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BUCHTIP/091: Meister Eckhart - Magister, Mystiker, Manager (idw)


Justus-Liebig-Universität Gießen - 11.05.2012

Meister Eckhart - Magister, Mystiker, Manager

Sonderausgabe der Gießener Hochschulgespräche und Hochschulpredigten erinnert an erfolgreiche Meister-Eckhart-Nacht in der Johanneskirche



Ist es möglich, den wissenschaftlich geprägten modernen Menschen für einen mittelalterlichen Mystiker zu interessieren? Mehr noch, ist es möglich, ihn so zu interessieren, dass er auf harten Kirchenbänken bis um 3.30 Uhr morgens durchhält, sich einem Wechsel von Vorträgen, musikalischen Darbietungen, einer Predigt, einer Podiumsdiskussion, einer Meditation, einer Welturaufführung und Videoinstallationen aussetzt? Es ist möglich. Die "Mystische Nacht mit Meister Eckhart" lockte am 26. August vergangenen Jahres etwa 1.000 Personen in die Gießener Johanneskirche, die sich von mystischen Klängen und der geheimnisvollen Atmosphäre im illuminierten Gotteshaus verzaubern ließen. Das gemeinsame Experiment von Justus Liebig Universität Gießen (JLU), Evangelischer Studierendengemeinde (ESG) und Evangelischem Dekanat Gießen war ein voller Erfolg. Hochschulpfarrer Dr. Wolfgang Achtner, Initiator und Motor der Veranstaltung, legt nun die Dokumenation der Mystischen Nacht vor. Die Publikation mit dem Titel "Magister, Mystiker, Manager - Meister Eckharts integrale Spiritualität" ist als Sonderausgabe XXI der Gießener Hochschulgespräche und Hochschulpredigten erschienen. Herausgeber sind Prof. Dr. Katja Becker, JLU-Vizepräsidentin für Forschung, Frank-Tilo Becker, Evangelisches Dekanat Gießen, und Pfarrer Wolfgang Achtner (ESG).

Anlass für die Meister-Eckart-Nacht war der Geburtstag des mittelalterlichen Theologen, Mystikers und Kirchenmannes, der sich im Jahr 2010‍ ‍zum 750. Mal jährte. Meister Eckhart inspirierte über Jahrhunderte eine Reihe stiller Bewunderer, bis er in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Wissenschaft wiederentdeckt wurde und seitdem Vertreter unterschiedlicher Disziplinen beschäftigt. "Handeln (Management), Denken (Magister) und Erleben (Mystik) bilden bei Meister Eckhart eine sinnstiftende Einheit. Diese Einheit vermissen viele Menschen in der Hektik des postmodernen Lebens schmerzlich", schreiben die Herausgeber im Vorwort. Dies gelte in besonderem Maße auch für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "So hat die Macht der sogenannten Tagwissenschaft in den letzten Jahren unverhältnismäßig stark zugenommen. Die Tagwissenschaft ist die Wissenschaft, die Forschung, die Lehre, die uns alle außer Atem hält, die geprägt ist von Deadlines, von Zeitdruck, von Adrenalinschüben." Eine Reaktion darauf sowie auf die Suche nach Entschleunigung sei das Stärken der "Nachtwissenschaft", die es ermögliche, Probleme anders zu denken und neu zu begreifen.

Ein gelungenes Beispiel für "Nachtwissenschaft" war vor der JLU-Science-Night im Februar 2012 die Meister-Eckhart-Nacht im vergangenen Sommer. Hier wurden die verschiedenen Dimensionen seines Wirkens genutzt und neu miteinander verknüpft, um den Gästen das Wirken Meister Eckharts in synästhetischer Weise und als eine Art Gesamtkunstwerk näherzubringen. Gregorianische Gesänge, Musik und Texte aus der Zeit Meister Eckharts, Mediation und Stille sowie Beiträge von Licht- und Videokünstlern (Christian Grammel, Noel Lenhardt, Oliver Behnecke) waren genauso Bestandteile dieser Nacht wie eine Podiumsdiskussion zum Thema "Meister Eckhart und Management", das von der Germanistin Prof. Dr. Cora Dietl eigens geschriebene Theaterstück "Meister Eckhart - der Prozess", eine Predigt und wissenschaftliche Vorträge.

Das Buch gibt Kerngedanken der Veranstaltung wider. Fünf Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen beleuchten Meister Eckhart, dessen Arbeiten und die Auswirkungen seines Schaffens auf unsere Zeit aus ihrer jeweiligen fachspezifischen Perspektive.

PD Dr. Wolfgang Achtner, thematisiert in seiner Einführung das Verhältnis von Glauben und Vernunft und stellt dabei den Bezug zur Gegenwart her: "Meister Eckhart in seiner Zeit und heute". Pfarrer Stefan Kunz, Bensheim, beschäftigt sich in seinem Vortrag zum Thema "Der Mensch zwischen Zeit und Ewigkeit" mit Meister Eckharts Begriff der Gelassenheit.

Der Manager Paul J. Kohtes, zugleich Gründer der PR-Agentur Ketchum Pleon, Düsseldorf, holt den mittelalterlichen Mystiker in die harte Welt des modernen Managements und gibt "Impulse für den Führungsalltag". Er legt dar, wie heilsam die Grundgedanken der Absichtslosigkeit und Gelassenheit Meister Eckharts in der von krank machendem Erfolgsdenken gequälten Welt modernen Managements wirken können. Prof. Dr. Dieter Vaitl vom Bender Institute of Neuorimaging (BION), Gießen, führt die Leser in seinem Beitrag "Hirnforschung und Meditationsforschung - Ein neuer Zugang zu Meister Eckhart?" in die Welt der Neurowissenschaft ein. Meditation, mystische Erfahrung habe Auswirkungen auf die Funktionsweise des Gehirns. Der Präsident der Meister-Eckhart-Gesellschaft, Prof. Dr. Dietmar Mieth, Tübingen, geht der Frage nach, ob man Meister Eckhart aufgrund von Analogien mystischer Erfahrungen in Buddhismus, Hinduismus und Islam als religiöse Integrationsfigur deuten kann.

Ferner finden sich in dem Band das Theaterstück "Meister Eckhart - der Prozess" von Prof. Dr. Cora Dietl, eine Meditationsanweisung von Dr. Ulrich Ott, ebenfalls Neurowissenschaftler, JLU Gießen, sowie Zusatzbeiträge von Dr. Wolfgang Achtner und Dr. Holger Böckel, Hochschulpfarrer in Gießen.

Publikation:
Katja Becker, Frank-Tilo Becker, Wolfgang Achtner (Hrsg.):
"Magister, Mystiker, Manager - Meister Eckharts integrale Spiritualität",
Sonderausgabe XXI der Gießener Hochschulgespräche und Hochschulpredigten der ESG, 2012,
ISBN 978-3-932289-78-1, Preis: 12,80 Euro

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-giessen.de/cms/eckhart

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution217

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Justus-Liebig-Universität Gießen, Lisa Dittrich, 11.05.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2012