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PRESSE/916: Weiter in Richtung Nirvana - Meditationserfahrungen in Sri Lanka (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2011
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Weiter in Richtung Nirvana
Meditationserfahrungen in Sri Lanka

Von Michael Schmidt


Als der Vorstand von der Hilfsorganisation "Sahana" die Reise zu den Projekten im Oktober 2010 plante (siehe Artikel Seite 12 [Im Schattenblick zu finden unter: www.schattenblick.de -> Religion -> Buddhismus -> PRESSE/911: Neue Projekte des Fördervereins "Sahana" in Sri Lanka (DMW)]), kam dem Vorsitzenden Rajah Wirasekara die Idee, den Aufenthalt in Sri Lanka auch für ein Retreat zu nutzen. Seine Frau und der Autor dieses Artikels waren sofort damit einverstanden. Rajah fand im Internet für uns einen geeigneten Platz in der Nähe von Kandy, das "Paramita Buddhist Centre" in Kadugannawa. Wir meldeten uns über die Webseite an und waren gespannt, was uns dort erwarten würde, denn keiner von unseren buddhistischen Bekannten kannte dieses Zentrum.

Am 4. Nov. 2011 stiegen wir Drei dann in Colombo in den Zug in Richtung Kandy. Es war ein normaler warmer Sonnentag. Dass ich die Sonne eine zeitlang nicht mehr sehen sollte, war mir da noch nicht bewusst.

Nachdem wir Colombo und die nicht so attraktiven Vororte hinter uns gelassen hatten, tauchten wir in eine wunderschöne Landschaft ein.

Mir gegenüber saß ein junger Mann, seine rechte Hand war amputiert. Trotzdem lächelte er mich optimistisch an. Auf meine Frage nach dem Grund der Verletzung zeigte er auf den frischen Verband und sagte nur kurz "the war". Ja, das Paradies hat auch Schattenseiten.

Der Zug schraubte sich immer höher in die Bergwelt. Es wechselten sich Reisfelder mit steilen, wilden Schluchten und Regenwäldern ab. Kurz vor dem Erreichen unseres Zielortes Kadugannawa begann ein recht starker Regen. Als wir am Bahnhof ausstiegen, wurde er noch stärker. Dies sollte in den nächsten 3 Tagen auch so bleiben. Nun wusste ich warum dies Biotop Regenwald heißt.

Der Ort liegt inmitten einer Schlucht, kurz hinter dem "Balana Pass". Steile mit Wald bewachsene Berghänge recken sich an beiden Seiten nach oben. Unser Ziel, das "Paramita Buddhist Centre" lag auf einem dieser Berge. In Serpentinen angelegte Treppen zeigten uns denWeg zur imposanten Empfangshalle.

Dort empfing uns der Abt des Zentrums Bhante Sangharatana. Wir wurden freundlich begrüßt, und nach unseren Erwartungen und den Erfahrungen in der Meditation gefragt. Der Bhante teilte uns mit, dass er extra für uns eine Meditationslehrerin eingeladen hat. Manohari, das ist ihr Name, ist auf "Anapanasati" (die Betrachtung des Atems) spezialisiert. Außerdem hat sie auch Erfahrung in Geh-Meditation. Den Tagesablauf konnten wir selber in Absprache mit Manohari gestalten. Wir vereinbarten folgenden Tagesablauf:

7:00 Puja
7:30 Frühstück
8:30 Möglichkeit zu Einzelgesprächen
9:00 Unterweisung in die Meditation durch Manohari
11:30 Mittag
Danach frei für Meditation usw.
18.00 bei Bedarf Abendessen
19:00 Puja,
danach Dhammatalk
(Gesprächsrunde mit dem Bhante)

Nach der Einführung wurden wir zu unseren Unterkünften (Kutis) geführt. Sie waren ausgestattet mit Bett, Tisch und Stuhl, sowie einem für ein Kuti gut eingerichteten und sogar mit Warm- und Kalt-Dusche ausgestatteten Sanitärraum. Die kleinen Häuser waren gut in den Dschungel, der uns umgab eingepasst. Wenn man die Verkehrsgeräusche aus dem Tal überhört, könnte man denken man sei in einem Waldkloster.

Da wir rechtzeitig angekommen waren, konnten wir gleich an der Abendpuja teilnehmen. Außer uns Dreien waren noch eine junge Engländerin und ein junger Amerikaner mit von der Partie.

Zu unserer Überraschung erschien noch ein zweiter Mönch, nämlich Bhante Wanaratana.

Ein toller Service: uns fünf Retreat-Teilnehmern standen 2 Mönche, eine Meditationslehrerin, ein Koch, 2 Küchengehilfen, ein Hausmeister, so wie noch mehrere Helferinnen und Helfer zur Verfügung. Und das alles auf Dana-Basis.

Die Puja begann mit der Darbietung der Opfergaben, die wir gemeinsam durchführten. Dann bekamen wir ein Heft mit den Rezitationstexten in Englisch und Pali. Nach der gemeinsamen Rezitation und einer kurzen Meditation klärte uns Bhante Sangharatna über die Bedeutung und Sinn einer Puja, der Opfergaben und den Rezitationen auf. Der Bhante fragte uns, ob wir bereit seien für Zeit im Zentrum alle 10 Silas einzuhalten. Wir stimmten zu und wurden in die Silas 6-10 eingeführt. Im darauf folgenden Gespräch ging es um die Entwicklung der Sangha in Sri Lanka.

