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PRESSE/668: Rückblick - 15 Jahre Shoboji (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/07

Rückblick: 15 Jahre Shoboji

Von Dorin Genpo Zenji


Im Frühjahr 1992 wurde der Bodaisan Shoboji gegründet. Deshalb wurde ich gebeten, für diese Jubiläumsausgabe der Zenshin über diese 15 Jahre zu schreiben. Dies fällt mir nicht leicht, weil es mir so vorkommt als sollte ich über den Inhalt einer Konservendose berichten, deren Deckel noch nicht geöffnet ist.

So möchte ich so kurz wie möglich mit folgender Aufzählung die Zeit seit der Gründung beschreiben: Mit der Vision einer Gemeinschaft und eines Tempels, mit tiefem Vertrauen in die Buddha-Lehre, mit dem gesamten Eigenkapital der Familie Döring, einem mehr oder weniger beherzten Freundes- und Mitgliederkreis, einer Menge Enthusiasmus und Tatkraft, Verhandlungsgeschick, einer gewissen Sturheit, immer wieder Freude, ebenso Ärger, notwendigem Gleichmut, auch Enttäuschungen, einer großen Portion Naivität, Irrungen und Wirrungen, ständigem Auf und Ab, einem ständigen Kommen und Gehen von Teilnehmern, Mitgliedern und Freunden, starkem Selbstvertrauen, grenzenloser Unterstützung und Mittragen durch meine japanische Familie, sowie Toshiko und der Kinder, einer Riesenportion Glück, großer Dankbarkeit, oft fehlender Gelassenheit, gelegentlich tiefer Verzweiflung, herzlicher Freundschaft, selbstloser Helfer und Spender konnten der Tempel und die Hakuin-Zen-Gemeinschaft bis heute bestehen.

So sei allen herzlich gedankt die dazu beigetragen haben die Hakuin-Zen-Gemeinschaft und den Shoboji aufzubauen und zu erhalten. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich der Tempel und die Gemeinschaft für unsere Mitglieder und Freunde, ob jung oder alt, nah oder fern, in "guten" wie in "schlechten" Zeiten zur spirituellen Heimat entwickelt. Die Weichen für eine großartige Zukunft sind gestellt.


Kurze Einführung in den Zen-Buddhismus

Zen (Skrt.: dhyana, Pali: dhjanna, Dhyana: chin.: Chan) ist die japanische Aussprache des chinesischen Wortes Chan und bedeutet Meditation. Zen sieht sich als Grundlage des Buddhismus und Buddhismus ist die Grundlage des Zen. Prinz Siddharta erwachte im Hocksitz (im Zazen) zum Buddha. In tiefer Meditation erkannte er die Weltzusammenhänge und erfuhr allumfassende Erleuchtung. Bodhidharma (470-543 n.Chr.), der 28. Patriarch nach Buddha, brachte um das Jahr 520 den Meditations-Buddhismus nach China. Hier wurde er von Elementen des Taoismus beeinflusst und entwickelte sich zu einer eigenständigen "Schule" innerhalb des Mahayana.

Die Legende erzählt, dass sich Bodhidharma nach seinem erfolglosen Begegnung mit dem chinesischen Kaiser (Siehe Hekiganroku Fall 2), in eine Höhle zurückzog und dort neun Jahre "der Wand gegenüber sitzend" in schweigender Versenkung verbrachte. Von ihm stammt der Ausspruch, als er nach dem Wesen des Zen befragt wurde: "Große Weite, nichts von Heilig"


Die vier Merkmale des Zen

o Eine Übertragung außerhalb der Schriften und orthodoxen Lehre

o Unabhängig von Wort und Schrift (kein Vertrauen auf Buchstaben)

o Unmittelbarer Hinweis auf den eigenen Geist (die Wahrheit oder Wirklichkeit in sich suchen)

o Erkennen der eigenen Natur (Selbstwesenschau) und zum Buddha werden


Japan

Bereits im 6. Jahrhundert und in der Nara-Zeit gelangte Kenntnis von Chan nach Japan, doch erst im 12. Jahrhundert wurde Zen durch die buddhistischen Mönche Esai und Dogen in Japan eingeführt. Beide hatten bei Aufenthalten in China Chan kennen gelernt und in Klöstern studiert.

