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PRESSE/927: Sind westliche Buddhisten tolerant? (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2011, September - Dezember
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Sind westliche Buddhisten tolerant?
Erfahrungen eines Übenden auf dem Zen Weg

von Ulrich Beck


Die obige Frage mag seltsam anmuten, werden doch Buddhisten gemeinhin für friedliche und tolerante Menschen gehalten. Zahlreiche Thailand-Urlauber hatten schon Gelegenheit, diese angenehmen Charakterzüge persönlich zu erfahren, und auch die Bildberichte aus dem von der schrecklichen Katastrophe heimgesuchten Japan zeigen in der Bevölkerung des Inselstaates eine auffallend gering ausgeprägte Aggressionstendenz der Regierung und dem betreffenden Unternehmen gegenüber, die Ausdruck der buddhistischen Prägung dieses Landes sein dürfte.

Sind diese Friedfertigkeit und Toleranz auch bei westlichen Buddhisten zu erkennen? Wenn echte Toleranz vorhanden wäre, müsste sie auch im interreligiösen Umgang miteinander zu finden sein. An dieser Stelle taucht sogleich eine weitere Frage auf. Wer unter uns westlichen Buddhisten hat wirklich die Berechtigung, sich als einen solchen zu betrachten und auszugeben? Hat doch allein aufgrund des Zeitfaktors, nämlich. der vergleichsweise kurzen Präsenz bei uns im Westen diese Religion noch keine tiefen Wurzeln schlagen können. Zwar gab es in Deutschland schon mit Schopenhauer, der seine Vorstellungen durch den Buddhismus bestätigt sah, und Nietzsche (man kann ihn wohl kaum als dem Christentum gegenüber toleranten Philosophen bezeichnen) schon "frühe" Sympathisanten, aber ob sie wirklich eine tiefgehende Kenntnis der Lehren besaßen oder jemals "praktiziert" hatten, muss offen bleiben. Im Übrigen fühlte sich auch Richard Wagner zeitweilig zum Buddhismus hingezogen und plante eine romantische buddhistische Oper mit einer Liebesgeschichte Anandas als Kernpunkt der Handlung. Wie wir wissen, gab es schon im frühen 20. Jahrhundert deutsche Ausgaben der Lehrreden, aber von einer Verbreitung buddhistischen Gedankengutes konnte zunächst noch nicht die Rede sein.

Für mich war beispielsweise Georg Grimms Hauptwerk aus dem Jahre 1957 "Die Lehre des Buddho" bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht 1957 "Die Lehre des Buddho" bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht aufwies, nach der man wirklich "lernen" konnte. Erst viel später begann ich zu begreifen, dass die Praxis mit der Ausübung der Lehre das Entscheidende ist. Die Zahl praktizierender Buddhisten hat wohl innerhalb der letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zugenommen, und die Popularität einiger buddhistischer Lehrer wie des Dalai Lama ist bemerkenswert groß. Dennoch bleibt die Frage offen, wer wirklich ein echter praktizierender Buddhist ist. Bekanntlich sind die Kenntnis oder das Verständnis der Lehren noch keine stichhaltigen Kriterien, welche die Bezeichnung "Buddhist" rechtfertigen, da der Praxis im Buddhismus eine überragende Rolle zukommt. Sicherlich hat jeder unter uns Buddhisten (ich wage es, mich so zu titulieren) schon Erfahrungen gemacht, welche das oben angesprochene Toleranzkonzept in Frage stellen. Hierüber möchte ich aus eigener Erfahrung berichten.

Ein erst ganz kurz zurückliegendes Erlebnis stieß mich (beinahe gewaltsam!) darauf, über Toleranz von bekennenden Buddhisten gegenüber unterschiedlichen buddhistischen Traditionen und anderen Religionen nachzudenken. Gemeinsam mit einer Zen-Freundin hatte ich ein Buch über Lehrgeschichten aus Nördlicher und Südlicher Tradition des Buddhismus mit Kommentaren unserer gemeinsamen Lehrerin, der Ehrw. Myokyo-ni (Dr. Irmgard Schlögl) aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und zur Publikation an einen Verleger geschickt, der vorwiegend Theravada-Texte herausbringt. Zunächst zeigte er sich sehr interessiert, beinahe sogar begeistert, und wollte das Werk herausbringen. Die Autorin, eine international (besonders in England und Japan) bekannte Zen-Meisterin hat bei ihrer Darstellung der Lehren häufig auf Parallelen mit anderen Religionen, vorwiegend mit dem Christentum, hingewiesen, um westlichen Lesern mit christlich geprägtem kulturellen Hintergrund das Verständnis zu erleichtern. Gelegentlich wurden auch daoistische Vorstellungen erwähnt. Dies schien dem Herausgeber jedoch sehr suspekt und nicht vertretbar zu sein. Schließlich müsse man sich doch einer ausschließlich buddhistischen Nomenklatur bedienen. Sein Unbehagen schlug dann sogar in Aggression um, so dass er die Autorin als eine "Nicht-Versteherin der Buddha-Lehre" bezeichnete und die Herausgabe des Buches definitiv ablehnte.

