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AFRIKA/043: Menschen und Kirchen in der Demokratischen Republik Kongo sehnen sich nach Frieden (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 23. Juli 2009

Menschen und Kirchen in der Demokratischen Republik Kongo sehnen sich nach Frieden

Von Fredrick Nzwili


Vom kleinsten Dorf bis in die größten Städte sehnen sich die Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) nach Frieden. Kirchenleitende Verantwortliche fordern die Rebellen auf, ihre Waffen niederzulegen.

Seit Jahren ist die Bevölkerung dieser Region Opfer eines komplexen Konflikts, als dessen Angelpunkt der Abbau von Bodenschätzen gilt. Fast 5 Millionen Menschen sind laut Angaben kongolesischer Kirchenverantwortlicher bisher umgekommen.

"Wir brauchen Frieden. Unser Land hat gelitten. Wir brauchen Ihre Hilfe", sagte Pfarrer Muhasanya Lubunga, Vorsitzender der Kirche Christi im Kongo (ECC) in der Provinz Süd-Kivu, der Delegation "Lebendiger Briefe [1] " des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK).

Die Delegation besuchte vom 9. bis 11. Juli Bukavu in der Provinz Süd-Kivu und Goma in Nord-Kivu. In ihren Gesprächen mit Kirchenverantwortlichen, Regierungsbeamten und Gemeindemitgliedern erfuhr die Delegation, wie die Kirchen dem Terror der Rebellen zum Trotz Frieden und Versöhnung gefördert und Hilfe mobilisiert haben.

"Wir wissen, dass der Krieg anhalten wird, solange die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht in Frieden miteinander leben können", erklärt Pfarrer Kakule Molo, Präsident der Baptistengemeinschaft in Zentralafrika bei einem Treffen in Goma.

Die brutale Gewalt, mit der die Rebellen gegen die Zivilbevölkerung in der Region vorgehen, ist eine der Hauptsorgen der kirchlichen Verantwortungsträger. Berichte sprechen von Morden und Massenvergewaltigungen, Entführungen und niedergebrannten Dörfern.

Die Kirche hat gleichzeitig Maßnahmen eingeleitet, um den Rebellen dabei zu helfen, ihre Waffen niederzulegen. Mehrere hundert Kämpfer haben das in den letzten Monaten bereits getan.

Die Not der Zivilbevölkerung

An dem Tag, als die Delegation der Lebendigen Briefe Bukavu besuchte, wusste Rozette Ndakumbusoga, eine Bäuerin aus der Gegend um Mwenga, nicht, ob sie etwas zu essen für ihre Kinder haben würde. Zwei Monate zuvor war sie nach Bukavu geflohen, als Kämpfe in Mwenga ausbrachen.

"Wir haben nichts mitgenommen. Wir sind gerannt, sobald wir die Schüsse hörten. Wir waren viele", sagt Ndakumbusoga. "Wir sind hier mit leeren Händen angekommen."

"Alles, was wir wollen, ist, dass die Kämpfe aufhören, damit wir auf unsere Höfe zurück können", fügt sie hinzu. "Wir wollen auch, dass unsere Kinder wieder in die Schule gehen können."

Wie Ndakumbusoga gehört auch Mukobelwa Ndabegelwa, ein Lehrer, zu den 600'000 Menschen aus der Region und den vielen weiteren aus anderen Teilen Ostkongos, die sich in Bukavu in Sicherheit gebracht haben. Noch vor wenigen Jahren hatte Bukavu 200'000 Einwohner, jetzt sind es den Kirchenverantwortlichen zufolge fast 1,2 Millionen.

"Ich bete darum, dass der Krieg endet, damit wir zu unseren Familien zurückkehren und wieder arbeiten können", sagt Ndabegelwa, "aber das geht nicht, denn wir haben Angst vor weiteren Kämpfen."

Der Lehrer, der in einer überfüllten Behelfsunterkunft im Süden der Stadt lebt, erzählt vom Elend der Menschen. Die Schuld daran schreibt er den so genannten Demokratischen Kräften für die Befreiung Ruandas (FDLR) zu.

"Viele hier sind krank, unsere Kinder sind auch krank. Wir brauchen Medikamente, Unterkünfte und Kleidung", erklärt Ndabegelwa. "Wir schlafen auf Matten. Wir sind so viele. Es ist sehr schwierig für uns."

