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PRESSE/577: Auf "Flügeln der Mantras" ins Reine Land (Buddhismus heute)


Buddhismus heute 42 - Winter 2006/07
Das Diamantweg-Magazin der Karma-Kagyü-Linie

Auf den "Flügeln der Mantras" ins Reine Land Die vier Ursachen für die Wiedergeburt in Dewachen

Von Künzig Shamar Rinpoche - Immenhausen, August 2006


Seit vielen Jahren veranstaltet die von Lama Ole geleitete Dharma- Organisation hier in Kassel erfolgreich Kurse für das "Bewusste Sterben".

Ich selbst war 1993 zum ersten Mal hierher und kam zu den seit dieser Zeit jährlich stattfindenden Kursen mit Belehrungen immer wieder zu Besuch. Dank der Arbeit von Lama Ole, Hannah und vielen anderen wurden über viele Jahre hin ununterbrochen Belehrungen gegeben, so dass die Menschen die Möglichkeit hatten, das Phowa und andere Dharma-Methoden zu praktizieren. Sie taten das mit großem Fleiß, und ich bin wirklich froh darüber. Es ist wirklich sehr nützlich, dass dies stattfinden kann, und ich möchte Lama Ole und Hannah für diese immense Aktivität danken.

Lama Ole und Hannah trafen den 16. Gyalwa Karmapa zum ersten Mal im Jahre 1968 in Kathmandu. Ich war damals selbst dabei und habe erlebt, wie sie seitdem unaufhörlich die Lehren empfangen und verbreitet haben. Damals war ich ein 18-jähriger Teenager, heute bin ich 54 Jahre alt.

Das Treffen in Kathmandu fand wohl im Winter statt, denn ich erinnere mich, dass es zu der Zeit Feierlichkeiten zum Tibetischen Neujahr gab. Im Sommer des darauf folgenden Jahres sah ich Lama Ole und Hannah mit großen Rucksäcken zu Fuß nach Sikkim kommen, um die Belehrungen zu erhalten. Damals war Sikkim Sperrgebiet, und es war schwierig, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, so wie es überhaupt schwierig war, dort zu sein. Trotz all dieser widrigen Umstände taten Lama Ole und Hannah alles, um in Rumtek bleiben zu können.

Unter den vielen Schülern, die von überall auf der Welt dorthin kamen, sah der 16. Karmapa Lama Ole und Hannah als sehr besonders an. Sie lagen ihm außerordentlich am Herzen und er hatte besonderes Vertrauen in sie. Wann immer Karmapa Zeit hatte, unterrichtete er Ole und Hannah selbst. Wenn er keine Zeit hatte, schickte er sie zu Tenga Rinpoche, dem damaligen Vajra-Meister des Klosters, oder zu Thrangu Rinpoche, dem damaligen Abt. Von diesen beiden erhielten sie alle möglichen Belehrungen, unter anderem über den "Juwelenschmuck der Befreiung" von Gampopa.

Karmapa gab ihnen die Belehrungen und Meditationen über die Natur des Geistes, und sie baten ihn um alle möglichen Arten von Diamantwegs- Ermächtigungen. Zu der Zeit war ich selbst noch ein Schüler, aber ab und zu gab auch ich Lama Ole und Hannah Belehrungen, unter anderem zum Bodhisattva-Versprechen.

Über viele Jahre hin baten sie in dieser Weise den 16. Karmapa um Belehrungen und ertrugen dabei alle möglichen Schwierigkeiten und Härten. Ich erinnere mich sehr klar, wie der 16. Karmapa dann im Jahre 1973 die beiden in den Westen zurückschickte, um die Lehren Buddhas zu verbreiten. Er sagte, dass sie geeignet seien, die Lehren im Westen zu verbreiten, und dass die buddhistischen Lehren für viele Menschen sehr nützlich sein würden. Karmapa machte Wünsche und prophezeite, dass alles sich sehr gut entwickeln, und dass Lama Ole im Verbreiten des Dharma in westlichen Ländern sehr erfolgreich sein würde.