Die lückenlose, direkte Übertragung der Lehre von Meister auf Schüler über all die Generationen hinweg bewirkte, dass sich im Zen die Lebendigkeit des Ursprungs bis heute erhalten hat. So beruft sich Zen nicht nur auf Buddha Shakyamuni, sondern auch auf seine Nachfolger z. B. Rinzai Gigen Zenji (gest. 866). Er ist einer der großen Meister des chinesischen Zen (Chan). Die von ihm geprägte Hauptlinie des Zen nennt sich bis heute Rinzai-shu. Rinzai steht für dynamisches, kraftvolles Zen, das die Menschen dazu anhält, "Erleuchtung zu erfahren und diese im Leben zu verwirklichen". Rinzai ist auch bekannt für seine außergewöhnlichen Methoden, z. B. Schrei, Schlag, paradoxe Reden, mit denen er versuchte, seine Schüler aus festgefahrenen Denkweisen und Gewohnheiten aufzuschrecken.


Rinzai Zen

In Japan existieren drei Schulen des Zen-Buddhismus: Soto, Rinzai und Obaku. Dogen (1200-1253) gründete die Soto-shu, Eisai (1141-1251) die Rinzai-shu und Ingen (1592-1673) die Obaku-shu.

Die Gründung der Rinzai-shu stellt sich als ein Reifeprozess längerer Dauer dar. Eisai war der erste, dem es gelang, Zen als eigene Schule in Japan einzupflanzen. Von seiner zweiten Chinareise kehrte er als Dharmaerbe des Hsü-an (Oryo-Linie) nach Japan zurück. Er gründete 1195 den ersten Zen-Tempel Japans, den Shofukuji. Er verfasste mehrere Bücher, die die Verbreitung des Zen in Japan unterstützen halfen. Weitere Tempelgründungen folgten. Als Mann vielfältiger Begabung genoss er hohes Ansehen bei Hofe. Er brachte u. a. Teesamen aus China mit und legte Pflanzungen an.

Nach Eisais Auffassung verkörpert die Zen-Lehre die Quintessenz des Buddhismus. Meditation und Erleuchtung sind von herausragender Bedeutung. Die zahlreichen Schüler Eisais führten sein Werk weiter und unterhielten engen Kontakt zum chinesischen Zen (Chan). Aus der Rinzai Schule gingen viele bedeutende Zen-Meister hervor, ihr Einfluss auf die Kultur Japans ist bis heute spürbar.

Hakuin Ekaku Zenji (1685-1768) ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des japanischen Buddhismus. Er gilt als Reformator des Rinzai-Zen und Schöpfer des Koan-Systems, das bis heute in unserer Schule Anwendung findet. (Koan sind paradoxe "Rätsel", die der Zen-Meister seinem Schüler aufgibt.) Hakuins Humanität und Volkstümlichkeit machten ihn weit über die Grenzen seiner eigenen Schule beliebt. Er war hervorragender Kalligraph und Literat und hinterließ Werke von hohem Rang.


Ursprung

Es wird überliefert, dass der Buddha Shakyamuni vor einer großen Menschenmenge um einen Vortrag gebeten wurde. Er wurde gefragt, was das Wesen der Wirklichkeit (die letztendliche Wahrheit) sei. Der Buddha ergriff schweigend eine Blume und drehte sie in seiner Hand. Nur sein Schüler Kassappa verstand seine Unterweisung und lächelte. Er hatte das Wesen der "Buddha-Lehre" intuitiv erfasst. Darauf hin übertrug Buddha Maha Kassappa die Lehre. Nach Buddhas Tod übernahm Maha Kassappa die Leitung des buddhistischen Ordens und wird als 1. Zen-Patriarch angesehen.

Im Zen sind der Buddha und die Patriarchen Vorbild.

Zen sieht seinen Ursprung im Wirken des Buddha Shakyamuni, der vor etwa 2500 Jahren in Indien lebte und lehrte. Von Indien aus verbreitete sich seine Lehre, der Buddhismus, in weite Teile Asiens. Heute gehört der Buddhismus zu den großen Weltreligionen.

Obwohl die buddhistische Lehre bereits etwa Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa bekannt geworden ist und im Laufe der Jahrzehnte mehr und mehr in die Öffentlichkeit trat, weiß man im Westen immer noch sehr wenig und oft nur Ungenaues über den Buddhismus.


