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PRESSE/820: Hozumi Gensho Roshi - Kommentar zu Sangemon (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/09

Kommentar zu Sangemon

Von Hozumi Gensho Roshi


Sangemon - Worte der Reue
Ga shaku sho zo sho aku go
Kai yu mu shi ton jin chi
Ju shin ku i shi sho sho
Issai ga kon kai san ge

Jeden Morgen tragen wir bei der Lesung der Sutren das Sangemon, die Worte der Reue vor. Warum wohl lesen wir dieses Schuldbekenntnis?

Es ist wichtig für den Menschen, sich im täglichen Leben zu fragen, "Ist das gut so? Ist das schlecht so?". Wenn man Unrecht getan hat, ist es selbstverständlich wichtig zu bereuen. Sich selbst zu hinterfragen und Schuld zu bekennen ist eine Fähigkeit, die der Mensch der heutigen Zeit verloren hat. "Ich selbst habe keine Schuld, der andere hat Schuld, die Mitmenschen haben Schuld". So schieben wir alle Schuld auf die anderen ab.

"Ich habe keine Fehler." Selbst falls wir so gedacht haben sollten, wenn wir dies einmal vom Standpunkt der Allgemeinheit, von allen Lebewesen ausgehend betrachten, dann verstehen wir, dass man dies nicht zulassen kann. Wir erhoffen uns Frieden auf der Welt, eine Gesellschaft ohne Streit. Aber braucht es in der Wirklichkeit nicht doch die Polizei? Braucht es nicht auch den Staatsanwalt? Ist nicht auch die Gerichtsbarkeit notwendig? Und Menschen, die Konflikte schlichten, sind sie nicht doch notwendig? So ist die wirkliche Gesellschaft. Eigentlich dürfte diese Notwendigkeit überhaupt nicht bestehen. Wenn wir als Volk so leben würden, dass diese Notwendigkeit nicht aufkommt, wäre das der Idealfall. Es ist aber alles andere als leicht, dieses Ideal zu verwirklichen. Früher war dem so, heute ist dem so und in Zukunft wird dem wohl auch so sein.

Ga shaku sho zo sho aku go: "Ich habe in der Vergangenheit alle möglichen schlechten Taten vollbracht."

Uns scheint zwar, dass wir selbst keine vollbracht haben, jedoch, als Mensch geboren, sind wir alle mit einer Schuld auf die Welt gekommen. "Ich habe nichts Schlechtes getan", ist nur das, was wir uns denken. Da wir mit einem Gesicht, mit einer Gestik durch das Leben gehen als hätten wir nichts Unrechtes getan, glauben wir, dass wir wohl tatsächlich kein Unrecht getan haben. Wenn wir das recht bedenken, dann ist das Unsinn.

Eltern kennen die Situation ihrer Kinder nicht, die Kinder kennen die Situation der Eltern nicht. Der Lehrer kennt die Situation des Schülers nicht, der Schüler kennt die Situation des Lehrers nicht.

"Ich habe in der Vergangenheit alle möglichen schlechten Taten vollbracht." Also was ist denn überhaupt schlecht? Was ist denn gut? Es ist heute schwierig geworden, Gut und Böse klar zu unterscheiden; Was ist Gut und was Böse?

Kai yu mu shi ton jin chi: "Sie haben alle ihren Ursprung in der Gier, der Wut und der Torheit."

Die hier genannten Gier, Wut und Torheit - ton jin chi -, nennt man die drei Gifte. -ton- ist Gier, gieriges Verlangen; -jin- ist Wut, ungehaltene Wut; -chi- meint Torheit, törichte Gedanken. Gieriges Verlangen ist nicht gut, zügellose Wut ist nicht gut, und auch törichtes Denken ist nicht gut. Aus diesen dreien entsteht Unrecht, deshalb nennt man sie die drei Gifte. Wollen wir einmal uns selbst im Schein des Lichts hinterfragen und Schuld bekennen. Was für ein Wesen bin ich eigentlich angesichts von Gier, Wut und Torheit?

