Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/732: Acht Eigenschaften einer Frau, die Welt zu meistern (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2008, Oktober-Dezember
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Acht Eigenschaften einer Frau, um diese und die andere Welt zu meistern

Von Dagmar Doko Waskönig (NDR-Text)


Heute möchte ich Ihnen eine Lehrrede des Buddha vorstellen, in der es um acht Eigenschaften geht, die eine Frau entfalten sollte, um, wie es heißt, dieser und der anderen Welt gewachsen zu sein, ja, um sie zu meistern. Der Buddha sprach in diesem Fall mit einer Frau namens Visakha, die ihn in Savatthi aufsuchte. Acht Eigenschaften, in zwei Vierergruppen erläutert, bespricht der Buddha mit Visakha, wobei sich die ersten Vier auf ein Handeln beziehen, das dazu angetan ist, dieser Welt gewachsen zu sein, während die restlichen Vier auf einem Weg anleiten, der über den begrenzten, täglichen Lebensvollzug bedeutend hinausführt. Doch verdient Beachtung, dass Visakha beide Entfaltungsbereiche vor Augen gestellt werden. Mitnichten übergeht der Buddha also die bekannten, heute oft als banal angesehenen und zu wenig beachteten Alltagsaufgaben. Vielmehr lassen sich auf diesem Sektor Fähigkeiten und Einstellungen ausbilden, die auch dem weiter führenden Weg zugute kommen.

Welches sind nun die vier Eigenschaften der ersten Gruppe, die der Buddha zu bedenken gibt? Es heißt dazu:

Da beherrscht die Frau ihre Arbeit von Grund auf, kommt gut mit ihren Leuten aus, macht ihrem Mann mit ihrer Lebensweise Freude und hält das Erworbene zusammen.

Beim ersten Punkt geht es dem Buddha um das Arbeiten mit den Händen. Als Beispiel dienen Woll- und Baumwoll-Arbeiten, worin die Frau Geschicklichkeit erwirbt und Nachlässigkeit vermeidet. Auf die heutige Zeit bezogen ist allerdings folgendes zu bedenken: Insbesondere die in der Stadt lebenden, berufstätigen Frauen haben derart wenig Gelegenheit, diese oder andere Arbeiten mit den Händen zu erlernen, dass eine bedenkliche Verkümmerung der manuellen Fähigkeiten die Folge ist, die eben auch das Selbstbewusstsein und die Lebensqualität spürbar anheben könnten. Überdies wissen wir heute, dass das Betätigen unserer Hände einen nicht zu unterschätzenden aktivierenden Einfluss auf die Gehirnstrukturen hat.

Aus diesem Grunde scheint es ratsam zu sein, der angesprochenen Beschränkung bewusst entgegenzuwirken, wozu sich andere Bereiche des Haushalts anbieten, z.B. das Kochen. Macht sich eine Frau vertraut mit all dem, was dazu gehört - und dies ist gerade heute ein aktuelles und sehr weites Feld -, dann wird sie nicht nur manuell geschickter werden, sondern auch Einsichten über das der Gesundheit Förderliche oder aber Abträgliche erwerben und in die Tat umsetzen. Auch das wäre, um mit Buddha zu reden, ein Beherrschen der Arbeit von Grund auf; zudem entwickelt sie Sorgfalt sich selbst, aber auch der Umwelt gegenüber.

Die zweite Eigenschaft der Frau betrifft ihr soziales Verhalten, ein fürsorgliches und mitfühlendes Handeln gegenüber den Menschen, die sich in ihrem Wirkungsbereich befinden: zur damaligen Zeit das Gesinde, die Diener. Die Frau, so sagt der Buddha, hat die Übersicht über das, was an Arbeiten bereits getan oder noch zu tun ist. Ihre fürsorgliche Kompetenz entfaltet sie, indem sie etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen berücksichtigt. Auch versorgt sie die Menschen mit Nahrung und Getränken. Dort, wo heute diese Art umfassender Aufgabe nicht mehr ansteht, lässt sich gleichwohl einiges aus diesem Hinweis ableiten: etwa hinsichtlich der Arbeitsteilung innerhalb eines Haushaltes oder gar am Arbeitsplatz, aber auch in Bezug auf Menschen, die uns im weiteren Sinne dienlich sind, nämlich Verkäuferinnen, Briefträger usw.

