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PRESSE/789: Das tibetisch-buddhistische Lama-Kloster Yong He Gong (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 3, September - Dezember 2009
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Das tibetisch-buddhistische Lama-Kloster YONG HE GONG in Beijing gestern und heute

Ein Reisebericht von Reinhard H. G. Fischer


Auf einer Fläche von 66.000 m² befindet sich das Yong He Gong Lamakloster im Norden der 12-Millionen-Stadt Beijing. Die Gebäude liegen auf einer Zentralachse mit 7 Höfen/Gebäuden hintereinander auf einer Länge von mehr als 400 Metern. Ab 1744 wurde der zuvor profan genutzte Gebäudekomplex als Lamaistischer Tempel mit München der Gelbmützen/Gelugpa-Sekte (gegründet durch Tsongkhapa, 1357-1419), der sogenannten "Tugend-Schule", besetzt. Ab 1949, nach der Okkupation ausländischer Aggressoren, wurde die Anlage renoviert, unter Denkmalschutz gestellt und neu mönchisch belebt.

Zuvor und auch danach versuchten sowohl der Dalai-Lama als auch der Panchen-Lama Einfluss auf das Klostergeschehen zu nehmen. Hier gilt es - im Gegensatz zu den derzeitigen politisch-propagandistischen Darstellungen - die ursächlichen Zusammenhänge um den Dalai-Lama und den Panchen-Lama aufzuzeigen. Dazu ist es jedoch erforderlich, die tibetischen Wurzeln der Gelugpa-Sekte zu recherchieren.

Ab ca. 1260 gab es einen tibetisch-mongolischen Pakt, der mit der Ernennung des Skaya-Abtes Drogen Phagpa Lodrö den Anfang der mongolischen Yuan-Dynastie (1280 bis 1368) begründete, die China beherrschte. Von diesem Regime wurde auch der erste Dalai-Lama (d.h. "Ozeangleicher Lama" = Weltmeer-Priester) in die Funktion als weltlicher (politischer) Machthaber eingesetzt. Sein Name: Gedün Drupha. Diese Clique ließ weiterhin die Bauern und Hirten für sich arbeiten. So setzte auch der 7te Dalai-Lama (1708 - 1757) Kelzang Gyamtso, der durch die Quing-Regierung als politischer Verwalter eingesetzt wurde, das regressive, feudalistische Herrschaftssystem der Auftraggeber unter dem Mantel der Religion fort. Der 13te Dalai-Lama herrschte unter der selben Prämisse bis 1933.

Auch im Jahr 1910 gab es deshalb revoltierende Gruppen in Tibet, die sich gegen diese politisch-religiöse Kumpanei wehrten, worauf der damalige Dalai-Lama mehrmals flüchtete. Der 14te Dalai-Lama wurde am 6. Juli 1935 geboren und ebenfalls als politische Autorität eingesetzt, nachdem er selbst die Spaltung des Tibetischen Buddhismus dadurch veranlasste, indem er Dhökyi Gyaltsen zum religiösen Führer als Panchen-Lama einsetzte, um sich selbst die weltliche Macht zu sichern. Theologisch steht mithin der Panchen-Lama (= Lehrer ) über dem Dalai-Lama.

1996 erfolgte die Einsetzung des II. Panchen-Lama (Pan-c'en = Gelehrter) als religiöse Autorität durch die Regierung des Mutterlandes China, die eine strickte Säkularisierung einführte, womit weiteren Intrigen der Boden entzogen wurde. Die späteren Unruhen in Tibet hatten auch die Ursache, dass die eingewanderten Chinesen in den meisten Belangen des Tages, entkleidet von den alten Repressionen der früheren Cliquen, ihr Leben erfolgreicher gestalten konnten, wodurch Neid und Hass der alten Cliquen in Erscheinung traten.