Verlangen ist an sich nicht schlecht, ohne das könnten wir nicht leben. Es gibt beim Menschen fünf Sorten von Verlangen. Also was ist Verlangen? Wenn wir unser tägliches Leben bedenken, bei uns selbst anfangen, welcher Art ist denn das eigene Verlangen?

Wenn der Mensch sein Leben erhalten will, so muss er gleich wie andere Lebewesen Nahrung zu sich nehmen. Das Verlangen nach Essen ist notwendig. "Dieses will ich! Jenes will ich! Es reicht noch nicht. Ich will noch mehr." Das ist das Verlangen nach Besitz, die Habsucht. Und es stellt sich keine Genugtuung ein. Zu dem Punkt: "Jetzt habe ich genug" kommen wir einfach nicht. "Ich will noch mehr, ich will noch dieses und jenes." Und wir streiten uns darum. Und nehmen auch noch, was anderen Menschen gehört. Das ist das Verlangen nach Besitz.

Auf geistiger Ebene gibt es das Verlangen nach Ruhm, den Ehrgeiz. "Ich will berühmt sein, ich will berühmt sein, ich will noch angesehener sein als die anderen. Ich will berühmt sein." Immer nur die Rangordnung im Kopf. Anstatt des eigenen Standortes sehen wir nur die Rangordnung und wollen Ruhm erlangen. Wenn wir dessen würdig sind, werden wir diesen Rang auch erreichen, aber statt dessen wollen wir hoch hinaus. Dies nennt man das Verlangen nach Ruhm. Auch das ist Begierde.

Wie viel der Mensch auch schläft, ist er doch noch schläfrig. Wie gierig nach Schlaf legen wir uns hin und schlafen, schlafen, schlafen. Dies nennt man das Verlangen nach Schlaf. Wenn man es übertreibt, ist das nicht gut. Wenn wir uns drücken vor Anstrengung und es vernachlässigen, uns mit Leibeskräften einzusetzen und eifrig zu sein, wenn wir mir nichts dir nichts, gleichgültig in den Tag hineinleben, dann sind das auch Formen von übermässigem Verlangen nach Schlaf.

Wenn wir Sutren lesen, wie etwa das Hannya Shingyo oder das Kannongyo, dann begleitet uns der Schlag des Mokugyo im Takt. "Mokugyo" bedeutet Holzfisch. Warum nennt man dieses Instrument "Holzfisch"? In die Trommel aus Holz ist die Form eines Fisches geschnitzt, deshalb nennt man sie Holzfisch. Und weshalb die Form eines Fisches? Vom Fisch sagt man, dass er nicht schläft und nicht rastet. Auch in der Nacht schwimmt er ständig ohne sich hinzulegen. Er schwimmt tagsüber und genauso tut er es auch nachts, schwimmend verbringt er die Nacht. Ohne zu schlafen. Nicht schlafen, das ist sich läutern, sich innerlich reinigen. Das bedeutet, nicht nachlässig sein. Das heißt sich einsetzen und bemühen. Man sagt, das Schlagen des Mokugyo regt den Geist an und vertreibt Nachlässigkeit. Das machen wir nicht einfach nur, um Geräusche zu erzeugen.

Aber legt sich der Mensch nicht hin und schläft, wenn es Nacht wird? Es ist ja nicht schlecht zu schlafen, aber es ist schlecht, es zu übertreiben.

Der Mann begehrt die Frau, die Frau begehrt den Mann. Für das Gedeihen der Nachkommenschaft, für die Erhaltung des Stammes haben wir den Fortpflanzungstrieb, also das sexuelle Verlangen. Auch dies ist Verlangen, im Übermaß ist es nicht gut. Sexuelles Verlangen ist nicht schlecht, es ist selbstverständlich ein Zeichen von guter Gesundheit. Es ist das Übermaß, das schlecht ist.