Das war unser erster Tag. Mit dem Gefühl hier richtig zu sein fiel ich leicht erschöpft ins Bett.

Am nächsten Vormittag hatten wir unsere erste Einweisung von Manohari. Sie begann mit der "Geh-Meditation". Bislang praktizierte ich diese Übung nach der Methode von Ayya Khema. Hier lernte ich was Neues: "Nicht auf die die Atmung oder das Abrollen der Füße konzentrieren, sondern die ganze Körperbewegung wahrnehmen. Den Körper gehen lassen, wie das Gewicht von links nach rechts wechselt usw. Die Geschwindigkeit dem Körper überlassen. Dafür ist es sinnvoll eine individuelle, gerade Geh-Strecke auszuwählen. Der Weg sollte möglichst lang sein. Kommt ein Hindernis, oder ist der Weg zu Ende, bewusst stehen bleiben, umdrehen und zurückgehen".

Je länger ich das machte, desto mehr beruhigte sich der Geist, wurde konzentrierter, mein Tempo wurde automatisch ruhiger, und ich blieb gut in der Balance. Letzteres war für mich wichtig, da ich gehbehindert bin. Nach ca. 20 Minuten spürte ich, dass es nun an der Zeit war, sich hinzusetzen um weiter zu Meditieren. Dies gelang übergangslos und war sehr erfolgreich. Seitdem beginne ich immer (wenn möglich) mit einer Gehmeditation.

Am Nachmittag gab es eine Einführung in die Atembetrachtung (Anapanasati). Auch hier für mich etwas Neues: "Am Besten sei es, das Kommen und Gehen des Atems nur an einem Nasenloch zu betrachten". Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es immer besser.

Am Abend hörte es zum ersten Mal auf zu Regnen so dass sogar ein Sonnenuntergang zu erkennen war. Uns wurde später erzählt, dass der ausgiebige Regen im November unüblich sei. Wahrscheinlich zeigt sich auch hier der Klimawandel.

Während der Abendpuja wurden wir durch Bhante Wanaratana in die Mettameditation eingeführt. Im anschließenden Gespräch ging es dann um den Buddhismus in Sri Lanka heute.

Beide Bhantes waren trotz ihres jungen Alters sehr gebildet und kannten sich im Dhamma sehr gut aus. Besonders gefiel mir die rationale Sicht auf den Dhamma mit der klaren Unterscheidung zwischen der Lehre und den Traditionen.

Jeden Morgen, wenn ich vor mein Kuti trat, fiel mir die Schönheit der Landschaft auf, die mich umgab. Der Verkehrslärm, der mich anfangs noch störte, trat immer mehr in den Hintergrund. Auch die angenehmen Räumlichkeiten, die große Dhammahalle, die begehbare Stupa trugen das Ihre zum guten Gelingen der Meditationsübungen bei. Die freien Nachmittage boten die Möglichkeit, sich vollständig zurückzuziehen. Auch dies kam mir für meine Meditationsübungen sehr entgegen.

Am 7.11.2010 trug uns Manohari das "Ananpanasati-Sutta" vor. Im anschließenden Gespräch wurde klar, dass Anapanasati 16 Stufen hat und gleitend in die Vipassana-Meditation führen kann. Aber auch nur durch die Atembetrachtung ist das Erreichen der Befreiung möglich.

An diesem Tag verließen uns Lucie und Jackson, die Engländerin und der Amerikaner, um weiter das Land zu erkunden. Nun waren es nur noch Drei.

Nach der Abendpuja sprachen wir mit den beiden Bhantes über Probleme des Buddhismus in Sri Lanka. Trotz der z.T. aggressiven Missionsversuche einiger christlicher Sekten, sahen sie den Buddhismus in Sri Lanka nicht gefährdet, wenn er sich um Authentizität bemüht und die buddhistische Bevölkerung sich um die Inhalte der Lehre bemüht. Dadurch würde dann die Auswirkung der Missionierung gemindert. Außerdem berichtete Bhante Sangharatana, dass immer mehr junge Leute vorübergehend in die Tempel gehen.

Auch die weiteren Abendgespräche waren sehr interessant und führten uns zu neuen und der Vertiefung von uns schon bekannten Themen.

Ich persönlich bin in meiner Meditation einen großen Schritt vorangekommen. Nach der Hälfte der Zeit fiel mir plötzlich auf, dass die Schmerzen in meiner Hüfte und im Rücken verschwunden waren. Ein ganz neues Lebensgefühl. Leider, besonders nach den langen Busfahrten, konnte ich sie später wieder begrüßen. Aber immerhin, wenn's dem Geist gut geht profitiert auch der Körper.

Das Zentrum, die Atmosphäre und die Menschen kamen mir sehr entgegen. Besonders für Westler ist ein Retreat durch die individuellen Möglichkeiten sehr zu empfehlen.


Info:
Paramita Meditation Center, Kadugannawa, Sri Lanka
www. Paramitaibc.org/
Tel.: +9481- 2570732


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
43. Jahrgang, Mai - August 2011/2555, Nr. 2, Seite 25-27
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2011