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BERICHT/247: Er tat, was der Engel ihm befohlen hatte (Bibel heute)


Bibel heute
Zeitschrift des Katholischen Bibelwerks e.V. Stuttgart - Heft 1/2008

Er tat, was der Engel ihm befohlen hatte
Auch wenn die Quellen wenig ergiebig sind: Lässt sich trotzdem etwas darüber erheben, was für ein Vater Josef gewesen sein muss?

Von Dr. Helmut Jaschke


Presseinfo des Katholischen Bibelwerk e.V. zur Ausgabe Nr. 173 von "Bibel heute" mit dem Schwerpunktthema "Josef - Vater Jesu":

... Im Vergleich zu Maria führt der Vater Jesu geradezu ein Schattendasein. Die Auskünfte der Bibel über Josef, den Vater Jesu, sind sehr spärlich. Der Evangelist Lukas beschränkt sich auf Angaben über seinen Wohnort und Beruf. Matthäus dagegen zieht eine Verbindung von Josef über König David bis zu Abraham. Darüber hinaus zeigt er einen Mann, der wie sein alttestamentlicher Namensvetter mit Träumen umzugehen weiß, und "gerecht" war.

Es ist spannend, den Spuren Josefs in der Bibel nachzugehen und einige Linien weiter zu ziehen. Was für ein Vater war Josef von Nazaret? Wie weit hat er Jesu Bild vom "himmlischen Vater" geprägt? "Bibel heute" wagt diese Zugänge und liefert überraschende Einsichten - auch für Väter von heute! ...


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Er tat, was der Engel ihm befohlen hatte

Auch wenn die Quellen wenig ergiebig sind: Lässt sich trotzdem etwas darüber erheben, was für ein Vater Josef gewesen sein muss?

Von Dr. Helmut Jaschke


Für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist die Beziehung zu den Eltern von größter Bedeutung. Sie ist das Fundament, auf dem die Familie aufruht. Für den Vater Jesu dürfen wir annehmen, dass er seiner Frau in Liebe verbunden war und er aus dieser Liebe die Kraft für seine Vaterrolle und seine berufliche Arbeit schöpfte, auch wenn die Quellen dazu nichts sagen. Eine "Josefs-Ehe" dürfte er als junger, gesunder jüdischer Mann kaum geführt haben. Als verheirateter Mann war es für einen Juden unvorstellbar, enthaltsam zu leben. Seine Ehe war auf Familie und Kinder hin angelegt. Erst als "christlicher" Ehemann Marias wurde er seiner Sexualität beraubt und auf seine Rolle als Ziehvater Jesu beschränkt.


Der Vater

Lassen wir vorerst einmal die Rolle Josefs bei den Ereignissen außer Acht, die Matthäus im Zusammenhang mit Jesu Geburt schildert (Mt 2), dann erscheint er als Vater nur an zwei Stellen, in denen die Eltern Jesu erwähnt werden: Einmal in der legendären Erzählung vom Tempelbesuch der Eltern bei Lukas, wo die Mutter zum endlich gefundenen Knaben sagt: "Siehe, dein Vater und ich suchen dich mit Schmerzen" (Lk 2,48). Sodann im Johannesevangelium, wo die Juden Jesu Selbstaussage "Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist" mit den Fragen beantworten: "Ist der da nicht Jesus, der Sohn des Josef, dessen Vater und Mutter wir kennen?" (6,41-42). Diese Notiz bei Johannes ist sehr wertvoll. Denn schon früh kam ja die Vermutung auf, Josef habe gar nicht mehr gelebt, als Jesus öffentlich wirkte, weil im Markusevangelium der Vater nicht erwähnt wird. Dort heißt es, dass "seine Mutter und seine Brüder kamen", um ihn nach Hause zu holen (3,31). Und als Jesus in Nazaret weilt, fragen die Leute:" Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria... ?" (6,3).