Wenn hier von Gier die Rede ist, so ist es das Übermaß, das gemeint ist. Es bedeutet sicher nicht, sämtliches Verlangen wie etwa das Verlangen nach Essen abzulehnen. "Zeige kein übermäßiges Verlangen" ist das, was damit gemeint ist und. sonst stoßen wir auf die Gier. Darauf müssen wir achten. Unachtsam begehen wir schlechte Taten. Der Achtlose ist wahrscheinlich ständig auf Abwegen. "Ich habe in der Vergangenheit alle möglichen schlechten Taten vollbracht", lauten die Worte. Alle möglichen schlechten Taten heißt es, das ist nicht nur eine. Der Geist des Menschen ist vielschichtig.

Wut. Ein bisher ruhiger, gelassener Mensch ist eines Tages plötzlich außer sich vor Wut, solch ein Scheitern kommt vor. Ein gewöhnlich zurückhaltender und ernsthafter Mensch verbringt ein erfülltes Leben, plötzlich verliert er die Fassung vor Wut. Das ist die Wut.

Das heißt nicht, dass Wut an sich schlecht ist. Schlecht ist übermäßige Wut. Wenn die Kinder etwas Dummes angestellt haben, sind die Eltern aufgebracht, das ist selbstverständlich. Das ist notwendig. Aber über die Notwendigkeit hinaus in Wut zu entbrennen, das ist nicht gut. Wut im Rahmen von Verständnis ist eine großartige Sache. Ja, wenn es diese Wut nicht gibt, dann findet keine Entwicklung statt. Wenn es niemanden gibt, der so eine Haltung annimmt, aus Gutmütigkeit zu so einer Haltung findet, dann besteht keine Aussicht auf Aufstieg und Entwicklung des Menschen. In dieser Art ist Wut notwendig, jedoch im Übermaß ist sie nicht gut.

Gewöhnlich können wir den Alltag gelassen und unbekümmert friedlichen Herzens verbringen. Es ist jedoch nicht leicht für den Menschen, so für immer fortzufahren. Friedlich gelassenen Herzens verfallen wir eines Tages plötzlich in Traurigkeit, in einen Abgrund. So etwas kann es geben. Obwohl wir tagein tagaus ein glückliches und vergnügtes Leben hatten, kommt es vor, dass wir in einen Abgrund von Traurigkeit und Leid fallen. In solchen Momenten wird einem schließlich zum Verrücktwerden eigenartig. Man erkennt sich selbst nicht wieder. Man versteht nicht mehr, warum das so gekommen ist. Wenn man danach wieder klaren Kopfes ist, man über sich nachdenkt und feststellt, "Ach so, da bin ich selbst schuld, dass es dazu gekommen ist", dann ist das eine - vortreffliche Einsicht. Wenn wir mit der Haltung "Es gibt keinen Vorwand und keine Ausflucht für meine Taten", aufrichtig und reinen Herzens um Verzeihung bitten, dann ist das ein prächtiges Reuebekenntnis.

Der Mensch hat eine wunderbare Weisheit, doch diese Weisheit wird hinter Wolken verschleiert und geht vergessen. Das ist wie Fensterglas, das mit Dunst bedeckt ist und die Sicht nach draußen verschleiert. Selbst durchsichtiges Glas lässt den Blick auf die Landschaft, die vorher zu sehen war, nicht mehr durch, wenn die Fenster beschlagen sind. Ebenso ist es mit dem Herzen des Menschen. Mit klarem Herzen haben wir die Dinge geschaut. Doch wenn unser Herz sich eines Tages trübt mit Wolken, sehen wir dann nicht alles mit getrübtem Blick? Die Weisheit ist irgendwo hingegangen und es entsteht Leiden. Deshalb nennt man das Torheit. "Wieso mache ich mir denn solche Gedanken, das ist doch nicht normal." "So etwas gab es doch bisher nicht, warum denke ich nur so." Da kommen Dinge hervor, von denen wir selbst angewidert sind. Da kommt unnütze Klage und Quengelei hervor. Das ist die Torheit, es ist eines von den drei Giften, der Gier, der Wut und der Torheit, und nimmt innerhalb dieser drei eine große Stellung ein. Das ist alles selbst herbeigeführtes Unheil.