Zunächst ein wenig zum Hintergrund:

Der indische Mönch Bodhidharma überbrachte im 6. Jahrhundert den Dhyana-Buddhismus nach China. Da seine Lehre sich deutlich von den anderen buddhistischen Schulen unterschied, wurde er an den Kaiserhof eingeladen, um sich dem Kaiser, der ein eifriger Förderer der Buddhalehre war, vorzustellen. Diese Begebenheit ist als 1. Musterbeispiel in einer der berühmtesten Koan-Sammlungen, dem Hekiganroku, nachzulesen. Der Kaiser fragte Bodhidharma: Ich fördere den Buddhismus, baue Klöster, unterstütze Nonnen und Mönche, lasse Sutren übersetzen und führe ein Leben nach den Grundsätzen der Lehre. Welchen Verdienst habe ich angesammelt?" Bodhidharma antwortete: "Kein Verdienst." So fragte der Kaiser weiter: "Welches ist der höchste Sinn der Heiligen Wahrheit?" Bodhidharma entgegnete: "Offene Weite - nichts von heilig." Erstaunt fragte der Kaiser: "Wer ist das uns gegenüber?" Bodhidharma erwiderte: "Ich weiß es nicht." Es wird berichtet, dass der Kaiser nichts mit Bodhidharma und seinem Verständnis der Lehre anfangen konnte. Aber auch Bodhidharma hatte bemerkt, dass seine Zeit noch nicht gekommen war, zog sich in die Berge zurück und meditierte 9 Jahre in einer Höhle. So ist also das erste öffentliche Auftreten des Bodhidharma zu einem Koan geworden. Koan sind Musterbeispiele, die von den Rinzai-Zenmeistern als praktische Übung eingesetzt werden, um die Augen ihrer Schüler für die Wahrheit zu öffnen.

In Folge des Wirkens von Bodhidharma und seiner Nachfolger entstanden in China zwei Hauptrichtungen des Zen, nämlich Tsao tung (jap. Soto) und Linchi (jap. Rinzai). In der Soto-Schule war die Verwendung des Koan von untergeordneter Bedeutung. Im Vordergrund stand und steht die Praxis von Zazen. Zazen ist der Zustand der Erleuchtung. In der Linchi-Schule werden Zazenpraxis und Koanschulung als gleichwertig angesehen. Bei ihrer Übertragung nach Japan, brachten beide Schulen diese individuellen Merkmale mit, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben.

Dogen, der Überbringer des Soto-Zen nach Japan, lehnte ebenso, wie die chinesische Soto-Schule, die Koanpraxis des Rinzai ab. Für ihn ist Zazen das vollendete Handeln der Buddhas und Patriarchen und die Erleuchtung selbst. Dogen, der ein profunder Kenner der Koansammlungen war, behandelte die Koans allerdings ausführlich in seinen Vorträgen und Schriften und benutzte sie auf diese Weise zur Ausbildung seiner Schüler. In der Sotoschule finden die Koans nur außerhalb der Zazenpraxis Verwendung.

Hier unterscheiden sich die Methoden von Soto- und Rinzai-Zen. Im Rinzai betrachtet man Zazen als Werkzeug, als Hilfsmittel, als vorläufige Praxis, mittels derer der Übende Körper, Geist, Atmung und Bewegung in Einklang bringen kann, um sich für Erfahrung und Erkenntnis zu öffnen. Nur der Übende, der seine Zazen-Praxis in diesem Sinne vervollkommnet hat, wird für die Koanschulung zugelassen. Die Beherrschung des Zazen ist eine der wichtigsten Voraussetzung für die Koanpraxis, denn während des Zazen beschäftigt sich der Übende mit seinem Koan. Man könnte sagen, das Koan wird zum Meditationsobjekt, doch das wäre nicht die entsprechende Bezeichnung. Etwas genauer ausgedrückt: Übender und Koan werden eins und gehen ineinander auf Durch diese ausnahmslose Beschäftigung mit dem Koan stellt sich ein besonderer Bewusstseinszustand ein. Das sogenannte Oberflächenbewusstsein wird frei und kann sich für das Unbewusste öffnen. Es kann sodann vorkommen, dass sich dem Übenden mit einem Male der Sinn des Koans erschließt oder er Kensho, Selbstwesenschau und Satori erfährt. Diese Erfahrung kann sich während der formalen Zazen-Praxis einstellen, aber auch während jeder anderen Tätigkeit, mag sie auch von noch so banaler Art sein. Rinzai-Zenübende verlassen sich nicht darauf, in Ruhe und Beschaulichkeit auf ihrem Kissen zu sitzen und auf die Erleuchtung zu warten. Durch kontinuierliche Übung von Zazen und Koanarbeit finden sie zu einem Bewusstsein, das anfangs vielleicht nur in der Meditationshalle zum Vorschein tritt.