Auch der dritte Gesichtspunkt - die Frau macht ihrem Mann mit ihrer Lebensweise Freude - wäre auf die heutige Realität abzustimmen und auf nichteheliche Partnerschaften übertragbar. Der Buddha führte keine Details dazu an, doch ist zu vermuten, dass Qualitäten wie Treue, Zuverlässigkeit, Friedfertigkeit und manch anderes mehr gemeint sind.

Viertens hält die Frau das Erworbene zusammen. Sie bewahrt sorgsam das vorhandene Vermögen, heißt es. Sie ist nicht leichtsinnig, diebisch, trinkt nicht und trägt nicht zum Ruin des Mannes bei. Auch dies ist - gerade bei nicht vorhandenem Vermögen - angesichts der allgegenwärtigen Kaufanreize sowie der Verschuldung vieler Haushalte durchaus aktuell. Genügsamkeit kann dann an die Stelle des maßlosen Habenwollens treten und eine Zufriedenheit bewirken, die das bereits Vorhandene möglichst sinnreich zu nutzen weiß.

Mit jeder der vier Eigenschaften entwickelt die Frau Umsicht, Kraft und Kompetenz. Doch dann geht der Buddha einen entscheidenden Schritt weiter und erläutert der Visakha zusätzlich vier Eigenschaften, mit denen sie der anderen Welt gewachsen ist. Wie wir sehen werden, gelten diese Vier uneingeschränkt auch für die Männer. Sie richten das Bestreben auf die Möglichkeit, das letztlich leidhafte Dasein dieser Welt zu überwinden, über das wir keine wirkliche Verfügungsmacht haben, da wir allesamt der Krankheit, dem Alter und Tod, dazu mancherlei psychischem Leid und Ungenügendem ausgesetzt sind. Die vier Eigenschaften, die der Buddha nun Visakha anempfiehlt, sind das Heilsvertrauen, die Tugend, das Loslassen und die Weisheit.

Heilsvertrauen bezeichnet das Vertrauen in die Gewissheit des Heils, in die Rettung aus dem leidhaften Dasein, so wie sie der Buddha selbst verkörpert. Die Frau hat eine deutliche Ahnung davon, was es bedeutet, aus aller Täuschung zu erwachen und sowohl im Erkennen als auch im Handeln vollkommen zu sein. Sie spürt, dass der Buddha der unvergleichliche Lehrer auf dem Weg zum Erwachen ist. Sie ahnt das Unermessliche, was den Buddha zu einem Erwachten, Erleuchteten macht, und sie hört genug Überzeugendes, um eine herzgestützte Hinneigung zu dem von Buddha gelehrten Weg zu besitzen. Diese Qualität des Vertrauens wird ihr Bemühen auf dem Weg tragen, es geht über ein bloß rationales Für-gut-Befinden hinaus.

Und was bedeutet es für den Buddha, zur Tugend zu erwachsen?

Da widerstrebt es ihrem Wesen zu töten, Nichtgegebenes zu nehmen, falsche Geschlechtsbeziehungen zu pflegen, zu lügen, berauschende oder die Vernunft und Selbstkontrolle hindernde Mittel zu nehmen.

Der Buddha führt hier jene fünf ethischen Handlungsfelder an, in denen man sich auf dem Buddha-Weg insbesondere übt. Dann kann sich eine innere Haltung ausbilden, der es widerstrebt, jene unheilsamen Dinge noch länger zu tun.

So widerstrebt es der Frau zu töten. Ihr Mitgefühl gilt auch - anders als in den abrahamitischen Religionen - den Tieren, die ebenso wie die Menschen leben wollen, Schmerz und Angst erfahren. Gerade heute liegt es nahe, sich zu diesem Thema weit reichende Gedanken zu machen. Eher selten werden wir ein Tier selbst töten, um es zu essen. Doch hat das industriell betriebene Töten der Tiere heute ein Ausmaß angenommen, dass tief nachdenklich machen und Mitgefühl und Einsicht erwecken sollte. Es wird sich die Frage aufdrängen, in wieweit man dies selbst unterstützen möchte, selbst wenn der Buddha seinen Anhängern keinen Vegetarismus vorgeschrieben hat.