Ungeachtet dessen sagen wir: 'Bei mir gibt es so etwas nicht.' Wenn weder die Eltern noch Ältere einen zurechtweisen, dann leben wir wohl in dieser Ansicht weiter. Einfach nur leben, ohne etwas von Entwicklung und von menschlichen Wertvorstellungen wissen zu wollen, innerhalb solcher Gier leben wir und können nicht anders. Auch ein derart dürftiges Menschenleben kann es geben.

Wenn wir zu uns selbst sagen "So geht das nicht! Das darf nicht sein!", und unserer eigenen Schwäche nicht erliegen, wenn wir selbstbewusst werden und uns läutern, uns wahrhaftig einsetzen für die Gesellschaft, dann ist das für unsere Wohlfahrt, dann kommt das dem Menschen an sich zugute. Wer es schafft sich ganz hinzugeben, ist ein prächtiger Mensch.

Bringen wir es wirklich fertig, solch ein Mensch zu werden? Gar nicht erst zweifelnd müssen wir voller Selbstvertrauen sein. Leiden liegt dort, wo Selbstvertrauen fehlt; so lauten die Worte des Zen-Lehrers Rinzai. Leiden entspringt dem Mangel an Selbstvertrauen. Kein Vertrauen zu sich selbst zu haben, ist der Ursprung des Leidens.

Ju shin ku i shi sho sho: "Aufgrund des Körpers, des Mundes und des Geistes entstehen sie."

Diesen unseren Körper tragen wir, das ist eine große Leistung. Shin ku i, das meint Körper, Mund und Geist. Wir haben einen Körper und wir haben einen Geist. In Körper und Geist ist der Mund in Form der Sprache tätig. Aus dem Mund kommen die kostbarsten Worte, die dem Menschen gegeben sind.

Anhand der Fähigkeit dieses Mundes können wir Gutes wie Schlechtes tun, unseren Mitmenschen erretten oder auch auf Abwege bringen. Es gibt aber auch nichts Schwierigeres als diesen Mund. Wenn wir einzig darauf bedacht sind, aufrichtig und rein die Wahrheit mitzuteilen, dann ist das eine hervorragende Tätigkeit des Mundes. Doch mit dem gleichen Mund können wir Mitmenschen betrügen, beschimpfen wir andere. Es ist nicht leicht, es ist keine einfache Sache. Die Beherrschung dieses Körpers ist äußerst schwierig.

Mit den Händen ist es das Greifen und Halten, mit den Füssen ist es Laufen und Tragen. Können wir mit den Händen nicht frei und eigenständig alles mögliche herstellen? Das ist die Arbeit des Körpers. Können wir mit den Füssen nicht gehen wohin wir wollen?

Die Handhabung dieses Körpers, beherrschen wir sie wohl wirklich gut? In diesem Körper sind klar und deutlich die Sinne tätig. Mit den Augen nennt man es Sehen, mit den Ohren nennt man es Hören. Mit der Nase nimmt man Gerüche wahr, mit dein Mund führt man Gespräche. Und wir können auch schmecken. Diese Sinne, beherrschen wir sie frei?

Die Worte von Rinzai Zenji lauten so: "Mit den Augen nennt man es Sehen, mit den Ohren nennt man es Hören. Mit der Nase nimmt man Gerüche wahr, mit dem Mund führt man Gespräche. Mit den Händen ist es das Greifen und Halten, mit den Füssen ist es Laufen und Tragen. Von Anfang an ist dies eine reine Essenz, die aus sechs Teilen eine Harmonie bildet." Ursprünglich sind alle diese Sinne eins, sie haben alle ihren Platz in einem Geist. "Von Anfang an ist dies eine reine Essenz, die aus sechs Teilen eine Harmonie bildet." Gen Ni Bi Zetsu Shin I [aus Hannya Shingyo]. Gen Ni Bi Zetsu Shin; Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper, das sind die fünf Sinne. I, Absicht, das ist das Herz. Diesen hinzugenommen sind es sechs.

"Von Anfang an ist dies eine reine Essenz, die aus sechs Teilen eine Harmonie bildet. Wenn dieser eine Geist bereits nicht da ist, dann erlangt man überall Erlösung." Das, was hier gemeint ist, ist das Mushin, das reine Herz, der pure Geist. Es deutet auf den Zustand reinen Herzens, der frei ist vom Ich, vom Ego. Ein reiner Geist von Gleichheit, der weder Farbe noch Form hat und somit für alles offen und empfänglich ist.

