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ASIEN/022: Bemühungen um Frieden zwischen Nord- und Südkorea (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 13.08.2007

Bemühungen um Frieden zwischen Nord- und Südkorea

Von Juan Michel (*)


Das Geiseldrama in Afghanistan brachte die koreanischen Christen in jüngster Zeit in die Schlagzeilen. Diese Woche wird jedoch eine andere Seite von Leben und Arbeit der koreanischen Kirchen gewürdigt - eine Seite, die bisher oft unbeachtet geblieben ist.

Die Kirchen in Südkorea sind in den letzten Jahren durch ihre spektakuläre Wachstumsrate berühmt geworden - die am schnellsten ansteigende von allen asiatischen Ländern. Weniger bekannt ist die Rolle, welche die großen koreanischen Kirchen in den Bemühungen für den Frieden und die Wiedervereinigung ihres geteilten Landes gespielt haben.

Die koreanischen Kirchen feiern mittels zweier Konferenzen diese und letzte Woche den 100. Jahrestag der großen Erweckung von 1907 und das anhaltende Engagement der Kirchen für die Wiedervereinigung Koreas.

Auf beiden Veranstaltungen ist ÖRK-Generalsekretär Pfr. Dr. Samuel Kobia einer der Hauptredner.

Eine Geschichte von Friedensstiftern

Für Geo-Sung Kim, Vorsitzender von Transparency International Korea und Pfarrer der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, stellt "der Knäuel aus Stacheldraht in unseren Herzen" das größte Hindernis für die Wiedervereinigung des Landes dar.

Nach dem zweiten Weltkrieg und der Befreiung von der japanischen Vorherrschaft wurde Korea in zwei militärische Besatzungszonen aufgeteilt: Die Sowjetunion verwaltete den Norden und die USA den Süden. Diese Trennung teilte das Land nicht nur politisch und ideologisch, sondern trennte auch Millionen von Familien und spaltete die Kirchen.

Der Koreakrieg von 1950-53 vertiefte den Graben zwischen dem späteren kommunistischen Nordkorea (Demokratische Volksrepublik Korea) und dem kapitalistischen Südkorea (Republik Korea). Der Krieg endete mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens. Dies bedeutete zwar das Ende der Kämpfe, formal befanden sich die beiden Länder jedoch weiterhin im Krieg.

Bis heute ist der Waffenstillstand nicht durch ein Friedensabkommen ersetzt worden. 1991 unterzeichneten die beiden Koreas dennoch einen Nichtangriffspakt und traten den Vereinten Nationen bei.

Von Beginn der Teilung an übernahmen die Kirchen in Südkorea eine Vorreiterrolle in den Friedensbemühungen und nahmen sich des Themas der Wiedervereinigung zu einem Zeitpunkt an, als Diskussionen darüber Seltenheitswert in ihrem Land hatten.

Die Kirchen reagierten auf "eine Tragödie und eine schmerzvolle Wirklichkeit für die Menschen auf beiden Seiten", wie es der koreanische Kirchenführer Jae-Woong Ahn, ehemaliger Generalsekretär der Asiatischen Christlichen Konferenz (CCA), nannte. Die beiden Koreas befanden sich formal noch immer miteinander im Krieg. Ungefähr zehn Millionen Familien blieben geteilt und bezahlten einen hohen menschlichen Preis für diese Spaltung in Norden und Süden.

Ein Meilenstein in der Geschichte des Kampfes der koreanischen Kirchen für die Wiedervereinigung war die 1984 in Tozanso, Japan, abgehaltene Konsultation "Frieden und Gerechtigkeit in Nordostasien". Die Tagung wurde vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) einberufen und legte das Fundament für direkte Gespräche zwischen Christen aus Nord- und Südkorea zwei Jahre später in Glion, Schweiz.

Diese Konsultationen fanden in einer Zeit großer Spannungen statt, als man auf allen Seiten versuchte "den Anderen" zu verteufeln. Sie bildeten den Ausgangspunkt für den so genannten Tozanso-Prozess, den viele im Nachhinein als Vorläufer der koreanischen Annäherung sehen.

Zu jener Zeit betrachtete man die Treffen nicht nur als eine neue Dimension der ökumenischen Bewegung in den beiden Koreas und auf der ganzen Welt, sondern auch als Beispiele dafür, dass das Zeugnis für den Frieden Teil des christlichen Glaubens ist.

Die weltweite ökumenische Familie unterstützte den Prozess, indem sie sich bemühte, "Feindbilder" und "ideologische Mauern" abzubauen und sich gleichzeitig für ein Ende des Wettrüstens, für die Entnuklearisierung der Halbinsel und für die friedliche Wiedervereinigung gestützt auf die demokratische Beteiligung aller Koreaner und Koreanerinnen einsetzte.

Anhaltende Bemühungen für den Frieden

Zwei Jahrzehnte später hat sich die Situation in den beiden Koreas stark verändert.