Mit fortschreitender Praxis dehnt sich dieses Bewusstsein auf den Alltag aus.

Es ist nicht genug Koans mit Intellekt und flinken Geist alleine lösen zu wollen. Dazu ist es notwendig, sich mit allem einzusetzen, was man ist und was man hat. Erst wenn der Koanschüler sein Denken vollständig ausgeschöpft hat und keine neuen Antworten und Argumente mehr findet, wird er sich nach anderen Lösungsmöglichkeiten umsehen. Dann plötzlich - instinktiv und intuitiv - stellt sich eine einfache und klare Schau - eine neue Sichtweise - ein.

Hakuin Zenjis Koan-System umfasst etwa 1700 Koan und basiert auf den Geschichten, Anekdoten und Aussprüchen der alten chinesischen Zen-Meister. - Er hat selbst eine große Anzahl von Koans kreiert und in diese Sammlung eingefügt. Von Anfang an geht es dabei darum, den Blick und die Sichtweise der Zen-Studenten nach und nach für die Realität - die Wahrheit des Seins - zu öffnen. Das heißt, der Übende erwacht zur Erkenntnis der universellen Einheit mit dem Absoluten.

Wer sich ernsthaft mit Zen beschäftigt und den Weg des Zen gehen möchte, ist gut beraten, wenn er zumindest Kenntnis von den Grundlehren des Buddhismus hat und sich dazu noch einigermaßen über den sich aus diesen Lehren entwickelten Mahayana-Buddhismus Bescheid weiß. Jedenfalls wäre dies für ein tieferes Verständnis der Zenlehre sehr hilfreich. Hat man jedoch mit der Koan-Schulung begonnen, sollte man sich im Anfangsstadium möglichst nicht mit Literatur beschäftigen. Besonders nicht mit Schriften, in denen Koans und ihre Lösungsmöglichkeiten behandelt werden.

Obwohl es im Zen heißt, dass ihm Schweigen angemessener ist, als Reden und Schreiben, haben die Zenmeister eine ungeheure Fülle an Vorträge und Schriften hervorgebracht. Das haben sie getan, damit auch andere von ihren Erfahrungen und Hinweisen profitieren können. Wer Zen und Buddhismus bis in tiefste Tiefen sondieren möchte, hat diesen Weg jedoch selbst zu gehen, er benötigt eigene Erfahrung.

Das Herz des Zen-Buddhismus ist Zazen und Satori, sie sind von grundlegender Bedeutung. Aber Zen ist nicht Satori und Satori ist nicht Zen. Satori ist der Eingang zum Zen. Um Zen tatsächlich verstehen zu können, ist es notwendig diese Satori-Erfahrung - Kensho, Selbstwesenschau - wirklich zu erleben. Um dies allen Menschen möglich zu machen, haben die Meister der Vergangenheit verschiedene Ausbildungswege und Methoden entwickelt und aufgezeigt.

Die ersonnenen Methoden werden zum Teil noch heute für die Ausbildung im Zen benutzt. Doch sollte beachtet werden, dass die Menschen jener Zeit auch von der ihnen jeweils vorhandenen Umgebung, Kultur und geschichtlichen Situation, in der sie lebten, bestimmt und geprägt wurden. Die Lehrmethoden der frühesten Tage wurden weiterentwickelt und haben verschiedentlich Veränderungen und Anpassung erfahren. Dies wird auch mit Zen im Westen geschehen. Doch erachte ich es dabei als notwendig, das echte authentische Zen erst kennen gelernt und gemeistert zu haben, bevor es verändert und den westlichen Wünschen angepasst wird. Es ist festzustellen, dass sich die traditionellen Methoden auch in Japan weiterhin verändern und weiterentwickeln werden.

Zen-Ausbildung besteht darin, Zen-Schüler den Weg zur Erfahrung des Satori zu weisen und sie anzuleiten diese Erfahrung reifen zu lassen. Dazu dienen im Rinzai-Zen die kontinuierliche Zazen- und Koanpraxis, und das tägliche Leben. Zen lehrt die Kunst, die spirituelle Erfahrung im täglichen Leben zu gebrauchen und zu verwirklichen.

