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PRESSE/1001: Herausforderungen bezüglich der Wiederbelebung des Chan-Buddhismus in China (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/201, September - Dezember 2015
Zeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Herausforderungen bezüglich der Wiederbelebung des Chan-Buddhismus in China

von H. Korin Stienen


Unter diesem Titel fand im Juli 2015 an der Universität Hamburg ein Seminarwochenende statt, das das Numata Zentrum für Buddhismuskunde der Universität zusammen mit Mönchen und Nonnen aus China unter der Leitung des Meisters Shi Dayuan, der 1995 Abt des Renhui Klosters in Hunan wurde und heute dem Kloster Liuzu vorsteht. Der Buddhismus in China entwickelt sich seit Ende der Kulturrevolution um 1980 sehr dynamisch. Die Religionsbehörde des Landes geht von über 400 Mio. Buddhisten heute aus. Diese Entwicklung hat verschiedene Hintergründe, wozu die nie versiegte Religiosität der Menschen zählt und heute Großeltern ihre Enkel die Grundlagen des Buddhismus lehren, nachdem eine Generation dem Kommunismus stalinistisch-maoistischer Prägung zu folgen gezwungen war. Auch der Chan-Buddhismus als eine der historisch prägenden Strömungen im Land erfuhr eine starke Wiederbelebung.

Den Chan betreffend sind es besonders die Klöster als Pfeiler und Orientierungspunkte für Nonnen, Mönchen, NovizInnen und die Laiensangha, die zur Verbreitung beitragen, seit sie wieder aufgebaut werden. Dieses wurde plastisch am Beispiel des Bailin Chansi dargestellt, das 1963 von den Roten Brigaden zerstört wurde. 1979 wurde hier zunächst eine Pagode errichtet und 1980 begann der Wiederaufbau, der 2002 abgeschlossen wurde. Heute leben dort 160 Mönche. Dieser sowie der Aufbau vieler anderer Klöster erfolgte mit starker finanzieller Unterstützung von Reichen im ganzen Land sowie aus Taiwan.

Drei in der Provinz Hebei beheimatete Richtungen des Zen (chin. chan) - die traditionellen Schulen Zhaozhou-Zen und Linji-(jap. Rinzai) Zen sowie die erst 20 Jahre alte Idee des "Lebens-Zen" (shenghuo chan) - waren Gegenstand der Seminarbeiträge. Zen-Altmeister Jinghui (geb. 1933) wurde zitiert, wie der von ihm initiierte Gedanke des Lebens-Zen 1991 entstand. Man wolle einen auf die Bedürfnisse des modernen Menschen angepasste Form des Zen anbieten, die einfach zu verstehen und zu praktizieren sei, durch Loslassen und Ruhe Kraft gebe und mitten im Leben verankert sei. Jinghui stellte einen dreifachen Durst in der gegenwärtigen Gesellschaft fest: Durst nach Glauben und Moral, welche in der Gesellschaft vielfach fehlten, Durst nach sozialer Harmonie angesichts des gesellschaftlichen Umbruchs sowie Durst nach körperlicher und seelischer Gesundheit, nach einer Lebensrichtung und innerer Gelöstheit. Dies sei ein Grund für die ständige Zunahme der Anhänger des Buddhismus in China. Seit 1993 organisiert das Bailin-Kloster, dessen Abt Jinghui damals war, jährlich "Sommerlager für Lebens-Zen", an denen jeweils mehrere hundert junge Leute aus ganz China teilnehmen. Diese Aktivitäten werden unter Leitung der Hebeier Akademie der Sozialwissenschaften, des Religionsbüros und der Buddhistischen Vereinigung von Hebei organisiert. Zu den Organisatoren gehörten auch die in Hebei gelegenen Zen-Klöster Bailin und Linji im Kreis Zhaoxian bzw. Zhengding.

Aus dem hier Ausgeführten zeigt sich, wie eng Buddhismus, besonders Chan, mit der Gesellschaft und dem Staat verknüpft ist, was durchaus seine geschichtlichen Parallelen hatte. In China und in der internationalen Buddhismusforschung wird gerade diese Form des modernen Shenghuo Chan Gegenstand der Untersuchung. Diese Art von aktiver Koexistenz zwischen Buddhismus und der Politik. Von einigen wird er daher als opportunistisch kritisiert, zudem wird ihm geringe Spiritualität vorgeworfen, andere sehen darin nur eine folgerichtige Fortsetzung des immer schon pragmatischen Chan in China, der inhaltlich auf Atemmeditation, Selbstschulung und innere Reifung und der Entwicklung von Mitgefühl beruht. Diese führen dann auf der gesellschaftlichen Seite zum Streben nach Bildung, Bewahrung der Tradition besonders auch in der Familie, Ethik und Moral, Großzügigkeit und Disziplin.

Sowohl für die Mönche wie besonders auch für die Laien werden dazu Slogans entwickelt, Leitsprüche, die sie sich einprägen und auf Situationen im täglichen Leben anwenden sollten, wie: Wir halten es immer mit der Wahrheit. Wir grenzen andere nicht aus. Wir studieren die Lehren des Chan. Wir handeln grundsätzlich moralisch, usw. Die Klöster sind markante Landmarken in diesem Prozess und strahlen für die Menschen all das aus, was ihnen für das gemeinschaftliche Leben wichtig ist. Sie definieren sich daher im modernsten Sinne auch als "Marke" (Brand) mit dem Anspruch hoher Standards und einem großen Maße an Zuverlässigkeit. Ein sehr chinesischer aber auch sehr beachtenswerter Weg, dem man sicher auch einiges für unsere westliche buddhistische Praxis abgewinnen kann.

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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2015, September - Dezember 2015, Seite 33-35
Zeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
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Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen im Januar, Mai und September.
Der Bezug ist gratis.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2016

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