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PRESSE/620: Überraschung in der Karmapa-Titel-Affäre (Buddhismus heute)


Buddhismus heute 43 - Sommer 2007
Das Diamantweg-Magazin der Karma-Kagyü-Linie

Künzig Shamar Rinpoche trifft Urgyen Trinley Dorje

Von Michael den Hoet


Überraschung in der Karmapa-Titel-Affäre: Im Januar kam es in einem Hotel in New Delhi zu einem Treffen zwischen Künzig Shamar Rinpoche und Urgyen Trinley Rinpoche. Die Begegnung war von einflussreichen Lamas, insbesondere dem angesehenen Linienhalter der Drikung Kagyü-Tradition, S.H. Drikung Chetsang Rinpoche, vermittelt worden.


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Urgyen Trinley Dorje ist der junge Mann, der einst von einigen Lamas der Karma Kagyü Tradition um Situ Rinpoche unter zweifelhaften Umständen zum Halter des Karmapa-Titels ausgerufen worden war. Im Juni 1992 war er, mit Unterstützung chinesischer Behörden, nach Tsurphu, dem tibetischen Stammsitz der Karmapas gebracht und dort inthronisiert worden. Die Nominierung war damals innerhalb der Kagyü-Linie höchst umstritten, da Shamar Rinpoche, traditionell zweithöchster Lama der Karma Kagyü Linie und damit eigentlich zuständig für die Suche und Ernennung der Wiedergeburt des vorigen Karmapas - bei diesem Vorgehen übergangen worden war. Shamar Rinpoche stellte der Öffentlichkeit im März 1994 Trinley Thaye Dorje als den 17. Karmapa vor, nach dessen Flucht von Tibet nach Indien.

Urgyen Trinley Dorje verbrachte unter chinesischer Aufsicht und weitgehend isoliert von der Außenwelt - einen Teil der Kindheit und Jugendjahre in Tsurphu. Zu Beginn des Jahres 2000 gelang es ihm das chinesisch besetzte Tibet zu verlassen. Seitdem lebt der heute offiziell 22-jährige als Gast der tibetischen Exilregierung im Gelugpa-Kloster Gyuto in Nordindien. Da indische Sicherheitsstellen dem Umfeld von Urgyen Trinley Rinpoche wegen früherer Zusammenarbeit mit kommunistisch chinesischen Regierungsstellen misstrauen, ist es dem jungen Lama bisher nicht erlaubt worden, Indien zu verlassen. Jede Reise außerhalb von Gyuto muss sich Urgyen Trinley Dorje von indischen Behörden genehmigen lassen. Einen Besuch des Exilsitzes des 16. Karmapa, dem Kloster Rumtek in Sikkim, lehnten diese ebenfalls strikt ab. Beobachter vermuten daher, dass sich Urgyen Trinley Rinpoche von der Begegnung mit Shamar Rinpoche u. a. Schritte zur Verbesserung seiner Situation erhoffte.

Das Büro von Urgyen Trinley Dorje versuchte hingegen die Bedeutung des Treffens herunterzuspielen. "Einer Bitte von Tulku Chökyi Nyima folgend", so ließ der Generalsekretär des Apparates um Urgyen Trinley Rinpoche verlauten, "gewährte Seine Heiligkeit der Siebzehnte Gyalwa Karmapa Urgyen Dodül Trinley Dorje dem Shamar Rinpoche eine Audienz. [...] Keine substanziellen Themen wurden in der Audienz angesprochen oder diskutiert."

Hier die Verlautbarung der Verwaltung von Künzig Shamar Rinpoche im Wortlaut, die eine frühere Erklärung vom 25. Januar 2007 ergänzt:


Januar 2007: S. H. Shamar Rinpoche trifft S. H. Urgyen Trinley Dorje

Vor kurzem, am 9. Januar 2007, traf Seine Heiligkeit Shamarpa Rinpoche Seine Heiligkeit Urgyen Trinley Dorje um 10 Uhr morgens im Oberoi Intercontinental Hotel in Neu Delhi, Indien.

2005, während Shamarpa Rinpoche in Hong Kong lehrte, erhielt er einen Anruf von S. H. Drikung Chetsang Rinpoche. Im Laufe der Unterhaltung erwähnte Drikung Chetsang Rinpoche gegenüber Shamar Rinpoche, dass er kürzlich bei einer Zusammenkunft mit Urgyen Trinley Rinpoche in Bodh Gaya von diesem gebeten worden sei ein Treffen mit Shamar Rinpoche zu arrangieren. Drikung Chetsang Rinpoche brachte zum Ausdruck, dass, sollte es zu einer solchen Begegnung kommen, es positive Auswirkungen für jedermann haben würde.