Hier im Westen gibt es zwischenzeitlich viel Kritik am Zen. Doch ist es noch gar nicht zu erkennen, welches Zen hier gemeint ist. Denn bisher wird im Westen kaum authentisches Zen praktiziert und so stürzt man sich auf das, was man für Zen hält oder vorgibt Zen zu sein. Wer sich jedoch wirklich mit Zen beschäftigt und auseinander gesetzt hat und zur Kensho oder Satori-Erfahrung erwacht ist, sieht die Situation des Zen im Westen mit anderen Augen. Es gibt bereits zu viele unechte "Zenleute", die den Menschen etwas vorgaukeln, von dem sie nicht die geringste Ahnung haben.

Es ist mir darum besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Prinzipien und Hinweise der Zenmeister nicht beliebig verändert oder ignoriert werden sollten. Werden die traditionellen Schulungsmethoden willkürlich weggelassen oder verändert, so ist es kein Zen mehr.

Um den Zen-Schülern die Richtung zur Erfahrung des Satori, der Selbstwesenschau, aufzuzeigen, wird auf drei Übungsbereiche besonders viel Gewicht gelegt: Zazen (die Zen-Meditation), die Koanschulung und das alltägliche Leben. Dabei ist Meditation und das achtsame Leben im Alltag auch in anderen Schulen zu finden. Die Koanschulung, besonders die Art und Weise, wie die Koans angewendet werden, ist eine einzigartige Praxis der Rinzai-Schule.


Zen in Japan

Das System der Koan-Schulung wird in allen Rinzai-Klöstern in Japan praktiziert. Dieses System stammt von Hakuin Ekaku (1686-1769), dem Erneuerer und Reformator des japanischen Rinzai-Zen, und seinen direkten Nachfolgern, die es fortgeführt und weiterentwickelt haben. Die Koanpraxis im Rinzai-Zen ist eine einmalige Methode wirkungsvoller religiöser Praxis, mit der es gelingt, die Schüler zur direkten, intuitiven Schau der Wirklichkeit anzuleiten.


Geschichte des Zen-Buddhismus in Japan

Um die Geschichte des Zen in Japan besser verstehen zu können, ist es ratsam, sie nicht isoliert zu betrachten, sondern sich auch mit seiner Herkunft und dem Inhalte seiner Lehren zu beschäftigen. Das Thema lässt sich hier nur kurz anreißen, ich möchte aber gerne mit meinen Ausführungen versuchen, einige historische Zusammenhänge darzustellen und versuchen Verständnis dafür zu wecken, wie es möglich wurde, dass Zen in Japan überhaupt heimisch werden konnte. Denn, wenn wir die Geschichte des japanischen Zen-Buddhismus betrachten, können wir viele Parallelen zur heutigen Zeit erkennen und evtl. für uns daraus Nutzen ziehen. Die Übertragung des Zen-Buddhismus in den Westen geht kontinuierlich vonstatten. Vom Verständnis, der Ernsthaftigkeit und der guten Motivation der Zen-Übenden ist es abhängig, ob sich Zen-Buddhismus auch im Westen auf hohem Niveau weiterentwickeln kann, oder nichts weiter ist als eine Modeerscheinung.

An dieser Stelle möchte ich bereits auf eines der vielen Klischees und Missverständnisse eingehen, welche im Westen vorherrschen und trotz besseren Wissens weiterhin gepflegt und kultiviert werden. Zen war auch in Japan niemals eine Religion der Massen. Selbst wenn heute noch festzustellen ist, dass das Alltagsleben der Japaner von Zen durchdrungen ist, haben doch die wenigsten mit Zen zu tun. Alles, was an Kultur, Kunst und Kunstfertigkeiten mit Zen zu tun zu haben scheint oder vom Zen-Geist beeinflusst wurde, ist nur Teil des Ganzen, ist verdünnte Essenz.

Betrachtet man Zen von innen, steht innere Erfahrung, Umwandlung und Entwicklung zu einem friedvollen leidfreien Geist im Mittelpunkt, der fähig wird, für sich und andere heilsam zu handeln. Wer Zen nur von außen betrachtet, sieht Formen, Haltung, Methoden und Regelwerk im Vordergrund. Da ist es dann folglich auch kein Wunder, wenn das Wort "Zen" für alles mögliche und unmögliche herhalten muss.

Wirklich populär waren und sind in Japan (wie auch in anderen Teilen unserer Welt) Religionen und Konfessionen, welche Heil und Erlösung versprechen, ohne dass sich der Einzelne dafür anstrengen, ändern oder besonderes leinen müsste. Besonders beliebt waren und sind auch heute noch solche Gemeinschaften in denen es reicht Mitglied zu sein, um in den Himmel zu kommen. Besonderen Zulauf haben auch solche Sekten, die ihren Gläubigen magische Praktiken und Heilmittel offerieren und einfache Formeln anbieten, die dazu führen sollen, Glück und Erfolg zu erlangen oder in einem der verschiedenen Bereiche ihrer Paradiese wiedergeboren zu werden.