Tiere begegnen uns zudem als Insekten, zumal, wenn sie ins Haus eindringen. Die Frau, deren Wesen das Töten widerstrebt, wird dann keinesfalls bedenkenlos zuschlagen oder zertreten, wie es leider allzu oft zu beobachten ist. Stattdessen wird sie achtsam reagieren, umsichtig nach einem Weg suchen, um das Lebewesen einzufangen und nach draußen zu befördern. Nicht in jedem Fall wird sich das Töten eines Tieres vermeiden lassen, doch sollte dies nicht davon abhalten, diesem Aktionsfeld erhöhte Achtsamkeit zu widmen. Eine verfeinerte Sensibilität, die darin zum Ausdruck kommt, wird sich nicht zuletzt auch den Menschen gegenüber bewähren.

Der zweite Punkt betrifft das Nichtstehlen, subtiler gefasst: Nichtgegebenes wird nicht genommen. Gestohlen wird hier gegenwärtig ausgesprochen häufig, in den Geschäften, am Arbeitsplatz, in Bibliotheken und anderswo. Nicht selten sind es Dinge, die kaum etwas kosten, denen eine unreflektierte, sich mehr und mehr verstärkende Gier nach Besitz gilt, ohne dass der Gedanke an das Schädigen des Bestohlenen Gewicht bekäme. Der Buddha nennt die Gier ein Geistesgift, das ein Anhaften an den Dingen statt ein Loslassen befördert und die Beziehung zu den Betroffenen stört. Sie ist ein Hindernis auf dem Weg der Befreiung.

Die übrigen drei Tugenden seien hier der gebotenen Kürze wegen noch knapper behandelt. Mit falschen Geschlechtsbeziehungen meint der Buddha vor allem Untreue und die Verführung Minderjähriger. Und natürlich ist jede Form der Gewalt damit unvereinbar. Ferner widerstrebt der Frau das Lügen. Macht man sich die selbstbezogenen Ursachen für seinen Impuls zu lügen in aller Klarheit einsichtig, ebenso die Auswirkungen auf das eigene Befinden sowie auf die Beziehung zu dem Belogenen, dann mag sich das Bedürfnis nach Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe einstellen. Schließlich widerstrebt es der Frau, ihre klare Bewusstheit, das Erkennen, Fühlen und Handeln betreffend, zu beeinträchtigen. Daher unterlässt sie es, Alkohol zu trinken oder Drogen zu nehmen.

Noch zwei weitere Eigenschaften mit befreiender Auswirkung legt Buddha der Visakha nahe. Zum einen das Loslassen, ein großzügiges Geben, das weder kalkulierend noch widerwillig geschieht, vielmehr als beglückend empfunden wird. Mit den Worten des Buddha:

Da lebt eine Frau im Haus mit einem Gemüt frei von den Flecken des Geizes und der Engherzigkeit, empfindet Loslassen als befreiend, mit offenen Händen, vom Zurücktreten beglückt, aufgeschlossen für Bitten, selig, wenn sie geben und teilen kann.

Ein Loslassen dieser Art befreit vom Wunsch, möglichst vieles zu besitzen sowie von den damit verbundenen Belastungen und öffnet das Bewusstsein zu den anderen Wesen hin. Und schließlich entfaltet die Frau jene edle und durchdringende Weisheit, die das beständige Entstehen und Vergehen aller Dinge und Phänomene begreift, die mit den Sinnesorganen wahrzunehmen sind. Die wahre Natur all dessen, die unbeständig, letztlich leidhaft und unkontrollierbar ist, ist ihr tiefgründig bewusst. Dauerhaftes Glück kann dadurch nicht erlangt werden, dem Anhaften daran ist die Grundlage entzogen, und der Weg zu völliger Leidensvernichtung ist beschritten.

Nach dem Tode - so der Buddha - wird sie unter den Anmutigen Himmelswesen wiedererscheinen, also in einem glückhaften, nahezu leidlosen Daseinsbereich. Dennoch ist damit noch keine endgültige Befreiung erlangt, denn auch dieser Zustand wird irgendwann ein Ende haben, und weitere Leben werden nachfolgen. Die Frau wird sich weiter bemühen und ihr Erkennen noch vertiefen, wird genauer verstehen, wie alles Leiden zu Ende gebracht wird und schließlich das Erlöschen der drei Geistesgifte selbst erfahren, nämlich der Gier, des Hasses und des Nichtwissens. Dann wird Nirvana sich auftun, der leidlose Zustand überweltlichen Glückes.


*


Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 4/2008, Oktober-Dezember, Seite 24-28
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 51902323
E-Mail: bm@bghh.de, buddha-hamburg@gmx.de
Internet: www.bghh.de

Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen
vierteljährlich.
Einzelpreis: 5,-- Euro
Abonnementspreis: 20,-- Euro jährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2008