Shamar Rinpoche stand dem Treffen offen gegenüber. Allerdings, so erzählte er Drikung Chetsang Rinpoche damals, könne er dies momentan nicht entscheiden. Er wünschte mit der Antwort zu warten, bis er in Indien zurück wäre.

Nachdem er in Indien angekommen war, schickte er einen handschriftlichen Brief an Drikung Chetsang Rinpoche, worin er ihm für das Überbringen der Nachricht von Urgyen Trinley Rinpoche dankte. Er erwähnte auch, dass ein Treffen mit Urgyen Trinley Rinpoche zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich sei. Der Grund wäre, dass in der Vergangenheit einige korrupte Politiker in Sikkim den Namen von Urgyen Trinley missbraucht und mit China kollaboriert hätten. Als Resultat dieser ihrer Aktionen hätten sie die Regierung Indiens sehr gegen sich aufgebracht. Deswegen würde er, Shamar Rinpoche, zu dieser Zeit mit einer Begegnung zwischen ihm und Urgyen Trinley Rinpoche unberechtigten Argwohn der indischen Regierung auf sich ziehen.

Anfang diesen Jahres traf der Ehrwürdige Chökyi Nyima vom Ka Nying Shedrub Kloster in Nepal Urgyen Trinley Rinpoche in Bodh Gaya. Erneut sprach Urgyen Trinley Rinpoche über seinen Wunsch Shamar Rinpoche zu treffen und bat Chökyi Nyima eine persönliche Begegnung mit Shamar Rinpoche zu arrangieren. Diesmal berücksichtigte Shamar Rinpoche Urgyen Trinley Rinpoches Einladung und schickte sich an, eine Zeit für ein Zusammentreffen zu vereinbaren.

Während des Treffens wurde ich gewahr und verstand eindeutig, dass es Urgyen Trinley Rinpoche gegenüber Shamar Rinpoche nicht darum ging, nach Rumtek zu gelangen oder die Kontrolle des Klosters zu übernehmen. Es scheint vielmehr so zu sein, dass Urgyen Trinley Rinpoche, der nun volljährig ist, zur Erkenntnis gelangt ist, dass einige seiner eigenen Leute, so genannte Kämpfer für seine Sache, eigentlich seinen Namen und Rang für ihre eigenen, selbstsüchtigen Ziele missbrauchen. Urgyen Trinley Rinpoche gab seinem starken Abscheu über deren negative Aktivitäten Ausdruck, die den Frieden in den Dharma-Gemeinschaften verletzt hätten.

Zur gleichen Zeit erkannte Urgyen Trinley Rinpoche an, dass es wichtig war, Shamar Rinpoche zu treffen. Wenn die beiden zusammenarbeiteten, würden sie in der Lage sein, den Frieden der Dharma-Gemeinschaften wiederherzustellen.

Deswegen bitte ich jeden von euch aufzupassen gegenüber den Leuten, die negative Hindernisse in den Dharma-Gemeinschaften erzeugt haben und noch immer erzeugen. Ich bitte jeden und jeden Wohlwollenden sowohl Shamar Rinpoche als auch Urgyen Trinley Rinpoche zu unterstützen um ihre Wünsche zur Wiederherstellung der Harmonie unter den Dharma Anhängern zu erfüllen. Bitte verleiht ihnen eure Unterstützung nicht durch herzliche Gefühle, sondern auch durch eine solide Beurteilung der gesamten Situation.

gez.: Dawa Tsering,
Verwaltung Seiner Heiligkeit Shamarpa Rinpoche 19. März 2007

(übersetzt von Michael den Hoet, der englischsprachige Originaltext ist im Internet zu finden auf www.shamarpa.org)


Michael den Hoet, norddeutscher Historiker mit niederländischen Vorfahren, seit 1986 Buddhist, gelegentliche Vorträge und Artikel, Mitarbeit in Presseangelegenheiten für den BDD e.V. und Lama Ole Nydahl.
michael.den.hoet@diamondway-center.org


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Quelle:
Buddhismus heute 43, Sommer 2007, Seite 86-87
Herausgeber:
Buddhistischer Dachverband Diamantweg der Karma Kagyü
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2007