Lama Ole und Hannah folgten daraufhin ganz genau den Anweisungen Karmapas. Er war ihr Wurzellama und er lehrte sie vor allem das "Tün Shi Lame Naljor", die Meditation auf den 8. Karmapa, und da er ihr Wurzellama war, auch die Meditation auf den 16. Karmapa. Ohne einen Moment des kleinsten Zweifels oder eines Vertrauensproblems hielten sie ihre Diamantwegs-Bände, die Samayas. Sie folgen seit dieser Zeit bis heute ganz genau allem, was der 16. Karmapa ihnen aufgetragen hatte. Sie verbreiteten das Dharma in sehr großem Ausmaß, und man kann sagen, dass die Tätigkeit von Lama Ole die Buddha-Aktivität ist, die die Aktivität des 16. Karmapas unterstützt. Lama Ole führt die Aktivität des 16. Karmapas aus. Man sieht es an den vielen Tausenden von Menschen, die durch seine Energie inspiriert werden.

Wenn man zahllosen Wesen nutzen will, muss man die Aktivität eines Bodhisattvas unterstützen. Lama Ole und Hannah taten das, indem sie den Worten des 16. Karmapa folgten, und so war es möglich, dass unzählige Wesen großen Nutzen davon hatten.

Aus den vielen Lehren, die Lama Ole hält, hat er als eine der Hauptbelehrungen die Übertragung der Phowa-Übung ausgewählt. Das ist sehr gut so, und Lama Ole ist sehr sehr geschickt in der Phowa-Praxis. Aufgrund seiner Fähigkeit kommen die Zeichen des Phowa* schnell, und das ist wiederum nützlich, denn wenn die Leute im Westen die Zeichen auf den Köpfen sehen, haben sie Vertrauen und folgen dem richtigen Weg. Wenn man die Phowa-Praxis sehr gut übt, ist man in der Lage durch eigene Kraft im Reinen Land vom "Buddha des Grenzenlosen Lichts" (skt.: Amitabha, tib.: Öpame) wiedergeboren zu werden. Man kann es selbst praktizieren und ist von niemand anderem abhängig.

Im Zusammenhang mit Phowa ist es gut, die Ermächtigung auf Buddha Amitabha zu bekommen. Ich werde sie euch deswegen morgen geben, so wie ich das früher schon tat und auch weiterhin tun werde.

Die Ermächtigung auf Buddha Amitabha geht mit der Ermächtigung auf "Buddha des Grenzenlosen Lebens" (skt.: Amitayus, tib.: Tsepame) einher. Wenn man sehr oft Phowa übt, kann dies einen ganz kleinen Effekt auf die eigene Lebenskraft haben. Um das auszugleichen, wird oft auch die Ermächtigung auf Buddha Amitayus gegeben.

Es gibt vier allgemeine Bedingungen, um in Dewachen, dem Reinen Land des Buddha Öpame, wiedergeboren zu werden. Sie sind die grundlegende Ursache dafür und daher sehr wichtig.

Die erste Ursache ist, dass man das Bodhisattva-Versprechen nimmt.

Hierbei gibt es zwei Aspekte, das"Versprechen des Wunsches" und das "Versprechen der Anwendung" Das "Versprechen des Wunsches" bedeutet, dass man sich auf die Probleme und Leiden allen fehlenden Wesens einstellt und wünscht, fähig zu werden, die Wesen zu einem Zustand zu führen, in welchem sie völlig frei von jeglichem Leiden sind.

Als nächstes benötigt man eine Methode, um die Wesen aus dem Leiden der bedingten Existenz zu befreien, und dazu gibt es die Übung der "Sechs Befreienden Handlungen", der sechs Paramitas. Diese zu üben und dadurch fähig zu werden, anderen zu nutzen und sie zu befreien, ist das "Versprechen der Anwendung". Diese beiden Aspekte des Bodhisattva- Versprechens sind sehr wichtig.

Wenn man das Reine Land von Buddha Amitabha erreichen möchte, sollte man seinen so genannten "Kostbaren Menschenkörper" nicht verschwenden oder missbrauchen, sondern seine ganze Kraft in die Übung der Sechs Befreienden Handlungen geben. Dann wird man im nächsten Leben in Dewachen wiedergeboren und kann nah bei Buddha Amitabha seine Bodhisattva-Praxis fortführen und in dieser Weise unzähligen Wesen nutzen.

