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KIRCHE/2035: Konferenz zum christlichen Umgang mit Grenzen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Meldung vom 5. Oktober 2016

Konferenz zum christlichen Umgang mit Grenzen


Grenzen - körperlicher, politischer, verhaltensbezogener Art - die Menschen ihrer Menschenrechte, ihrer Würde und ihres Lebens berauben, sind nicht mit dem Evangelium vereinbar, das uns aufruft, Migranten und Flüchtlinge zu schützen und willkommen zu heißen. Diese Thematik zog sich wie ein roter Faden durch die internationale Konferenz zu Migration und Willkommenskultur unter der Überschrift "Living and Witnessing the Border", die vom 30. September bis 2. Oktober in Palermo stattfand.

Pastor Luca M. Negro, Präsident des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien (Federazione delle chiese evangeliche in Italia, FCEI), der die Konferenz organisiert hatte und zu der mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa und den Vereinigten Staaten angereist waren, betonte, dass die Flüchtlings- und Migrationsfrage das Herzstück des christlichen Zeugnisses bilde. Er äußerte, dass Grenzen immer undurchlässiger würden: "Anstatt ein Treffpunkt der Kulturen zu sein, werden sie mehr und mehr zu einem Ort der Feindseligkeit."

Gleich am ersten Tag wies Diamando Vlassi, Mitglied des Ökumenischen Patriarchats und Vertreterin des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), in ihrem Vortrag auf die Erklärung des ÖRK-Zentralausschusses von 2016 zum Thema Vertreibung hin, in der bestätigt wird, dass souveräne Staaten das Recht hätten, ihre Außengrenzen zu kontrollieren, aber dass sie auch dem humanitären Völkerrecht verpflichtet seien. Sie berichtete von ihren Erfahrungen mit Asylanträgen in Griechenland zu einer Zeit, als die Freizügigkeit in Europa zunehmend eingeschränkt wurde und sagte, dass die meisten Migrantinnen und Migranten die Absicht hätten, heimzukehren, sobald sich die Sicherheitslage in ihrem Herkunftsland entschärfte.

"Es ist [eine Sache] aus freien Stücken an andere Orte zu reisen, um Land und Leute kennenzulernen und eine komplett andere, missbraucht, verfolgt, verwundet und zwangsweise entwurzelt zu werden, ganz ohne Würde und Hoffnung zu sein", sagte sie. "Der Schmerz, seiner Heimat beraubt zu werden, ist unermesslich."

Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) gab es im Jahr 2016 weltweit 65 Millionen Menschen, die gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden; dennoch blieb der Großteil im eigenen Land oder suchte Zuflucht in einem Nachbarland. Die Anzahl der Menschen, die nach Europa flüchten, ist in den letzten Jahren gewachsen, vor allem aufgrund des Krieges in Syrien und im Irak. Viele Flüchtlinge und Migranten versuchen auf der Suche nach Schutz das Mittelmeer zu überqueren, wobei Tausende ihr Leben lassen.

Doris Peschke, Generalsekretärin der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME), sagte, dass die durch die Medien verbreiteten Bilder von Flüchtlingsströmen und die Verwendung globaler Statistiken, die eine Migrationswelle ungekannten Ausmaßes belegen, "Stimmen lauter werden lassen, die eine restriktive Politik fordern".

Bezugnehmend auf eine kürzlich verabschiedete CCME-Erklärung mit dem Titel "Fürchtet euch nicht - sondern hofft!", sagte Peschke "Wir bestreiten nicht, dass es Ängste gibt, aber wir sollten uns nicht von unseren Ängsten leiten lassen." Sie betonte die Notwendigkeit einer kritischen Analyse sowie politischer und ökumenischer Zeichen der Hoffnung.

Ein Hoffnungszeichen, das während der Konferenz in den Fokus geriet, waren die "humanitären Korridore", ein Kooperationsprojekt von FCEI, der Gemeinschaft Sant'Egidio, Waldenser- und Methodistischen Kirchen sowie der italienischen Regierung, in dem 1000 Flüchtlinge über einen Zeitraum von zwei Jahren mit Unterstützung der Kirchengemeinden vor Ort identifiziert, bei der Visabeantragung unterstützt und in die lokalen Strukturen integriert werden.