Vor sechs Jahren unterzeichnete die Regierung ein Friedensabkommen mit einigen der Rebellengruppen, andere haben nicht unterzeichnet. Es folgte eine Zeit relativen Friedens. Die Kirchenverantwortlichen haben jedoch festgestellt, dass die Rebellen ihre Angriffe intensivieren, wann immer die Regierungsarmee militärische Operationen gegen sie durchführt.

"Die Menschen strömen nach Bukavu, weil sie Frieden suchen", sagt Bischof Jean-Luc Kuye Ndondo, ECC-Präsident in Süd-Kivu. "Immer weniger Menschen sind in der Lage, Nahrungsmittel anzubauen, so dass wir nicht genug zu essen haben. Wenn Militäroperationen durchgeführt werden, ist die Not noch größer."

Rebellen zur Entwaffnung überreden

Lokale Verantwortungsträger sind weitgehend der Meinung, dass in erster Linie die FDLR, die ihre Entstehung vom Völkermord in Ruanda 1994 ableiten, für das Elend im Osten der DRK verantwortlich sind. Sie sind sich auch darin einig, dass es ein entscheidender Schritt zum Frieden in der Region wäre, wenn man friedlich mit den FDLR sprechen und sie überreden könnte, ihre Waffen niederzulegen.

Aus dieser Überzeugung heraus haben sich Kirchenverantwortliche an FDLR-Kämpfer und andere, als Mai Mai bekannte lokale Milizen gewandt und nachdrücklich für eine Entwaffnung plädiert. Bischof Josué Bulambo Lembelembe, dem stellvertretenden ECC-Präsidenten in Süd-Kivu, zufolge haben ihre Bemühungen bereits wichtige Fortschritte gebracht.

"Wir haben sieben junge Menschen auf diese Aufgabe vorbereitet. Diese Aktivisten gehen in die Kirchen und sprechen mit den Menschen", sagte Bulambo. "Sie gehen zu den Rebellen und sprechen mit ihnen darüber, wie leidvoll sich ihre Kämpfe auf das Leben der Menschen auswirken. Sie drängen sie, aus den Wäldern herauszukommen und friedlich mit der Bevölkerung zu leben."

Laut Bulambo konnten auf diese Weise schon einige Kämpfer dazu gebracht werden, die Wälder zu verlassen. Vor einigen Monaten, berichtete er, hätten 293 Rebellen in Anwesenheit von Verantwortlichen der internationalen Gemeinschaft, der Kirche und der Zivilgesellschaft ihre Waffen niedergelegt.

"Das einzige Problem ist: als sich ein Vorausteam [von Rebellen, die nach Ruanda gehen sollten, um zu sondieren, ob ihnen die Rückkehr erlaubt würde] auf den Weg machte, machten kongolesische und ruandische Regierungstruppen Jagd auf sie", berichtet Bulambo. "Das hat uns sehr entmutigt."

Kirchenverantwortlichen zufolge haben die Angriffe der Rebellen auf Zivilpersonen wieder zugenommen. Das hat mit der Ankündigung zu tun, dass die DRK und Ruanda demnächst wieder militärische Operationen gegen die FDLR starten wollen.

Im Mai 2009 hatten die Kirchenführer mit den FDLR vereinbart, dass mindestens 1000 ihrer Soldaten die Waffen niederlegen würden, berichtete Ndondo.

"Die Soldaten waren einverstanden, aber als wir mit ihren Anführern sprachen, sagten sie Nein!", erklärt Kuye. "Wir bitten Sie eindringlich, mit den Anführern zu sprechen, die im Ausland leben." Von den FDLR-Führern heißt es, sie lebten in Deutschland und Frankreich.

"Das ist der größte Teil des Problems. Wir sind sicher, dass sich die kongolesische Bevölkerung ohne externe Faktoren einigen kann", sagt Molo. "So, wie die Lage jetzt ist, kann man nicht sagen, dass dies das einzige Problem ist, denn es gibt auch innerhalb der Gemeinschaften Probleme. Aber die können wir lösen, wenn keine externen Probleme von außen hereingetragen werden."


Fredrick Nzwili ist freiberuflicher Journalist und schreibt als Korrespondent aus Nairobi, Kenia, für den Ökumenischen Nachrichtendienst (ENI).

Weitere Informationen über den Besuch der Lebendigen Briefe in der DRK:
http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe/democratic-republic-of-congo.html

ÖRK-Mitgliedskirchen in der DRK:
http://www.oikoumene.org/de/mitgliedskirchen/regionen/afrika/demokratische-republik-kongo.html

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.

[1] http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe.html


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Quelle:
Pressemitteilung vom 23. Juli 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009