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KIRCHE/1139: Erwachsene reden über Frieden, die Kinder üben Mitgefühl (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 24. Mai 2011

Während die Wrwachsenen über Frieden reden, üben die Kinder Mitgefühl

Von Susan Kim


Die Geschichte beginnt mit Peter. Keinem besonderen Peter; einfach einem Kind, das ein bisschen zu dick ist, Schrammen und blaue Flecke im Gesicht hat und - ach ja - manchmal nicht gut riecht.

"Ihr alle kennt doch sicher so einen Peter, oder?", fragt Dr. Yanike Hanson, und 19 Kinder nicken eifrig mit dem Kopf.

Hanson, eine Pädagogin im Global Network of Religions for Children [1] leitet einen Kinder-Friedensworkshop für jamaikanische Grundschulkinder auf der Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation, die vom 17. bis 25. Mai in Kingston stattfindet.

Die Teilnehmenden an der IöFK sind nach Jamaika gekommen, um darüber zu diskutieren, wie Menschen in aller Welt geholfen werden könnte, auf einen gerechten Frieden hinzuarbeiten. Auf der Tagesordnung der Konferenz stehen die Themen Friede in der Gemeinschaft, Frieden mit der Erde, Friede in der Wirtschaft und Friede zwischen den Völkern.

"Peter ist ein Junge, mit dem niemand etwas zu tun haben will", fährt Hanson fort. "Fast immer sitzt er allein in der Schulkantine, weil niemand neben ihm sitzen will. Manchmal gibt es kleine Kinder, die sich neben ihn möchten, aber sie haben Angst davor, was die anderen Kinder sagen würden."

Dann fragt Hanson die Kinder, ob jemand Peter spielen will. Ein Junge meldet sich freiwillig und setzt sich auf einen Klappstuhl. Die 18 anderen Kinder rücken sofort von ihm weg, einige kichern.

"So, und jetzt frage ich euch", fährt Hanson fort, "wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr Peter wärt?"

Die Kinder werden ernst. Sie kommen selbst aus den ärmsten Vierteln der Stadt mit der höchsten Gewaltrate und wissen allzu gut, wie "Peter" - selbst dieser imaginäre Peter - sich fühlt.

Die 11-jährige Sophia hebt nachdenklich die Hand. "Die anderen Kinder lachen mich manchmal aus. Wenn ich Peter wäre, wäre ich sehr traurig. Ich hätte das Gefühl, dass niemand mich akzeptiert."

Die anderen Kinder nicken eifrig mit dem Kopf und antworten: "Ich würde mich schämen."

"Ich wäre ganz traurig."

"Einsam."

"Ich würde mich fragen, warum Gott mich so gemacht hat."

Während die Kinder auf der IöFK über ihren imaginären Freund Peter sprechen, verbringen die Erwachsenen den Tag damit, das Thema Friede in der Wirtschaft zu erörtern und sich mit Fragen zur Gewalt auseinanderzusetzen, die weltweit durch die Logik des Marktes ausgelöst wird und die zahllose Menschen zu der Frage bewegt: Warum hat Gott uns so gemacht?

Schließlich antwortet der Peter-Darsteller mit aufgestütztem Kinn: "Ich würde mich ganz schrecklich fühlen. Ganz schlimm wär das", sagte er. "Ich bin so ein bisschen wie Peter. Na ja, ich bin ein bisschen zu dick." Unter Anleitung von Hanson beschließen die Kinder, dass sie gerne versuchen würden, in Peters Schuhen zu gehen, um besser zu spüren, wie er sich fühlt. Sie nehmen Fußabdrücke aus Papier und kleben sie unter ihren eigenen Schuhen fest. Auf den Fußabdrücken steht einfach: "Ich bin Peter".

Sie gehen ein paar Minuten umher, ohne zu sprechen, und sind einfach nur Peter. Dann fragt Hanson sie, wie sie sich fühlen.

"Ungeliebt."

"Als ob ich ein Nichts wäre."

"Als ob ich nicht in der Welt wäre."

Das Gespräch über die immer und ewig Ausgestoßenen der Gesellschaft - wie Peter - bietet die Möglichkeit, Kinder dazu zu bringen, über Frieden in einer Welt zu sprechen, in der ganze Länder Ausgestoßene sind.

Der von Hanson geleitete Workshop ist auch in Kuba und anderen Ländern eingesetzt worden, um Kinder zu aktiver Friedensarbeit zu motivieren. Das Global Network of Religions for Children, das mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, verwendet einen Lehrplan, der auf vier ethischen Werten aufbaut: Respekt, Mitgefühl, Versöhnung und Verantwortung.

In den Workshops nähern die Kinder sich der unerklärlichen Frage an, warum einige Menschen immer ausgeschlossen werden. Mit Hilfe einiger Fragen von Hanson, die ihre Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenken, entdecken sie in Jesus etwas, das ihnen gefällt: Jesus hat niemanden ausgeschlossen.

"Wie in der Geschichte mit den Leprakranken", sagt Sabrina. "Niemand wollte in ihrer Nähe sein, aber Jesus hat versucht, ihnen zu helfen."

Sie und die anderen Kinder fragen sich laut, warum wir Menschen die Schuld dafür geben, dass sie anders sind.

Vivette McCarthy, eine Mutter, die zusammen mit ihrer Tochter an dem Workshop teilnimmt, reckt beide Arme in die Luft: "Also, wenn ihr z.B. mit einem Arm geboren wärt, der kürzer ist als der andere, dann wäre das doch auch nicht eure Schuld."

Und damit leitet Hanson direkt zur nächsten Aufgabe über: Die Kinder werden in drei Gruppen aufgeteilt. Sie befestigen große Stücke Papier an der Wand und malen dann um den Kopf eines Kindes, um den Arm eines anderen Kindes, die Beine wieder eines anderen Kindes usw. herum, bis ein ganzer Körper auf dem Papier erscheint.

Dann schreiben sie ihre Hoffnungen in den Kopf, ihre Gefühle ins Herz, ihre Bedürfnisse in den Bauch und ihre Wünsche in die Füße.

Ihre Hoffnungen reichen vom allgemeinen Verlangen nach einer "besseren Welt", "Frieden" und "Liebe" bis hin zu einer traurigen persönlichen Sehnsucht: "Ich wünschte, ich hätte Freunde".

Während zwei Gruppen angaben, die Gefühle in ihrem Bauch seien "glücklich", schrieb die dritte Gruppe erstaunlicherweise "traurig" in den Bauch ihrer Figur.

Als Bedürfnisse zählten sie auf: "Erlösung", "geliebte Menschen" und "besser aussehen", wie ein junges Mädchen schrieb.

Hanson schaut sich die schlecht proportionierten Zeichnungen an und fragt: "Sind diese Körper perfekt?"

"Nein!" rufen die Kinder im Chor und dann kommen sie alle fröhlich zusammen, um das Schlusslied zu singen.

Aber der Junge, der Peter gespielt hat, bleibt noch einen Moment bei dem Bild an der Wand stehen. Er hat seinem Körper einen riesigen Bizeps gemalt. "Hast du gesehen, was ich in die Füße geschrieben habe? Dass ich lange leben will", sagte er. "Und dass ich Spaß haben will."


Susan Kim ist eine freie Journalistin aus Laurel, Maryland, USA.

[1] Link: http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=7145e1b5cf0c460e7f99


IöFK-Website:
www.gewaltueberwinden.org
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=098791bb17bb6571fdee

IöFK-Videos:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=b15e1435fe82da7b2d4e

IöFK-Fotogalerien:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=a9ea1d44eb233dda84de

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Feature vom 24. Mai 2011
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2011