Südkorea ist eine Demokratie geworden - ein Fortschritt, zu dem die Kirchen des Landes beigetragen haben. Zahlreiche Faktoren haben zu einer Annäherung zwischen dem Süden und dem Norden geführt. Erwähnenswert ist die "Sonnenscheinpolitik" für eine Zusammenarbeit mit dem Norden des ehemaligen Präsidenten Kim Dae Jung in den 90-er Jahren. Sie führte im Jahr 2000 zu einem historischen innerkoreanischen Gipfel.

Nach dem 11. September 2001 erlitten die positiven Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel jedoch einen Rückschlag. US-Präsident George W. Bush erwähnte Nordkorea in seiner Rede über die "Achse des Bösen" im Jahr 2002, woraufhin dieses 2003 vom Atomwaffensperrvertrag zurück trat.

Im Zusammenhang mit den Sechs-Parteien-Gesprächen, die 2003 lanciert wurden und an denen beide Koreas, Russland, Japan, China und die USA teilnehmen, verpflichtete sich Nordkorea erst im Februar 2007 dazu, einige Schritte hin zu einer Entnuklearisierung einzuleiten - im Gegenzug für Energie und Wirtschaftshilfe.

Letzte Woche verkündeten Regierungsvertreter Südkoreas, vom 29.-30. August sei ein zweiter Gipfel mit Führungspersönlichkeiten aus Nordkorea geplant, als Beitrag zu den Diskussionen über die internationalen Bemühungen zur Lösung der nordkoreanischen Atomfrage.

"Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt seit der Zeit, als die Diskussion über die Wiedervereinigung als eine Beleidigung angesehen wurde. Die Zeit hat gezeigt, dass die prinzipientreue Haltung der Kirchen in dieser Frage prophetisch war", sagte ÖRK-Generalsekretär Samuel Kobia in seiner Rede am 9. August in Seoul auf der Internationalen Konsultation über die Rolle der Kirchen für den Frieden und die Wiedervereinigung. "Der Kampf für Frieden und Wiedervereinigung muss heute jedoch in einer viel komplexeren geopolitischen Situation fortgeführt werden." (Der vollständige Text von Kobias Rede [1] im englischen Original steht auf der ÖRK-Website zur Verfügung.)

Die Konsultation wurde von einer Ad-hoc-Gruppe von 24 Kirchen unterstützt und war Teil einer groß angelegten Jubiläumsfeier des 100. Jahrestages der großen Erweckung in Korea 1907.

Das Trauma des Koreakriegs und die in der Gesellschaft und den Kirchen vorherrschende Ablehnung des Kommunismus schaffen "eine gesellschaftliche Stimmung der Feindseligkeit" gegenüber dem Norden. Dies führt dazu, dass viele eine "Wiedervereinigung durch Einverleibung" und eine "aggressive missionarische Arbeit" unterstützen", erklärte Geo-Sung Kim.

Die Hindernisse für die Wiedervereinigung sind sowohl politischer als auch spiritueller Natur. Die Erweckung von 1907 ging - Ironie der Geschichte? - von Pjöngjang aus, der heutigen Hauptstadt Nordkoreas.

Eine der politischen Herausforderungen für Korea seien die geopolitischen Interessen von mächtigen Nachbarländern wie Japan, China, Russland und auch der USA, meint Soo-il Chai, Professor für Missiologie und Ökumene an der Hanshin Universität und Mitglied der ÖRK-Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten. "Je länger Korea geteilt bleibt, desto besser für die strategischen und wirtschaftlichen Ziele der Supermächte", erklärt er.

Sowohl Kim als auch Chai sind der Meinung, dass die Wiedervereinigung mehrere Jahrzehnte dauern wird. Sie könne nur durch einen schrittweisen Prozess, in dem gegenseitiges Vertrauen und eine Kultur des Friedens aufgebaut werden, und durch eine Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zur Verbesserung der Lebensqualität in Nordkorea erreicht werden.

Chai betont, die internationale ökumenische Fürsprachearbeit sollte Nordkorea zudem helfen, seine isolierte Stellung zu überwinden und sich besser in die Völkergemeinschaft zu integrieren. Er wünscht sich auch mehr Unterstützung für die nordkoreanischen Christen, damit sie ihr Ansehen in der Gesellschaft verbessern können.

Die Kirchen im Süden - und die weltweite ökumenische Familie - haben bereits versprochen, den Norden weiterhin mit humanitärer Hilfe und mit Gebeten für den Frieden und die Wiedervereinigung zu unterstützen, wie viele das bereits seit Jahrzehnten tun.


(*) Juan Michel, ÖRK-Medienbeauftragter, ist Mitglied der Evangelischen Kirche am La Plata in Buenos Aires, Argentinien.

Der Wortlaut (auf Englisch) von Kobias Rede am 9.August in Seoul ist verfügbar unter:
http://www.oikoumene.org/?id=3955&L=2 [2]

Seine heutige Rede bei der Konferenz in Chang Seong (auf Englisch) ist verfügbar unter:
http://www.oikoumene.org/?id=3956&L=2 [3]

Ein gemeinsames Gebet nord- und südkoreanischer Christen für Frieden und Wiedervereinigung (auf Englisch) ist verfügbar unter:
http://www.oikoumene.org/?id=3981&L=2 [4]

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.


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Quelle:
Feature vom 13. August 2007
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
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Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2007