Der neue Panchen-Lama Rinpoche besuchte auch mehrfach in der Folge den Yong He Gong-Tempel. Der Gebäudekomplex dieses Tempel ist mittlerweile auch eine touristische Attraktion, für deren Besuch Eintrittsgeld gefordert wird. In der Zentralachse des Gebäudes befinden sich zwei Türme, der sogenannte Glocken- und Trommelturm. Diese signalisieren den täglichen, morgendlichen Beginn der religiösen Zeremonien: Buddhaanbetung und Sutren rezitieren durch die mehr als 100 Mönche (einige davon kommen als junge Mönche auch aus den heute mongolischen Gebieten.)

An diesen Zeremonien können auch Besucher des Tempels teilnehmen.

Diese über den Tag wiederholt ablaufenden Zeremonien dauern oftmals zwei Stunden. - Neben den täglichen religiösen Diensten wird auch die Zeremonie des SONGCHONG gefeiert, dabei werden Papierfiguren, die "Teufel" darstellen, verbrannt, womit bewiesen sein soll, dass alle "Teufel" vernichtet wurden...

Als weitere archaische Darbietung erfolgt im "großen Gebetsfest" der Jingangquomo-Tanz (Tanz zur weiteren Austreibung des "Teufels"), der von jungen Lamas ausgeführt wird, wobei die Tänzer unterschiedliche Masken tragen, weshalb der Tanz "Maskentanz" genannt wird.

Neben vielen religiösen Kultgegenständen aus tibetischen Klöstern können Statuen (z. B. die Bronzestatue von Tsongkhapa, dem Begründer des tibetischen Buddhismus), der Berg der 500 Arhats, das Tripitaka, die Statue des 6ten Panchen-Lama, das Zhuanlunzang (Buddhistisches Rad, das sich während der Sutrenvorlesung dreht), das 99-Drachen-Wunderwerk, Tibetanische Tangkhas (davon gibt es 1500 Bildrollen im Kloster), die Grüne Tara (als die wichtigste der 21 Tara-Göttinen des tibetischen Buddhismus), Kalligrafien und vieles anderes mehr, bestaunt werden.

Das Geschehen in diesem prosperierenden Tempel ist ein Zeugnis dafür, dass sich die Staatsorgane aus den religiösen Dingen nicht nur heraushalten, sondern sie sogar fördern, so lange dort nicht erneut die Buddhistische Kultur für konspirative Entgleisungen missbraucht wird. Dieses fand ich - nach Besuchen 2005 und 2007 - auch 2009 bei den Besuchen anderer Buddhistischer, Taoistischer und Stadttempel in Beijing und Shanghai erneut bestätigt.

Wer allerdings mehr Wert auf Kontemplatives und urbuddhistische Andachten legt, dem sei der Besuch des im Süden der Stadt Beijing gelegenen Fa Yuan Si sehr empfohlen. Dort findet man tiefe Volksgläubigkeit und unterschiedliche Buddhistische Zeremonien, bei denen auch Touristen mit großer Herzlichkeit willkommen sind. Nach den mittäglichen Zeremonien (z. B. Freiluftanbetungen Buddhas unter Einbeziehung der Fürbitten für alle animalischen Lebewesen), wird zum kostenlosen buddhistisch-vegetarischen Mittagessen geladen.

Der Fa Yuan Si - Tempel ist ein akademischer Buddhistischer Tempel, das heißt, dort werden Mönch-Anwärter in vierjähriger Ausbildungszeit auf ihr späteres Wirken hin geschult. Der Fa Yuan Si - Tempel ist also eine buddhistische Kaderschmiede mit streng geregeltem Tagesablauf, der bereits um 5:00 Uhr morgens beginnt und erst gegen 21:00 Uhr endet. Die meist jungen Mönchanwärter zeigen warmherzige Zuwendung gegenüber Alt und Jung.


Literaturhinweis:
- Die Religionen der Menschheit, bei Reclam / Stuttgart
- Das chinesische Denken, M. Granet, bei Suhrcamp STW 519
- Tibet, Klemens Ludwig, bei Becksche Reihe # 824


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
41. Jahrgang, September - Dezember 2009/2553, Nr. 3, Seite 25-27
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2009