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PRESSE/979: Lebhafter Theravada-Buddhismus (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2014
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Lebhafter Theravada-Buddhismus

von Axel Rodeck



Freude erfaßte den buddhistisch interessierten Zeitungsleser, als er die hiesige "Hannoversche Allgemeine Zeitung" vom 14. Oktober 2013 aufschlug. Denn er erfuhr, dass in Hannover, im thailändischen Wat Dhammavihara, ein Treffen thailändischer Mönche stattgefunden hatte. Über 100 Mönche und etwa 400 Besucher aus der ganzen Welt waren erschienen, um die Zukunft des Theravadabuddhismus zu erörtern und um zu diskutieren, wie die buddhistischen Lehren in der ganzen Welt verbreitet werden könnten. Eine Sprecherin erklärte, man wolle auf die Menschen zugehen, die sich für den Buddhismus interessierten, ohne Thailänder zu sein.

Die Sprecherin braucht diesbezüglich freilich nicht lange zu suchen, denn eine Gruppe der von ihr angesprochenen Art ist in Form des Buddhistischen Bundes Hannover längst (seit 50 Jahren!) vorhanden. Warum dieser in das lobenswerte Projekt nicht eingebunden, ja nicht einmal von dem Treffen in Kenntnis gesetzt wurde, muß doch gefragt werden. Eine bessere Brücke zwischen Theravada-Buddhismus und Kultur des Gastlandes dürfte sich kaum finden lassen. Schade. Doch wollen wir den Vorfall nutzen, um einmal locker und ohne Anspruch auf Tiefgang einige (subjektive) Bemerkungen zur thailändisch-buddhistischen Realität zu machen.

Das hiesige Wat Dhammavihara, der Umbau eines traditionsreichen hannoverschen Ausflugslokals, wird mit großzügiger Beteiligung des thailändischen Staates errichtet. Es dient auch verwaltungstechnischen Zwecken, insbesondere der Betreuung der zahlreichen hier lebenden Thailänderinnen. Dass nicht nur im europäischen Ausland viel Geld in Klosterbauten gesteckt wird, sollen einige Beispiele aus dem Nordosten Thailands zeigen:

Da wurde zunächst bei der Provinzhauptstadt Nong Khai im Wat Phra That, zeitgemäß auf Betonfundament, eine neue Halle gebaut; ein geräumiger Neubau ist beim Wat Hin Mak Peng direkt am Mekong entstanden; beim kleinen Dorf Banton erfreut das Wat Phra That mit einem Neubau und das Vipassana-Meditationszentrum Wat Noen Phra Nao zeigt eine großzügige Anlage. (s. Bilder [in der Originalpublikation])

Es ergibt sich die Frage, ob die Bewohner der Tempelanlagen sich vorbildlich dem Studium der Buddhalehre und der Meditation widmen. Natürlich muß man sich vor Verallgemeinerungen und Pauschalurteilen hüten. Doch fällt es auf, dass in den Zeitungen zunehmend von Mißbrauch und Schwindel die Rede ist, beispielsweise von dem im Privatjet herumfliegenden Mönch (s.u. "Auch das noch") Immerhin scheint die Genußsucht unter den Mönchen schon so weit fortgeschritten zu sein, dass auf dem Tempelgelände des Wat Phra That unter der Überschrift "Korruption" Warntafeln aufgestellt wurden, die einen gefräßigen "Asketen" zeigen (s. Bild [in der Originalpublikation]). Freilich war mönchische Völlerei schon zu Lebzeiten Buddhas ein Ärgernis.

Die Mönche sind offensichtlich ein Spiegelbild der Gesellschaft, aus der sie kommen. Diese Gesellschaft verkommt aber derzeit in einem Sumpf von Korruption und Rechtsbeugung. Empörung verursacht gerade ein Sachverhalt, der den jungen Milliardenerben des "Red Bull"- Getränks betrifft. Dieser hatte, mit überhöhter Geschwindigkeit und unter Drogeneinfluß seinen Ferrari fahrend, einen Polizisten getötet. Ihm gelingt es aber immer wieder, sich trickreich polizeilicher Festnahme zu erwehren.

Ein weiteres Ärgernis ist neuerdings der Rassismus. Zunehmend werden Europäer angegriffen, insbesondere, wenn sie in Begleitung von Thailänderinnen sind. Der Rassendünkel verwundert nicht, schwärmt doch schon die thailändische Nationalhymne, Thailand sei "die Verkörperung allen Blutes und Fleisches der thailändischen Rasse". Allerdings müssen wir einräumen, dass die Nationalhymne vor mehr als 100 Jahren gereimt wurde - von einem gebürtigen Deutschen. Dennoch zeigt der Rassismus auch heute seine Folgen. So ist die älteste Tochter des Königs, die eigentlich Thronfolgerin wäre, von allen Aufgaben suspendiert, weil sie sich bei ihrem Studienaufenthalt in den USA in einen Afroamerikaner verliebte.

Psychologen erklären die Aggression Europäern gegenüber mit einem Minderwertigkeitskomplex. Die Europäer haben die helle Haut, nach der die Thais (und nicht nur diese!) unbewußt oder offen streben. Bräunung gilt als banausisch und ganz Thailand jubelt, wenn es eine leicht gebräunte Landestochter gleichwohl in die Spitzengruppe der internationalen Models schafft. In den Geschäften werden Bleichmittel angeboten, die oftmals zu bösen Hautschäden führen. Schaut man sich die Bleichmittel genauer an so stellt man häufig fest, dass die Herstellerfirma (z.B. Nivea) bei uns in Europa Bräunungsmittel an den Mann bzw. die Frau bringt. Jedem das Seine.

Nach diesen Äußerlichkeiten sei der Blick noch einmal auf den Seelenbalsam gerichtet, den eine buddhistische Kultur anbietet. Doch auch hier schwindet einem das Lächeln, wenn man Erfahrungen wie folgend geschildert macht: Bei einem Familientreffen der thailändischen Gastfamilie in einem kleinen Dorf fällt eine junge Frau auf, die verzagt in einer Ecke sitzt. Spätere Erkundigungen ergeben, dass die Frau an (epileptischen?) Anfällen leidet. Die lieben Dorfbewohner führen das darauf zurück, dass sie - man hat ja schon mal vom "Karma" gehört - in einem früheren Leben eine Hexe gewesen sei, was sich nun in dieser Form zeige. Die arme Frau wird deshalb von den dörflichen Aktivitäten ausgeschlossen und selbst die Teilnahme an der Verbrennung einer ehemaligen Schulfreundin wird verboten. Von Hilfe seitens des nahegelegenen Klosters ist nichts bekannt.

Schließen wir mit dem subjektiven Eindruck, dass in Thailand Staat und Mäzene großzügige Tempelbauten ermöglichen, während vom Mönchsleben weniger positiv berichtet werden kann. Letzteres mag der Grund sein, dass selbst in diesem Theravadaland eine buddhistische Sekte Zulauf hat, die sich von ihrem monastischen Anhang getrennt hat und als Laienbewegung fungiert: Die auf den Japaner Nichiren zurückgehende Soka Gakkai (s. DMW 3/2011). Und was die Bleichheit betrifft, so müssen wir akzeptieren, wenn der sonnige Mai demnächst wieder ans Fenster klopft, dass wir unsere Ärmel hochkrempeln, während unsere thailändischen Gefährtinnen ihre langärmeligen Pullis aus dem Schrank holen.

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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
46. Jahrgang, Januar - April 2014, Nr. 1, Seite 17-18
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2014