"Wenn der eine Geist bereits nicht ist, dann erlangt man überall Erlösung." Wohin man auch geht, was man auch tut, es ist großartig, es ist wirklich vernünftig. Nun, wie sieht es aus? Können wir wohl zu solch einem Menschen werden? Wir haben das Leben verbracht ohne uns dieser Dinge auch nur bewusst zu sein, so sind wir bis zum heutigen Tag durchs Leben gekommen. Ohne dem auch nur Gehör zu schenken, sind wir durchs Leben gekommen. Einzig die Tatsache, dass wir gelebt haben, kann bestätigt werden. Da wir lebendig sind, haben wir von der Vergangenheit bis zur Gegenwart überlebt, nur das ist sicher.

"Wenn der eine Geist bereits nicht ist, dann erlangt man überall Erlösung." Falls dies nicht vollbracht ist, was dann? Wenn wir dessen nicht gewahr sind, können wir doch nicht behaupten, wir würden wahrlich uns selbst frei und eigenständig beherrschen.

Issai ga kon kai san ge: "Ich bekenne jetzt sämtliche Schuld und bereue." In tiefer Schuld bekenne ich alle meine schlechten Taten, die ich von der Vergangenheit bis heute begangen habe, alle zusammen genommen bereue ich und bitte ab.

Sich mit Haupt und Gliedern zu Boden zu werfen, das Sanpai, auch das ist "issai ga kon kai san ge".

Wozu machen wir das Sanpai, die Verbeugung auf dem Boden? Das ist "Ich bekenne jetzt sämtliche Schuld und bereue". Die Hinwerfung, das Zu-Boden-gehen mit Haupt und Gliedern ist so ein Akt. Alles von sich abwerfen, sich hingeben, sich reinen Herzens machen, rein vom Ego. Das ist der Ausgangspunkt. Von dort aus müssen wir die Welt ansehen. Das ist das, was man nennt, Verständnis für seinen Mitmenschen zu haben. Sich auf den Boden werfen und Schuld bekennen. Die Achtung für unseren Mitmenschen muss so sein.

"Understand", wie wird das übersetzt? "Under" und "stand". Schwierig ist das nicht. Wenn wir unserer Umgebung autoritär von oben herab begegnen, ist es nicht möglich, unseren Mitmenschen zu erretten, ihm auf den rechten Weg zu verhelfen. Es ist möglich, wenn wir von der gleichen Stufe aus nach oben streben, gemeinsam und gegenseitig uns anspornen und schulen, uns schleifen und schmieden. Ohne das ist Aufstieg und Entwicklung schwierig. Hier liegt eine große Schwierigkeit. Wenn der Vorgesetzte sich dessen nicht bewusst ist, dann bleiben in der Erziehung viele Probleme zurück.

"Understand". Die Eltern steigen herunter auf den Standpunkt des Kindes und schauen das Kind von dessen Standpunkt an. So eine Haltung haben wir wohl anzunehmen. Der Lehrer steigt auf den Standpunkt des Schülers herunter und sieht die Dinge von dessen Standpunkt aus. Gerade das ist "understand". Anders ist es nicht möglich, seinen Mitmenschen zu verstehen.

"Ich bin der Lehrer und du bist Schüler. Ich bin der Vater, die Mutter und du bist noch Kind. Sei still!" So ist das nicht "understand", so ist es schwierig. Im Gefüge der Gesellschaft kommt es an diesem Punkt zu Reibereien, dort entsteht Streit, dort kommt es zum Abbruch von Beziehungen. Wenn es von einer starken Nation aus einem schwachen Land gegenüber kein "understand" gibt, wird ihm gewiss nicht geholfen, das ist nicht möglich. Dasselbe gilt auch für Völker, die sich verstreiten, ebenso für Religionen. Dort fehlt das Verständnis für das, was "understand" tatsächlich bedeutet. Das gilt auch für Politiker und das gilt auch für Wirtschaftsleute. Gerade im Bereich von Wirtschaft und Handel gibt es besonders wenig Verständnis dafür. Deshalb ist es schwierig. So ist es mit allen Dingen. Da gibt es wohl nichts, das so gründlich ist wie das Reuebekenntnis, das Sangemon. Sich ganz hingeben, sich zur Erde werfen und von der Erde aus die Dinge ansehen, von ganz unten aus die Dinge ansehen. Sich mit dem Haupt und Gliedern zu Boden werfen, Sanpai zu machen, hat gerade diese Bedeutung, hat diesen tiefen Sinn.