Wenn wir davon ausgehen dürfen, dass Markus den Vater hier nicht aus "dogmatischen" Gründen unterschlägt - er kennt ja nicht die Zeugung Jesu aus dem Heiligen Geist -, ist das Fehlen des Vaters bemerkenswert. Was sagt es über die Beziehung Jesu zu seinem Vater?

Es gilt als historisch sicher, dass Jesus erst mit etwa dreißig Jahren an die Öffentlichkeit trat, vorher also, wie es gerne formuliert wird, "im Verborgenen" lebte. Dieses Verborgene enthält aber die Lebenszeit, in der Jesus auch von seinem Vater mitgeprägt wurde. Er verließ das Elternhaus nicht früh, weil er es nicht mehr aushielt. Im Gegenteil: Er brauchte die lange Wachstumszeit unter den Augen des Vaters, damit jene Haltung heranreifen konnte, die für seinen Lebensauftrag notwendig war. Das dürfen wir doch annehmen. Der Vater war ihm Vorbild. Er ergriff dessen Beruf, wurde auch Zimmermann. Ist es so falsch zu vermuten, dass die Stabilität dieser Beziehung ihm auch das Vertrauen ermöglichte, das er Gott als seinem Vater und dem Vater aller Menschen entgegenbrachte? Kam ihm die Väterlichkeit Gottes, gipfelnd in dessen bedingungsloser Liebe, in seinem Vater als erste Ahnung entgegen?

Aber warum wird dann der Vater nicht erwähnt, wo es um den erwachsenen ältesten Sohn geht? Er gilt als "Sohn der Maria" (Mk 6,3). Sie lässt ihn rufen (Mk 3,31), nur sie ist bei der Hochzeit von Kana dabei (Joh 2,1).

Josef, der Vater, nimmt sich ganz zurück. Nicht, weil er sich mit dem Sohn entzweit oder sich ihm entfremdet hat. Er spürt, dass er ihn auf dem Weg, den sein Sohn jetzt geht, nicht begleiten kann, nicht begleiten darf. Die Mutter kann und will ihn nicht hergeben (Mk 3,21.31). Der Vater weiß, dass seine Aufgabe getan ist, dass er dem Sohn nur im Wege stünde, wenn er ihn nach außen hin als "seinen Sohn" deklarieren würde. Ahnte er, dass sein Sohn am Jordan, als er sich von Johannes taufen ließ, eine Erfahrung der Väterlichkeit Gottes machte, die jede familiäre Bindung relativierte? Josef, der Vater, entlässt seinen Sohn in die Ausschließlichkeit einer Gottesbeziehung, die sein Vatersein aufhebt, im doppelten Sinn des Wortes.


Der Gerechte

Das 2. Kapitel des Matthäusevangeliums zeichnet Josef als den Gerechten. Er wollte seine Frau nicht bloßstellen, heißt es Mt 1,19, weil er gerecht war. Diese Gerechtigkeit hat nichts mit dem zu tun, was wir üblicherweise darunter verstehen. Der Kontext des Matthäusevangeliums zeigt, dass es um das Gerechtsein geht, von dem die Tora und vor allem die Psalmen sprechen. Gerecht handelt, wer sein Vertrauen auf Gott und sein Wort setzt, wer so handelt, wie er es als Willen Gottes für sich erkennt. So wird uns Josef als ein Mann gezeigt, der sich und sein Leben in IHWH festgemacht hat. Das bedeutet in der Tora "Glaube". Sicher schöpfte Josef seine Kraft auch aus einem tiefen Vertrauen auf den "Gott der Väter", wie er ihm in der Tora vor Augen gestellt wurde. Und zweifellos hat er diesen Glauben an seine Kinder weitergegeben, wie es Aufgabe eines jüdischen Vaters ist. Diese Gerechtigkeit wirkte sich konkret im Miteinander der Familie aus. Was Mt 1,19 sagt, dass er seine Frau nicht bloßstellen will, kann wohl beispielhaft verstanden werden. Auch seinen Kindern gegenüber wird es ihm um die gegenseitige Achtung füreinander gegangen sein.