Nachdem man das Bodhisattva-Versprechen genommen hat, übt man eine Praxis, in der es die beiden Aspekte der Meditation und der Nach- Meditation gibt. In der Meditation übt man zum Beispiel das Phowa, und in der Nach-Meditation übt man die Sechs Befreienden Handlungen: Großzügigkeit, sinnvolle gute Lebensführung, Geduld, freudige Anstrengung, meditative Konzentration und Weisheit. "Freudige Anstrengung" ist tatsächlich der Freund der anderen befreienden Handlungen, denn hiervon hängt es ab, ob gute Bedingungen entstehen oder nicht. Aus diesem Grund praktiziert man Großzügigkeit mit freudiger Anstrengung, sinnvolle gute Lebensführung mit freudiger Anstrengung, Geduld mit freudiger Anstrengung und so ist es auch mit meditativer Konzentration und Weisheit.

Meditative Konzentration bedeutet, den Geist frei von konzeptueller Aktivität zu belassen. Um genauer zu sein: Der Geist ist nicht abgelenkt von schädlichen Konzepten, sondern ruht einsgerichtet in nützlichen Konzepten. Man ist die ganze Zeit bewusst und versucht, gute Gedanken zu vermehren und schädliche Gedanken zu unterdrücken. Das ist mit Samten - dem tibetischen Wort für diese 5. Paramita - gemeint. Man kann sich auf den eigenen Gedankenstrom einstellen. Man erkennt irgendeinen negativen emotionalen Gedanken und unterdrückt ihn. Wenn man einen positiven Gedanken mit viel Verdienst erkennt - zum Beispiel der Wunsch, dass alle Wesen frei von Leid sein und letztendlichen Nutzen bekommen mögen - dann versucht man ihn zu verstärken.

Man unterdrückt negative Gedanken, indem man sich seiner selbst bewusst ist. Dies ist eine der besten Weisen, sich zwanglos zu konzentrieren. Man setzt sich nicht hin und konzentriert sich in steifer Weise, sondern stellt sich ohne Umstände und zwanglos auf die eigenen Gedanken ein, unterdrückt negative und verstärkt positive; eine sehr Erfolg versprechendeweise, diese befreiende Handlung zu üben.

Weisheit ist die Einsicht, dass alle Phänomene wie in einem Traum, eine Illusion, sind. Man lässt von jeder Art des Greifens und Anhaftens an den Phänomenen los.

Alles Erlebte beruht auf Entstehen in Abhängigkeit, auf Ursachen und Bedingungen. Wenn wir uns zum Beispiel dieses Zelt hier anschauen, in dem wir gerade alle sitzen, dann sehen wir Gestänge und Planen oben und so weiter. Aber abgesehen von der Ansammlung dieser verschiedenen Dinge gibt es kein wirklich existierendes Zelt. Alle Dinge sind von Natur aus vergänglich und verändern sich die ganze Zeit über. In dieser Weise kann man zu einem Verständnis davon kommen, dass alle Dinge eine Illusion sind. Dadurch löst sich das Anhaften an der scheinbaren Realität der Dinge, an der Idee, dass sie beständig seien und das Anhaften an den Dingen an sich. Dies ist die beste befreiende Handlung der Weisheit.

Tilopa sagte einmal zu Naropa: "Es sind nicht die Erscheinungen an sich, die die Wesen im Kreislauf der Existenz fesseln, sondern das Anhaften an ihnen." Die befreiende Handlung der Weisheit, die Erfahrung der Essenzlosigkeit aller Phänomene, ist das Heilmittel, das dagegen hilft.

Die zweite Ursache für Wiedergeburt in Dewachen ist, dass man sich immer wieder daran erinnert und darüber nachdenkt wie das Reine Land von Buddha Amitabha tatsächlich ist. Sich dieses immer wieder zu vergegenwärtigen, pflanzt die Gewohnheit des Reinen Landes in das Speicherbewusstsein.

