Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → BUDDHISMUS

PRESSE/946: Meditation im Liegen (Buddhistische Monatsblätter)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2012, Januar - April
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Meditation im Liegen

von Ajahn Cittapala



Der Buddha empfiehlt, sich auf die rechte Seite zu legen. Der Körper ist gestreckt, die Beine liegen gerade aufeinander, der linke Arm ruht lang oben auf der linken Körperseite, während der rechte Arm angewinkelt am Boden liegt und dem Körper Stabilität verleiht. Die Seite des Kopfes ruht in der Handfläche. Im Tempel in Kushinagar in Indien, der an der Stelle errichtet wurde, an der der Buddha ins Parinibbana einging (die "Erlöschung", d.h. die restlose Befreiung von allen künftigen Wiedergeburten), gibt es eine überlebensgroße goldene Statue, die den Buddha in dieser "Löwenhaltung" zeigt. Dort wird der Kopf zusätzlich durch ein Kissen unterstützt.

Während ich dies heute schreibe, ist Vesakha puja, der wohl eher symbolische Jahrestag der Geburt, Erleuchtung und des Parinibbna des Buddha. Daher bietet es sich an, im Zusammenhang mit der "Löwenhaltung" etwas ausführlicher über diese letzte Station im Leben des Buddha zu schreiben. Dazu hat Bhikkhu Ñanamoli in seinem Buch "The Life of the Buddha" eine Zusammenfassung aus den Sutten (hauptsächlich D 16) gegeben. Unter anderem beschreibt er eine Konversation, in der der Buddha den Ehrenwerten Ananda bittet, ihm einen Platz zum Hinlegen zu bereiten:

"Ananda, bitte mache mir eine Liegestatt fertig, deren Kopfende nach Norden zeigen soll, zwischen den beiden Sala-Bäumen. Ich bin müde und will mich hinlegen"

"So soll es geschehen, Herr", antwortete der Ehrenwerte Ananda und erfüllte diese Bitte. Dann legte sich der Gesegnete in der Schlafposition des Löwen nieder, auf seine rechte Seite, wobei ein Fuß über dem anderen lag, achtsam und in vollem Gewahrsein. (S. 314, Übersetzung Sr. Cp.)

In dieser Haltung verabschiedete sich der Buddha dann im Laufe der Nacht mit ausführlichen Belehrungen von den sich um ihn versammelnden Ordinierten, Laien und himmlischen Wesen. Seine letzten Worte werden so wiedergegeben:

"Wahrlich, Bhikkhus, dies ist, was ich euch verkünde: Es liegt in der Natur aller bedingten Phänomene, dass sie sich auflösen. Erlangt Vervollkommnung, indem ihr euch eifrig bemüht." (S. 324, Übersetzung Sr. Cp)

Danach durchlief der Buddha alle Stufen der meditativen Versenkung, bis er ins Parinibbana eintrat. Was da am Ende in der Löwenposition lag, waren nur noch die körperlichen Reste.

Die Meditation im Liegen ist also nicht zu unterschätzen. Wenn wir diese Position einnehmen, können wir uns an diese letzten Worte des Buddha erinnern und uns tief inspiriert und angespornt fühlen. Alle, die ihren schmerzenden Rücken ausruhen und dabei weiter meditieren wollen, können auf wahrscheinlich leichter erträgliche Weise über die Vergänglichkeit, das Unbefriedigende und Unpersönliche aller Formen und Bedingungen kontemplieren - anicca, dukkha, anatta - und Freude sowie Trost aus solchen Einsichten gewinnen. Auch diejenigen, die nachts nicht einschlafen können, wollen vielleicht, anstatt sich deswegen zu ärgern oder Sorgen zu machen, die Zeit zum Meditieren nutzen. - Das entspannt, und ehe man sich versieht, ist man schließlich doch eingeschlafen! Oder man gewinnt Einsichten in die Nutzlosigkeit des Sich-Sorgen-Machens und wendet sich erhebenden Gedanken zu, zum Beispiel an Menschen und Situationen in unserem Leben, für die wir dankbar sein können; oder man denkt an jene Menschen, die auch Schmerzen erfahren, mit liebender Güte. Wer die Nacht durch meditieren will, legt sich vielleicht lieber auf einen nicht zu weichen Untergrund, sollte sich aber mit einer Decke zudecken, weil der Körper beim Entspannen leicht auskühlt. Wer trotz des härteren Untergrunds zum Einschlafen neigt, kann sich einen Timer oder seinen Wecker (auf "snooze") stellen und sich so in kurzen Abständen wieder zum Meditieren zurückrufen.

Der Vorteil dieser "Löwenposition" gegenüber der bequemeren, leicht eingerollten Haltung des Auf-der-Seite-Liegens besteht gerade darin, dass sie nicht so bequem ist und man eine gewissen körperliche Wachheit mobilisieren muss, um nicht nach vorn oder hinten zu rollen. Man schläft also nicht so leicht ein, weil man die Balance halten will.

Worauf richtet man seine Achtsamkeit im Liegen? Wie in allen anderen Haltungen kann man erstmal bei den Empfindungen im Körper bleiben. Am Anfang empfiehlt es sich, sich in das Ausatmen hinein zu entspannen und das Gewicht in den Boden sinken zu lassen. Dann kann man mit der Aufmerksamkeit langsam durch den Körper wandern, z.B. von den Zehenspitzen bis hoch zum Kopf und zurück. Ich habe mich daran gewöhnt, das Mantra "Buddho" zu wiederholen, - "Bud" mit dem Einatmen und "dho" mit dem Ausatmen. - Das ist eine anhaltende Erinnerung an "das was weiß" und ein ständiges Trennen und Loslassen von dem, was sonst im Geist aufsteigt. Auch jede Form der Betrachtung des Atems ist möglich, ob an der Nasenspitze, über dem Herzen oder in der Gegend des Bauchnabels. Wer wach genug bleibt, kann in dieser Haltung praktisch zu allen Bereichen der Achtsamkeit praktizieren und die Nacht mit Einsichtsmeditation verbringen.

Das Gute bei der Meditation im Liegen ist also, dass der Körper sich ausruhen kann, während der Geist sich auf eine Weise ausruht und stärkt, die oft tiefer und heilsamer ist als beim Schlafen. "Schlaflose" Nächte können auf diese Weise zu einem wahren Segen werden. Wer das nicht glauben will, kann es ausprobieren!

*

Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 1/2012, Januar - April, Seite 38-40
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V.
Beisserstr. 23, 22337 Hamburg
Tel.: 040 / 6313696, Fax: 040 / 51902323
E-Mail: bm@bghh.de, bghwiebke@gmx.de
Internet: www.bghh.de
 
Die Buddhistischen Monatsblätter erscheinen
vierteljährlich.
Einzelpreis: 5,-- Euro
Abonnementspreis: 20,-- Euro jährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012