen und dass ich Texte von Gero Jenner, Harald Müller, Christian Felber, E. U. von Weizsäcker, Denis Meadows sowie den "Atlas der Globalisierung" sehr viel ausführlicher zitiere als die FAZ und andere sogenannte "Mainstream"- Medien. Welche Quellen hätte ich nach Meinung des Rezensenten denn benutzen sollen? Das Kommunistische Manifest oder die Mao-Bibel? Ich habe bewusst auch die Unterlagen benutzt, die dem Normalbürger bekannt sind (denen er ständig ausgesetzt ist) und mit kritischen Anmerkungen - so sie denn angebracht schienen - nicht gespart. Dass ich gerade manchem Protagonisten der konservativen Medien einen Spiegel vorhalte und seine z.T. erbärmlichen Kommentare auseinandernehme, ging am geschäftig totschlagenden Rezensenten vorbei. Ein Blick auf meine homepage (www-stoerfall-zukunft.de), hätte Mr. Besserwiss eigentlich animieren müssen, tiefer zu graben. Die zahllosen Kontakte mit allen für Nachhaltigkeit streitenden Gruppierungen (BUND, Attac, greenpeace und vier Internet-Plattformen), aber auch die aktuellen Beiträge zu allen buchrelevanten Themen (BLOG) müssen doch ins Auge fallen. Ihrem Rezensenten ist das entweder unbekannt oder völlig egal - ein Sachverhalt, der Sie nachdenklich stimmen sollte.

Allgemein hingeworfene Sätze wie "Inmitten dieses verworrenen Dickichts ... stellt der Autor Behauptungen auf, die längst widerlegt sind" sind geradezu lächerlich, weil unkonkret und ohne Gegenbeweis. An anderer Stelle wird mir Schubladendenken, fehlende Logik und ähnliches vorgeworfen. Auch diese Anwürfe sind beweislos aus der Luft gegriffen - offenbar weil es leichter scheint, Polemik zu betreiben als Wissen ins Feld zu führen.

Zweifellos kann ein Einzelner nicht alles stemmen. Das steht bereits in meinem Vorwort. Doch der Versuch, die Komplexität des Welt- Geschehens wenigstens ansatzweise wiederzugeben, sollte aushaltbar sein. Eindimensionales haben schon viele Autoren von sich gegeben - komplexe Vorgänge beschreiben konnten sie nicht.

Ihr Rezensent hält sich mit ausführlichen Beispielen aus dem zweiten Kapitel auf. Dass ich den Taikonaten nicht erwähnt habe, scheint mit Blick auf die Chinabefangenheit Ihres "Weltraumexperten" besonders furchtbar. Alle wichtigen Analysen zum Umweltgeschehen, zu den Ressourcen, zu Arbeitsmärkten, zum internationalen Finanzsystem, zur Weltwirtschaft und zu den politischen Großereignissen unserer Zeit, vor allem aber die Lösungsansätze für eine künftige Welt bleiben quasi unkommentiert. Auch hier scheint Ihr Experte unbeleckt und jenseits verlässlicher Informationen. Solcherlei Auslassungen disqualifizieren - und zwar total. Sie deuten nicht nur auf Lustlosigkeit, sondern vor allem auf fehlende Sorgfalt.

Die Empfehlung, die Produktionsmethoden der ehemaligen DDR mit den jetzt üblichen zu vergleichen und daraus Schlüsse für die Zukunft abzuleiten, zeugt ebenfalls davon, dass der Kritiker das Buch nicht gelesen. Dazu nämlich ist ausreichend recherchiert worden. Freilich mit einem Ergebnis, das dem Rezensenten nicht passen dürfte. Nicht er, sondern ich weiß über diese Dinge Bescheid und möglicherweise erwartete Lobpreisungen sind mit meinen Erfahrungen nicht übereinzubringen. Auch das Klischee vom drangsalierten "Ost-Ingenieur" ist mit Blick auf 40.000 arbeitslose "West-Ingenieure" ein Unding. Man bekommt richtig Wut im Bauch: Im Westen isoliert sitzende "SozialismusSchwärmer" sollten ihre theoretischen Mutmaßungen endlich stecken lassen und in der Wirklichkeit ankommen. Teile dessen, was in der DDR ablief, sind für die Gestaltung von Zukunft zweifellos brauchbar, das Grundkonstrukt keinesfalls! Gleiches gilt übrigens für den heute ausufernden Turbo-Kapitalismus.

Die Anmerkungen zu Form und Gestaltung des Buches setzen dem Ganzen schließlich die Krone auf. Gerade die Sortierung in erzählerischen Fließtext und Faktensammlung (Blöcke) macht das Buch erst lesbar. Die vom Rezensenten geforderte totale Trennung von Erzählprosa und Zahlenmaterial ist weder sinnvoll, noch durchführbar.

Wer einen Hobby-Astronauten, einen "Quellen-Ausgrenzer" und Textzerfleischer zum Kritiker macht, muss einigermaßen blind sein. Zum Glück haben andere das Buch vollständig gelesen und sind zu völlig anderen Urteilen gelangt.

Ich kann konstruktive Kritik gut vertragen, ein banales Gezeter aber nehme ich nicht ernst. Vielleicht macht sich einer Ihrer Kollegen mal die Mühe, etwas tiefer in das Buch einzusteigen. Das kann doch nicht so schwer sein.


ulrich scharfenorth


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Quelle:
Leserbrief vom 5. August 2009
   


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2009