Vergleichbare Erfahrungen machte ich auch bei Zen-Buddhisten, die sich dem Christentum gegenüber mehr als ablehnend und abwertend äußerten. In der Gruppe eines Zen-Kreises, welcher ich mich in den achtziger Jahren vorübergehend angeschlossen hatte, attackierte der "Leiter" das Christentum nach jeder gemeinsamen Sitzung, wobei er die Überlegenheit "unserer" Religion, nämlich des Buddhismus', herauszustellen versuchte. Kann man sich selbst mit einer derartig intoleranten engstirnigen Haltung wirklich wohl fühlen? Ich fühlte mich jedenfalls keineswegs wohl und suchte mein "Heil" bei einer anderen Zen-Gruppe. Auch hier war leider von religiöser Toleranz nichts zu spüren: hier war es sogar verpönt, sich frohe Weihnachten oder Ostern zu wünschen. Nach einem Jahr Probezeit sollte man sich um die vollwertige Mitgliedschaft in der Gruppe bewerben. Die Voraussetzung allerdings sei, dass man seinen Austritt aus einer der christlichen Kirchen unter Beweis stellte. Es musste ein amtliches Schreiben als Bestätigung über den Austritt aus der Kirche vorgelegt werden. Nun, dieses Verfahren führte dazu, mich nochmals neu zu orientieren, und diesmal war es der große Glücksfall, von der oben erwähnten Lehrerin und Autorin mehrer Bücher als Schüler angenommen zu werden.

Später, als einmaliger Gast in einer von einem asiatischen Meister geleiteten Zen-Gruppe, wurde ich Zeuge, wie der Meister abfällige Bemerkungen über den Theravada-Buddhismus hervorbrachte und die Überlegenheit der Zen-Schule pries. "Intoleranz gibt es also nicht nur bei westlichen Buddhisten", dachte ich im Stillen. Nun könnte man denken, es sei doch nur menschlich, die eigene religiöse Tradition anzupreisen und sie höher als andere zu stellen. Die Geschichte wimmelt ja nur von solchen Beispielen und den sich daraus ergebenden erschreckenden Folgen. Wir sehen also schon aus diesen selbst erlebten wenigen Erfahrungen, dass religiöse Toleranz keineswegs überall in buddhistischen Kreisen anzutreffen ist.

In der folgenden Zusammenfassung möchte ich mich an den Vier Edlen Wahrheiten orientieren:

E r s t e n s  lässt sich sagen, dass Intoleranz eigenes und anderen zugefügtes L e i d e n ist. Dies wirkt einengend und lässt keine menschliche Wärme und Herzlichkeit aufkommen.

Z w e i t e n s  stellt sich die Frage nach der Ursache dieses Leidens. Sie liegt unter anderem darin, dass die Verwurzelung in der ursprünglichen oder angenommenen Religion (hier ist von Buddhismus die Rede) nicht tiefgehend genug ist. Die Folge sind uneingestandene Selbstzweifel und Unsicherheit, sodass die "andere" Religion oder Tradition "kompensatorisch" abgelehnt, schlimmstenfalls sogar verteufelt werden muss. Bedeutsam für eine wirklich tiefe Verwurzelung im Buddhismus sind natürlich auch karmische Beziehungen die vorhanden sein müssen.

D r i t t e n s  gibt es eine Heilung dieses Leidens.

V i e r t e n s  ist die Heilung dieses Leidens in dem Edlen Achtfachen Pfad formuliert, wobei besonders eine entsagende, hasslose und friedliche Gesinnung kultiviert werden muss.

Mögen wir uns alle darum zu unserem gegenseitigen Wohl bemühen!


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2011, September - Dezember, Seite 16-18
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2011