Die Organisatorinnen und Organisatoren hoffen, dass andere Länder, besonders in Europa, diesem Beispiel der Zusammenarbeit im Bereich der "humanitären Korridore" folgen.

Cesare Zucconi von der Gemeinschaft Sant'Egidio sagte während der Konferenz: "Wenn Christinnen und Christen gemeinsam auf Herausforderungen reagieren, können sehr kreative und innovative Ansätze entstehen, die von anderen übernommen werden können. Wir müssen Synergieeffekte mit anderen Institutionen erzeugen. Angesichts der Komplexität, mit der wir es zu tun haben, können einzelne Kirchen die Herausforderung nicht allein meistern."

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz nahmen auch an einer Gedenkfeier für die Tragödie von Lampedusa am 3. Oktober 2013 teil, bei der ein Schiff mit 500 verzweifelten Migrantinnen und Migranten wenige Seemeilen vor der Küste der Insel kenterte und 368 Menschen ums Leben kamen.

Während der Konferenz betonten Rednerinnen und Redner, dass es die Verzweiflung sei, die Menschen dazu brächte, aufgrund von Krieg, Verfolgung und Hunger ihre Heimat zu verlassen, und dass die Schließung der Grenzen zu immer gefährlicheren Versuchen führe, einen sicheren Ort zu finden, an dem ein neues Leben möglich sei.

Die Hoffnung, die eigene Existenz wieder aufzubauen und zum Gemeinwohl beizutragen, kam ebenfalls zum Ausdruck.

Jean Fontanieu, Generalsekretär des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Frankreich führte aus, dass das Land zwar aus politischer Sicht keine Migrantinnen und Migranten wolle, die Bürger jedoch aus kultureller Sicht sehr viel offener seien, da sie alle die Erfahrung von Migration in ihrer eigenen Geschichte erkennen können.

Eine Reihe von Teilnehmenden sprach von dem Beitrag, den Migrantinnen und Migranten in der lokalen Kirchengemeinde geleistet hätten, indem sie neue Mitglieder - sowohl lokale als auch ausländische - sowie neue Energie und Engagement eingebracht hätten. Allerdings, so räumten sie ein, müssten auch Herausforderungen gemeistert werden, wo Menschen mit Veränderung konfrontiert wären.

Pastor Eugenio Bernardini, Sprecher der Waldensischen Kirchenleitung, sprach italienisch und forderte jede und jeden heraus: "Wir sollten als multikulturelle Gemeinschaft zusammenarbeiten. Das ist die Grundlage für künftige Generationen. Das ist die beste Kirche der Zukunft."


"Fürchtet euch nicht - sondern hofft!" Erklärung der CCME (in englischer Sprache)
http://www.ccme.be/fileadmin/filer/ccme/75_PRESS/2017/2017-06-27-CCME_Assembly_Message_final_25_June_2017.pdf (in englischer Sprache)

Die internationale Konferenz wurde organisiert von Mediterranean Hope
http://www.mediterraneanhope.com/ , dem FCEI
http://www.nev.it/nev/2017/09/26/living-and-witnessing-the-border-international-conference-palermo-and-lampedusa/
- Programm zu Flucht und Migration (Links in englischer Sprache).

Die internationale Konferenz wurde organisiert von Mediterranean Hope, dem FCEI-Programm zu Flucht und Migration (Links in englischer Sprache).
http://www.nev.it/nev/2017/10/04/lampedusa-ecumenical-statement/ (in englischer Sprache)

Ökumenische Erklärung der internationalen Konferenz "Living and Witnessing the Border" (in englischer Sprache)
http://www.nev.it/nev/2017/10/04/lampedusa-ecumenical-statement/ (in englischer Sprache)

Erklärung des ÖRK-Zentralausschusses aus dem Jahr 2016 zum Thema Vertreibung
https://www.oikoumene.org/de/resources/documents/central-committee/2016/statement-on-the-forced-displacement-crisis

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Quelle:
Meldung vom 5. Oktober 2017
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
Internet: http://www.oikoumene.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2017

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