Der Träumer

Aufschlussreich ist, dass der Evangelist Matthäus Josef als einen Mann darstellt, der die göttlichen Weisungen im Traum empfing (Mt 1,20; 2,13.19.22). Man kann das natürlich als literarisches Mittel ansehen, da ja auch im Ersten Testament Botschaften Gottes durch Träume übermittelt wurden und das ganze 2. Kapitel des Matthäusevangeliums ja keinen historischen Bericht enthält, sondern erzählende Theologie. Aber so wie die Legende tiefere Wahrheiten über einen Menschen vermitteln kann als reine Historie, so auch dieser Text.

Menschen, die auf ihre Träume achten, haben einen Zugang zu den tieferen Schichten ihrer Seele und gestalten ihr Leben danach. Sie verlassen sich also nicht einfach auf ihr verstandesmäßiges Bewusstsein, sondern treffen ihre Entscheidungen aus der Mitte ihrer Person heraus, indem sie für die Botschaften aus dem Unbewussten offen sind.

Dass die göttliche Weisung innerlich, aus dem Raum der eigenen Seelentiefe, empfangen wird, zeigt uns Josef als einen religiösen Menschen, der unserem heutigen Denken und Fühlen recht nahesteht. Menschen heute sind skeptisch gegenüber von außen kommender religiöser oder moralischer Belehrung. Sie wollen selbst Erfahrungen machen, die ihnen ermöglichen, mit innerer Gewissheit ihre Lebensentscheidungen treffen zu können. So wird uns Josef als ein Mann vor Augen gestellt, der Tiefgang hatte und der in lebendigem Kontakt mit seinem unbewssten Seelenraum stand.


Der Gehorsame

Diesen inneren Wegweisungen entsprach Josef ohne Zaudern und Zweifeln. Gehorsam ist hier nicht Hörigkeit oder Unterwürfigkeit, sondern Hören auf die Botschaft von innen und Ziehen von Konsequenzen daraus.

"Er tat", heißt es (Mt 1,24), wie ihm geheißen wurde, und "er stand auf" (Mt 2,14.21). Gehorsam heißt für Josef, das auch zu tun, was er als Auftrag Gottes erkannte. Und er blieb nicht sitzen, sinnend und grübelnd, ob dies denn nun wirklich das Richtige sei. Er stand auf, er hatte seinen Standpunkt, der ihm über Zweifel hinweghalf und ihn ermutigte, seinen Weg zu gehen.

Auch das wird er seine Kinder durch sein Beispiel gelehrt haben. Jesus, sein Ältester, hat es später praktiziert: Nachdem ihm bei der Taufe durch Johannes die innere Gewissheit zuteil wurde, von Gott unbedingt geliebt zu sein, hat er den damit verbundenen Lebensauftrag in Wort und Tat Gestalt werden lassen, konsequent bis zum Ende: "Da nahm er entschlossen seinen Weg nach Jerusalem" (Lk 9,51).


Dr. Helmut Jaschke ist Professor für Katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.


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"Bibel heute" vermittelt 4x im Jahr Informationen und Auslegungen zu biblischen Themen, - auch für Bibel-Einsteiger.
Die Zeitschrift ist für Blinde und Sehbehinderte auch als pdf-Datei erhältlich.
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Quelle:
Bibel heute - 1. Quartal 2008, Nr. 173, Seite 14-16
Zeitschrift des Katholischen Bibelwerks e.V. Stuttgart
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Erscheinungsweise: viermal jährlich.
Der Bezugspreis für 2008 beträgt:
Einzelheft: 6,- Euro
4 Ausgaben im Jahr (Abo): 22,- Euro
(Schüler, Studenten und Rentner 12,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2008