Das ist nicht nur im Buddhismus so. Im Christentum wirft sich selbst der Papst von Rom zur Erde, wenn er ins Ausland reist, in ein Land, das er zum ersten Mal besucht. Er steigt vom Flugzeug aus die Treppe hinunter und betritt den Boden des Landes. Dort wirft er sich zu Boden, senkt sein Haupt zur Erde, geht auf die Knie und legt die Hände auf die Erde. In dieser Haltung erscheint er dort. Das gibt es nicht nur im Buddhismus. Und ist es nicht genau so im Islam, dass sie diese Haltung annehmen, dass sie sich zu Boden werfen? Selbstverständlich ist auch die Hinwerfung der tibetischen Mönche, auch die Hinwerfung im Buddhismus Südasiens, auch das Sanpai des japanischen Buddhismus dasselbe. "Issai ga kon kai san ge" ich bereue jetzt alle meine Vergehen. Wenn wir dessen Inhalt, dessen Wirklichkeitsgehalt mit diesem Körper erfassen und damit wirklich durchs Leben gehen, dann ist das doch großartig, oder nicht? Was denkt ihr?

Ga shaku sho zo sho aku go kai yu mu shi ton jin chi ju shin ku i shi sho sho issai ga kon kai san ge. Diese Worte werden drei Mal hintereinander gelesen. Bei der Mönchsweihe ist das Sangemon selbstverständlich das Gelübde an erster Stelle, man bekennt sich schuldig und bittet ab. So eine Geisteshaltung nimmt man an.

Im eigenen Dojo [Trainingszentrum], dem Tekishinjuku, lesen wir diese Worte jeden Morgen. Nach dem Tode ist es zu spät. Auf der Totenfeier das Sutra Sangemon zu lesen, dort ist es zu spät. Wenn irgendwo eine buddhistische Totenfeier stattfindet, dann wird zuerst das Sangemon gelesen. Man liest das Sangemon für den Toten, obwohl er es nicht mehr hören kann, trotzdem wird nach dem Tod, auf der Totenfeier, das Sangemon gelesen. So wird der Buddhismus, der eigentlich für die Lebendigen bestimmt ist, noch zum Buddhismus für die Toten. Hier nehmen wir deshalb das Sangemon in den Morgendienst hinein. In anderen Tempeln wird bei der Morgenlesung so etwas wie das Sangemon nicht rezitiert. Andere Priester beten bei der Morgenlesung weder das Sangemon noch das Sankikai. Hier im Tekishinjuku, im eigenen Dojo lasse ich es lesen. Buddhismus ist für das jetzige Leben. Was andere Priester nicht tun, das tun wir hier.