In Dewachen hat man zum Beispiel einen völlig anderen Körper als den normalen menschlichen. Man wird dort aus einer Lotusblüte geboren und hat deswegen keinen Körper aus Fleisch und Blut. Es gibt ein bestimmtes Sutra, das all die verschiedenen Dinge in Dewachen beschreibt, das "Sukhavati-Sutra". Es wurde in Japan und China übersetzt, und es gibt auch Übersetzungen in Englisch und Deutsch. In diesem Text kann man mehr Beschreibungen von Dewachen nachlesen.

Dewachen entstand aus der Vervollkommnung der befreienden Handlung der Wünsche (tib.: Mönlam) des Buddha Amitabha. Zu der Zeit, als er ein Buddha wurde, manifestierten sich all die Wünsche, die er zuvor gemacht hatte. Da dieses Reine Land aus seinen Wünschen besteht, hat es unendliche Qualitäten und es hat großen Segen, wenn man sich an diese erinnert. Nach dem Tod wird man direkt dort wiedergeboren, ohne die illusorischen Erscheinungen des Zwischenzustandes, des Bardo, zu erleben.

Die dritte Ursache für Wiedergeburt in Dewachen ist, dass man wünscht, dort wiedergeboren zu werden, um allen fühlenden Wesen helfen zu können. Da ihr das Bodhisattva-Versprechen genommen habt, dienen all eure Wünsche dazu, den Bodhisattva-Wunsch nach Befreiung aller Wesen aus den niederen Bereichen des Existenzkreislaufes zu erfüllen. Um dazu fähig zu werden, muss man ein Buddha werden, und dafür wiederum braucht man die Lehren. Im Reinen Land hat man Buddha Amitabha als Lehrer, und indem man von ihm lernt, kann man selbst ein Buddha werden.

Die erste Ursache ist das Bodhisattva-Versprechen, die zweite ist die wiederholte Vergegenwärtigung von Dewachen und die dritte ist, dass man die Wünsche macht, dorthin zu gehen. Ich denke, dass die Phowa- Übung zu allen dreien davon gehört.

Rechungpa sagte: "Wenn man die 'Flügel der Mantra-Wissenschaft' ausbreiten kann, wird man in das Reine Land fliegen". Diese "Flügel der Mantra-Wissenschaft" sind in diesem Fall das Phowa, wo wir mit Keimsilben arbeiten, eine Sorte dieser speziellen Mantras. Wenn man weiß, wie sie verwendet werden, wie man die "Flügel" dieser besonderen Mantras ausbreitet, kann man in das Reine Land fliegen. Das ist natürlich poetisch gemeint, es bedeutet nicht, dass ihr Flügel haben und fliegen werdet (Rinpoche lacht).

Es ist eine Abkürzung, das ist der Nutzen des Phowa.

Die vierte wichtige Ursache für Wiedergeburt in Dewachen: Wenn wir den Bodhisattva-Weg gehen, Phowa üben usw., dann gehört das alles zur sogenannten "Wahrheit des Weges", und es können durch unser Karma und Störgefühle Hindernisse auftreten. Um mit ihnen fertig zu werden, vermeiden wir die zehn negativen Handlungen und üben die zehn guten.

Diese Welt ist weder völlig rein noch völlig unrein. Es ist tatsächlich sehr schwer, so wie zum Beispiel Milarepa, keine der zehn negativen Handlungen zu begehen, überhaupt nichts Schädliches zu tun. Aber wir sollten uns zumindest bemühen, keine der großen negativen Handlungen auszuführen. Wenn wir irgendeine der kleineren negativen Handlungen getan haben, dann sollten wir es uns sofort eingestehen, die Gegenmittel anwenden und es in dieser Weise reinigen.


* Erklärungen zum Powa siehe Heft 20, Artikel von Lama Ole Nydahl "Das Bewußte Sterben", auch online unter www.buddhismus- nord.de/buddhismus_heute/content/20_04_phowa.htm


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Quelle:
Buddhismus heute 42, Winter 2006/07, Seite 12
Herausgeber:
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den 19. Januar 2007