Zen hat nichts dergleichen anzubieten und macht keine unhaltbaren Versprechungen. Zen steht mitten im Leben und versucht die Zusammenhänge des Daseins aufzuzeigen. Seinen Ursprung sieht Zen im Wirken des Buddha Shakyamuni vor ca. 2600 Jahren in Indien. Die Erleuchtung, ein Bewusstseinszustand, der zu Leidfreiheit und Erlösung von Gier, Hass und Unwissenheit führt, erfuhr Buddha in tiefer Meditation, im Lotossitz.

Zen bedeutet wörtlich: MEDITATION. Jedoch ist diese Meditation etwas anderes, als das, was mit dem Wort Meditation (denken, nachdenken, überlegen) im christlichen abendländischem Verständnis gemeint ist.

Meditation ist die Grundlage des Buddhismus.

Buddha Shakyamuni ist Vorbild und seine Lehre ist die Grundlage für Zen.

Von Indien aus verbreitete sich die buddhistische Lehre in die angrenzenden Länder und gelangte zur Zeit der Han-Dynastie (etwa 200 vor unserer Zeitrechnung) auch nach China. Tempel wurden gegründet und die ersten Sutren übersetzt. Ein ständiger Austausch zwischen Indien und China brachte den Buddhismus im Reich der Mitte zur Blüte.

Im Jahre 520 soll der bereits erwähnte indische Mönch Bodhidharma (470-543) den Meditations-Buddhismus nach China gebracht haben. Hier entwickelt sich "Chan" (wie Meditation in chinesisch heißt) unter Einflüssen des Taoismus als eine Art Gegengewicht zum dort bestehenden Mahayana-Buddhismus, der komplizierte philosphische Systeme entwickelt hatte. Buddhistische Gelehrte ergingen sich in haarspalterischen abstrakten Erörterungen der verschiedenen Lehrmeinungen und hatten mit Meditationspraxis, die zu grundlegender eigener Erfahrung führt, kaum etwas im Sinn.

In dieser Situation begann nun in China Zen seine Wirksamkeit zu entfalten. Die Praxis des Zazen, der Zen-Meditation, führt zur fundamentalen, persönlichen Wirklichkeitserfahrung des Buddha Shakyamuni. Zen weist direkt, ohne Umwege, auf den Ursprung, auf die lebendige Erfahrung der Wirklichkeit hin, ohne die Vermittlung von theologischen Erklärungen.

Der 6. Patriarch Hui Neng (638-713) etablierte "Chan" endgültig in China. Er hielt nichts von gelehrtem Gehabe, sondern stellte Meditation und Erleuchtung, die unmittelbare Schau des eigenen Wesens, in den Mittelpunkt der Lehre.

Diese praktische Lehre entsprach der chinesischen Mentalität augenscheinlich und so entwickelte sich im Laufe der Zeit die Zenschule, neben dem Amida-Buddhismus, zur einflussreichsten buddhistischen Tradition Chinas. Von China aus gelangte Chan wiederrum in die Nachbarländer und schließlich auch nach Japan.

Durch die Insellage begünstigt, konnte sich schon in frühester Zeit in Nippon eine selbstständige Kultur entwickeln. Die Anstöße dazu kamen freilich in der Hauptsache vom Festland und zwar von Korea, China und den angrenzenden Ländern. Durch die natürliche Isolation, aber auch durch häufig selbstgewählte Abschließung, bekam alles Fremde in kürzester Zeit japanische Prägung und wurde intensiv weiterentwickelt, bis es schließlich japanisch" war. Dies ist in allen Bereichen der Kultur geschehen. Der Buddhismus, in unserem Falle auch Zen, machte hier ebenfalls keine Ausnahme. Er erhielt auf der Grundlage der Lehre des Buddha Shakyamuni (Theravada und Mahayana) japanische Prägung. Aus der Zeit der Übernahme vom Festland existieren auch heute noch mehrere buddhistische Schulrichtungen in Japan.

Obwohl Zen schon sehr früh, mit den anderen buddhistischen Schulen nach Japan gelangte, dauerte es sehr lange, bis Zen sich als eigene Schule durchsetzen konnte und schließlich Popularität erlangen konnte.


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/07, S. 3-7
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
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ZENSHIN erscheint halbjährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2008