Es geht nicht darum, einfach ahnungslos ein Sutra zu lesen. Weil die hier Versammelten ein prächtiges Leben ohne Reue führen sollen, ist dieser Sutratext hineingenommen und leben wir diesen Alltag vom Tekishinjuku. Wenn dem nicht so wäre, dann sollte es nicht möglich sein den Tempel zu betreten. In der Hinsicht ist es auch ein wertvoller und erhabener Ort. Doch ohne dem zu unterliegen, wollen wir uns hier schulen und bilden, und müssen wohl dankbar sein für diese Fügung. Vielleicht sind wir uns dessen nicht bewusst, aber es ist eine erhabene Sache, die Bestimmung zu haben hier zusammenzukommen, teilzuhaben an dieser Fügung und hier aufgehoben zu sein in dieser Bestimmung, die bedeutet, der Frage "Was ist mein Selbst?" auf den Grund zu gehen. In dieser Erhabenheit sollten wir uns selbst wachsen lassen, uns zu einem selbständigen Menschen heranbilden und uns unsere Anschauungen erneut klar machen. Das bedeutet nicht, sich irgend etwas Schwieriges einzuprägen, sondern sich vollkommene Klarheit von einer aufrichtigen Lebensweise zu verschaffen, einer Lebensweise, die ergründet, was es bedeutet Mensch zu sein. Das heißt nicht, sich Theorie einzuprägen. Den Weg wahren Glücks zu erfassen, das reicht aus. Eine menschliche Wertvorstellung zu gewinnen, das ist genügend. Diesen Körper frei und eigenständig beherrschen zu lernen, das genügt. Um das zu erreichen, müssen wir uns wohl doch inmitten von Kälte und Qualen durchsetzen.

Die erste Blüte, die sich zu Beginn des Frühlings öffnet, ist die Pflaumenblüte. "Kälte und Qualen ertragend, entfaltet die Pflaumenblüte einen edlen Duft." Die Pflaumenblüte ist in der Kälte durch Frost und Schnee gegangen, dann entfaltet sie erstmals ihren wunderbaren Duft und lässt die Blüte aufgehen.

"Kälte und Qualen ertragend, entfaltet die Pflaumenblüte einen edlen Duft." Auch das Zen-Training geht über unseren Körper. "Durch Leid und Qualen kommt strahlend das Licht und entsteht zweifellos große Blüte." Nur mit Bequemlichkeit geht es nicht. Durch die Erfahrung von Leid, von dort kommt zum ersten Mal strahlender Glanz und glorreiches Leben her! Dessen müssen wir uns bewusst werden! Nun,... so wünsche ich zu denken.

In der heutigen Gesellschaft ist es eher so, dass es solche Menschen nicht gibt, die diesen Weg nicht nur lehren sondern auch selbst begangen haben. Da wir solch einem Menschen auch nicht begegnen, könnte man sagen, das ist bedauernswert. Obwohl es so viele Menschen gibt, gibt es doch niemanden, der so eine Geisteshaltung annimmt. Auch keinen Versuch, sich zu so einem Menschen heranzubilden. Ohne uns einer Absicht, eines Zieles, wozu wir etwas tun, im Klaren zu sein, entschließen wir uns irgendwie, etwas zu tun, leisten wir irgendwie unsere Pflicht und Arbeit, leben irgendwie, verbringen irgendwie den Alltag. "Wenn ich mache, wie es gerade passt, dann wird es wohl gut sein." Nach einem derart bequemen und simplen Lebensstil streben wir.

Dann geht das nicht über jene Welt hinaus. Dann ist das nur jenes Leben und nichts mehr. Dann ist das doch nicht mehr als gerade dieser Mensch. Oder nicht? Wem das nicht genügt, der richtet sich an sich selbst: "So geht das nicht!", und prüft sich mit unerschütterlichem Blick. Dann gibt es ein tiefgründigeres Selbst. Dann ist da ein wunderbareres Selbst. Dessen müssen wir wohl gewahr werden. Und schließlich zeigt sich dort zum ersten Mal unmittelbar, was wahre Freude dieses Körpers ist. Diesen Tag, wo wir uns selbst genügen, möchte ich erwarten. Dafür haben auch die Vorfahren Mühe und Anstrengungen auf sich genommen. In diesem Sinne müssen wir uns ausharrend einsetzen, um puren Geistes, reinen Herzens zu werden.

Ga shaku sho zo sho aku go kai yu mu shi ton jin chi ju shin ku i shi sho sho issai ga kon kai san ge.

Ich habe in der Vergangenheit alle möglichen schlechten Taten vollbracht. Sie haben alle ihren Ursprung in der Gier, der Wut und der Torheit. Aufgrund des Körpers, des Mundes und des Geistes entstehen sie. Ich bekenne jetzt sämtliche Schuld und bereue.


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 2/09, S. 14-21
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
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Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
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ZENSHIN erscheint halbjährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2010